Markus Söder (CSU) gab sich locker: Ob er jetzt nicht lieber in Berlin wäre, um eine Koalition zu verhandeln, wurde er von Moderator Ingo Zamperoni bei der Eröffnung der Medientage in München gefragt. Das nutzte der bayerische Ministerpräsident für eine Breitseite gegen die Medien: Die hätten den Wahlkampf schlecht begleitet, sich auf Petitessen statt auf die großen Themen konzentriert. Doch dann gestand er ein, dass auch die Politik diese Anliegen nicht gerade in den Vordergrund gestellt hätten.
Algorithmen offenlegen?
Durch Social Media habe sich die politische Kommunikation massiv verändert, so Söder. Er habe sich vor Corona nicht vorstellen können, dass eine solche Hass-Community entstehen könne, die inhaltliche Hetze und "viel Unsinn" verbreite. Daher müsse man Plattformbetreiber wie Facebook, Google oder Telegram stärker in die Verantwortung nehmen. Algorithmen müssten verändert werden, damit den Userinnen und Usern nicht nur "wirres Zeug" in die Timeline gespült werde.
Dass Algorithmen nicht zwischen verlässlichen, faktenbasierten Inhalten und unzuverlässigen, spekulativen Informationen unterscheiden, beklagte auch die preisgekrönte ZDF-Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim. Die Medienwelt sei nicht für die Wissenschaft gemacht, sie könne nur ein Spotlight werfen, nicht aber in die Tiefe gehen, das habe die Pandemie gezeigt. Die Medienwelt müsse sich dringend auf allgemeingültige Spielregeln einigen, so Nguyen-Kim, aber ohne die Meinungsfreiheit zu beschränken – ein schwieriges Unterfangen.
Discovery auf Wachstumskurs
Der Trend zum Streaming sei nachhaltig und werde nicht mehr verschwinden, betonte Gunnar Wiedenfels, Finanzchef des internationalen Medienkonzerns Discovery in New York, in seiner Keynote. München habe sich zu einem wichtigen Standort in Europa entwickelt.
Wachsen wird der Konzern durch den geplanten Merger mit Warner Medien, wozu unter anderem CNN, HBO und die Hollywood-Studios des Anbieters gehören. Dadurch wird nach Disney der zweitgrößte Medienkonzern der Welt entstehen, so Wiedenfels. Dafür werden 43 Milliarden Dollar neue Schulden aufgenommen – aber das werde sich rechnen, so der Finanzchef.
Was bleibt da für lokale Anbieter in Europa oder Deutschland? Vor allem die Nische und Partnerschaften mit anderen regionalen Anbietern, so die Ansage.
Was hat sich durch die Pandemie in der Medienwelt verändert?
Durch die Pandemie hat sich die Arbeitsweise auch in den Medienhäusern massiv verändert, betonten die Verantwortlichen in der Abschlussrunde. Programm wurde ebenso remote produziert und teilweise moderiert wie die Betreuung von Internetkunden. Langsam geht es zwar wieder aus dem Homeoffice zurück in die Büros – aber was wird bleiben von den Corona-bedingten Veränderungen?
Flexibilität, Eigenverantwortung und eine schlanke Produktion, so BR-Intendantin Katja Wildermuth. Dass Spielfilme künftig kurz nach dem Kinostart auch auf Streaming-Plattformen laufen werden, war sich Sky-Chef Devesh Raj sicher. Vodafone-CEO Hannes Ametsreiter sieht eine Transformation der Industrie- in eine Daten- und Wissensgesellschaft. Stephan Schäfer, Co-Geschäftsführer von RTL Deutschland, unterstreicht, wie wichtig Bewegtbild für jedes Medienangebot geworden ist. Video killed the Radiostar …
Großes Informationsbedürfnis
Dass Homeoffice, fehlende Reisemöglichkeiten und kaum Veranstaltungsangebote das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums gesteigert hat, ist offensichtlich: Die Mediathekennutzung vor allem von Fiktion und Dokumentationen sei förmlich explodiert, so BR-Intendantin Wildermuth. Gleichzeitig ist auch die Nachfrage nach Information immens gestiegen. Da sei es wichtig, die unterschiedlichen Bedürfnisse in Stadt und Land, in bildungsnahen und bildungsfernen Schichten zu berücksichtigen. Die Verwurzelung des BR in der Region sei dabei sehr hilfreich.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stehe schon lange für qualitätsvollen Journalismus, er sei unparteiisch und nicht darauf angewiesen, mit seinen Inhalten Geld zu verdienen. Diese Vorteile gelte es auszuspielen, so die BR-Intendantin. Dass andere Medienanbieter ebenfalls verstärkt auf Information setzen, sehe sie nicht als Konkurrenz. Das sei gut für die Demokratie.
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