Viele Jahre hat sich ein früherer Prior an Mitgliedern der Christusträger Bruderschaft in Triefenstein sexuell vergangen. Karl – er möchte nur mit seinem Vornamen öffentlich auftreten – ist einer der Betroffenen. Mittlerweile lebt er in der Schweiz, wo er sich eine kleine Schreinerwerkstatt aufgebaut hat.
- Zum Thema: Evangelische Bruderschaft bricht Schweigen über Missbrauchsfälle
Als junger Mann war er in die ökumenische Christusträger Bruderschaft eingetreten und lebte dort 30 Jahre als Bruder Karl. Bis er 1995 über Nacht aus dem Kloster floh: "Diesem Schritt gingen zwei weitere Versuche voraus, in den Jahren 1991 und 1993. Damals haben mir die Mitbrüder erklärt, dass ich nicht gehen kann, weil ich gebraucht werde. Und das, obwohl meine innere Not mir gesagt hat: 'Das geht nicht mehr'."
Jahrelanger Missbrauch durch Gründer
Jahrelang hatte ihn der inzwischen verstorbene Gründer der Gemeinschaft missbraucht. Die Übergriffe begannen kurz nach seinem Eintritt in die Bruderschaft. Damals war er 17 Jahre alt.
Der Mitgründer und seit der Gründung 1961 erste Prior der Kommunität war 1996 abgesetzt worden, nachdem seine mutmaßlichen Übergriffe intern bekannt geworden waren. An die Öffentlichkeit ging die Bruderschaft aber auch nach seinem Weggang nicht. Erst vor Kurzem hat ein externes Gremium den Missbrauch aufgearbeitet und empfohlen, die Übergriffe auch öffentlich zu machen.
Karl sei nicht das einzige Opfer, sagt Bruder Christian Hauter von der Gemeinschaft: "Bis 1995 wurden, soweit wir wissen, in verschiedenen Konstellationen insgesamt acht Brüder sexuell missbraucht. Wir wissen natürlich nicht, ob wir alles wissen. Aber das, was wir wissen, ist erschreckend viel."
"Wir haben uns geschämt für unsere Gemeinschaft"
Systematisch hatte der Gründer seine Macht ausgenutzt, hatte die Brüder kontrolliert, war als geistliche Autorität und Beichtvater unanfechtbar. Zu diesem Ergebnis kamen die Prüfer. Lange hat die missionarische Gemeinschaft über den Missbrauch geschwiegen. Ein Fehler, sagt Bruder Christian Hauter. "Wir waren uns nicht einig, und wir hatten auch Angst davor, identifiziert zu werden mit dem, was geschehen ist. Auch wenn wir das selber ablehnen und nicht aktiv daran beteiligt oder dafür verantwortlich waren. Aber trotzdem schauen uns die Leute an, als wenn wir das alles gemacht hätten. Wir haben uns auch geschämt für unsere Gemeinschaft."
Betroffene setzen sich für Aufarbeitung ein
Karl hat inzwischen geheiratet. Mit seiner Frau Brigitte ist er immer wieder an die Gemeinschaft herangetreten. Gemeinsam mit anderen Betroffenen haben sie sich dafür eingesetzt, dass die Gemeinschaft den Missbrauch aufarbeitet. Im vergangenen Jahr hielt er dann endlich den Untersuchungsbericht der Gemeinschaft in den Händen: "Da ist eine unglaubliche Last von mir abgefallen."
Dass die Christusträger Bruderschaft begonnen hat, den Missbrauch aufzuarbeiten, ist für ihn ein wichtiger Schritt. Er sagt aber auch, es brauche prinzipiell noch viel mehr Sensibilität für das Thema. Seinen Glauben hat Karl nicht verloren. In der Schweiz hat er einen Raum der Stille gestaltet. In einem Kunstwerk setzt er sich hier auch mit seiner eigenen Geschichte auseinander.
Mehr zum Thema "Missbrauch in den Kirchen" am Mittwoch, 31.1.2024 in STATIONEN und in der ARD Mediathek.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!