Eine Frau wartet an den Bahngleisen auf den Zug
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Damit mehr Menschen das Rad nutzen, braucht es auch eine gute Verzahnung von ÖPNV und Rad.

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Mehr Menschen aufs Rad - Das sind die Voraussetzungen

Die Bayerische Staatsregierung plant weitere Radwege. Ihre Ziele: weniger Schadstoffemissionen, weniger Lärm, mehr Klimaschutz und mehr Lebensqualität in den Kommunen. Doch damit mehr Menschen öfter Rad fahren, braucht es weitere Maßnahmen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Bis 2030 sollen in Bayern 1.500 Kilometer neue Radwege entstehen. Das plant die Bayerische Staatsregierung. Doch damit mehr Menschen Alltagswege mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zurücklegen, braucht es neben sicheren Wegen auch fahrradfreundliche Arbeitgeber und eine gute Verzahnung von ÖPNV und Rad.

Problem: Geringer Überholabstand von Autos

Deike Prestele etwa radelt auf ihrem Mountainbike – übrigens ohne "E" - in die Arbeit rund eineinhalb Stunden. Fast 25 Kilometer von Oy-Mittelberg nach Kempten. Sie mag es, morgens Sport zu machen, in der Natur zu sein, und sie radelt auch aus ökologischen Gründen. Die Apothekerin wählt extra einen Umweg über weniger befahrene Straßen. Doch selbst dort kann es manchmal brenzlig werden. Weil manche Autos sehr knapp überholen.

Sensoren sollen helfen, Gefahrenstellen zu finden

Um solche Gefahrenstellen, in denen oft zu wenig Überholabstand gehalten wird, zu identifizieren, wurden sogenannte OpenBikeSensoren entwickelt. Die Ultraschallsensoren arbeiten wie die in den Stoßfängern von Autos. Sie werden unter dem Fahrradsattel montiert und messen, auf welchen Strecken Autofahrende die vorgeschriebenen 1,5 Meter Abstand beim Überholen nicht einhalten. Diesen OpenBikeSensor nutzt zum Beispiel der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club, kurz ADFC, in Augsburg, München und Dachau.

Im Kempten arbeitet der ADFC mit einer Forschungsgruppe von Elektrotechnik-Studierenden der Hochschule Kempten zusammen. Sie radeln viele Strecken in Kempten entlang und sammeln mit den Sensoren Daten, erklärt Thomas Zeh, Professor für Elektrotechnik an der Hochschule Kempten: "Die Daten werden in ein Portal geladen, in eine digitale Karte, in der wir sehen: An welchen Stellen kam es zu kritischen Überholvorgängen? Und diese Daten sind sehr interessant für die Stadtplaner."

Die Stadt Kempten hat Interesse an den Daten signalisiert. Dadurch könnte sie Projekte priorisieren oder Investitionen rechtfertigen. An Gefahrenstellen könnte die Stadt zum Beispiel eine Fahrspur erweitern oder für Autos eine Geschwindigkeitsbegrenzung einführen.

Firma bietet Infrastruktur für Radlerinnen und Radler

So wie Deike Prestele im Allgäu radeln auch viele Mitarbeitende der Firma Toptica in Gräfelfing bei München täglich zur Arbeit. Für sie hat sich das Laserentwicklungsunternehmen einiges einfallen lassen. Sie können ihre Fahrräder von einer Radreparaturfirma durchchecken lassen, es gibt gemeinsame Radtouren und individuelle Streckenberatung. Toptica hat außerdem Fahrrad-Beauftragte, die Kolleginnen und Kollegen beraten, die sich fürs Radeln interessieren.

Außerdem stehen Luftpumpen und eine Reparaturstation mit kostenlosem Notfall-Ersatzmaterial bereit, um zum Beispiel einen Platten zu reparieren. Demnächst soll es mehr Umkleiden mit Duschen und Trockenräume geben. Wie eine Mitarbeiterin erklärt, mussten für ausreichend Rad-Stellplätze mehrere Autoparkplätze weichen.

Fahrradfreundlichkeit, um Fachkräfte zu werben

Bei Toptica arbeiten Physiker oder Softwareentwicklerinnen - Fachkräfte, die dringend gesucht werden. Um sie für die Firma zu begeistern und an sie zu binden, kann die Fahrradfreundlichkeit den Ausschlag geben.

Davon sind die Chefs überzeugt, erklärt Jan Brubacher, Marketingmanager bei Toptica: "Ich denke, das ist für die Firma wichtig, dass den Mitarbeitern etwas geboten wird, was sie verlangen. Und die Mitarbeiter von Toptica verlangen Radlstellplätze. Sie wollen ihre Fahrräder genauso wie die Autos auch geschützt unterstellen."

ADFC zertifiziert "Fahrradfreundliche Unternehmen"

Weil Toptica so viel für Fahrradfahrende bietet, konnte sich die Laser-Entwicklungsfirma vor Kurzem zertifizieren lassen: Als "Fahrradfreundlicher Arbeitgeber". Diese Zertifizierung führt der ADFC durch. Die Zertifizierung kostet je nach Mitarbeiterzahl zwischen mehreren Hundert bis mehreren Tausend Euro. Dafür bekommen die Firmen das EU-weite Siegel "Fahrradfreundlicher Arbeitgeber", werden in ein Verzeichnis aufgenommen und vom ADFC individuell beraten.

Firmen sparen sich Auto-Parkplätze und CO2

Warum Betriebe sich dafür entscheiden, fahrradfreundlich zu sein, weiß Sara Tsudome. Sie ist Projektleiterin bei "Fahrradfreundlicher Arbeitgeber". Sie erklärt, dass das Thema Parken eine große Rolle spiele. Firmen, die nicht mehr Auto-Parkplätze bereitstellen können oder wollen, versuchen mehr Menschen vom Radfahren zu überzeugen.

Zudem hat Radeln auch gesundheitliche Vorteile für die Angestellten: "Alle, die sich aktiv mit Gesundheitsmanagement beschäftigen, die unterstützen das Radfahren, weil das eine sehr gute Maßnahme ist, die auch im Alltag umgesetzt werden kann, und natürlich alle, die einen Nachhaltigkeits- oder einen Klimabericht schreiben, nehmen das Radfahren gerne auf, weil sie da auch wirklich konkrete CO2-Einsparungen damit verbinden können."

Radfahren gut fürs Team

Das Interesse an der Zertifizierung wachse, sagt Tsudome. Wobei in Bayern noch Luft nach oben ist: Der Freistaat liegt bei der Anzahl der fahrradfreundlichen Firmen deutschlandweit im Mittelfeld. Dabei sei Fahrradfreundlichkeit auch gut für die Teambildung. Bei Toptica gibt es etwa einmal im Jahr ein gemeinsames Frühstück für die Radlerinnen und Radler. Das bringt dann auch Menschen aus verschiedenen Abteilungen zusammen.

Im Audio: Was Firmen im besten Fall an Fahrrad-Infrastruktur bieten können

Bei Toptica gibt es unter anderem eine Luftpumpe und eine Reparaturstation.
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Bei Toptica gibt es unter anderem eine Luftpumpe und eine Reparaturstation.

Kostenlose Radmitnahme in Zügen gefordert

Nach Feierabend fährt Apothekerin Deike Prestele aus Zeitgründen mit dem Zug zurück zu ihrem Mann und ihrer Tochter. Eineinhalb Stunden radeln pro Tag ist genug. Ihr Fahrrad nimmt sie im Zug mit. Fahrradtickets kosten je nach Stecke, laut Deutscher Bahn, zwischen 80 Cent bis 6 Euro. Der ADFC fordert hingegen kostenlose Fahrradmitnahme und leichte Einstiege. Dann würden vielleicht noch mehr Menschen das Rad nutzen.

So gäbe es noch viele Alltagsstecken, besonders in die Arbeit, die - statt mit dem Auto - mit dem Rad gut machbar wären. Vor allem, wenn die Strecken sicher und Firmen fahrradfreundlich sind.

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