Seit 1966 befindet sich die Schreinerei von Gunter Ziegelmeier im Gewerbegebiet in Nördlingen. Nun soll er neue Nachbarn bekommen. Die Stadt erlaubt einem Investor den Bau von Häusern mit 58 Wohnungen und verkleinert dafür das Gewerbegebiet. Für Gunter Ziegelmeier ein Grund zur Sorge. Der Unternehmer fürchtet Klagen der künftigen Anwohner wegen zu viel Lärm.
"Das gefährdet einfach unsere Existenz hier. Wir bilden gerade die fünfte Generation aus. Und ich will einen zukunftsfähigen Betrieb übergeben können." Gunter Ziegelmeier, Holztechniker
Wie viel Dezibel sind zu viel?
Schon jetzt scheint für Gunter Ziegelmeier klar - seine Schreinerei wird zu laut sein für die neue Nachbarschaft. Sägen und Hobeln ist lärmintensiv. Und er befürchtet, dass die Stadt bei ihrer Planung für die neuen Wohnungen von einem falschen Lärmpegel seiner Schreinerei ausgeht. Dem BR-Politikmagazin Kontrovers zeigt er zwei verschiedene Messungen: ein Lärmgutachten aus dem Jahr 2019, das einen Lärmpegel der Schreinerei von 80 Dezibel ausweist. 2020 gibt es ein neues Gutachten, das nur noch von 70 Dezibel ausgeht.
💡 Lautstärke und Dezibel
Flüstern = ca. 30 dB
Normale Unterhaltung = ca 60 dB
Schreiendes Baby, Motorrad = ca 80 dB
Diskotheken, Presslufthammer, Kreissäge = ca. 110 dB
David Wittner ist der Oberbürgermeister von Nördlingen. Er sieht den Fortbestand der Schreinerei Ziegelmeier durch den Bau der neuen Wohnhäuser nicht gefährdet. Durch das Aufstellen der Bebauungspläne, Abwägen der Fachgutachten, sowie Abstimmungsgespräche solle hier ein Interessenausgleich gefunden werden.
Investor sieht keinen Konflikt
Auch der Investor Wohnpark Neue Mitte sieht in der aktuellen Planung keine Schwierigkeiten aufgrund von Lärm. Auf Nachfrage des BR-Politikmagazins Kontrovers antwortet er, dass der Bebauungsplan bauliche Schallschutzmaßnahmen vorgebe und diese an den betroffenen Fassaden der Wohngebäude so geplant seien. Wenn auch der Schreinerei-Betrieb sich an seine Auflagen hielte, käme es laut Investor zu keinen Überschreitungen und so später nicht zum Konflikt.
Schlechte Erfahrungen in Pöcking
Dennoch wäre die Schreinerei Ziegelmeier in Nördlingen nicht der erste Betrieb in Bayern, der neuen Wohnungen weichen musste. So erging es beispielsweise Zimmerer Ludwig Gansneder aus Pöcking. Es sei naiv zu glauben, dass eine Koexistenz auf Dauer funktioniere, sagt er gegenüber Kontrovers. Seine Schreinerei befand sich im Frühjahr 2020 noch in der Ortsmitte von Pöcking. Aufgrund des Krachs verklagte ihn ein Nachbar.
"Die haben vollkommen umfänglich Recht bekommen und da mussten wir eigentlich von einem Tag auf den anderen alles außen einstellen und hatten dann das Glück das man einen Kuhstall anmieten konnten." Ludwig Gansneder, Zimmerei Pöcking
Die Zimmerei fand diese Zwischenlösung und konnte mittlerweile in ein neues Gewerbegebiet ziehen. Die Arbeitsplätze konnten gerettet werden.
Bauministerium: Problematik ist bekannt
Ende 2019 wurde im Bayerischen Bauministerium eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich auch mit diesen Konflikten befasst hat. Die Problematik sei bekannt. Die Ergebnisse seien, so sagt es das Ministerium, ohne ins Detail zu gehen, "bei künftigen Gesetzesänderungen zu berücksichtigen."
Grundsätzlich verweist das Bayerische Bauministerium aber darauf, dass in Lärmschutz-relevanten Bebauungsfragen Bundesrecht greift und Konflikte zwischen Wohnbebauung und lärmintensiven Gewerbe von den Kommunen in einer langfristigen Städtebauplanung gelöst werden könnten.
Nördlingens Oberbürgermeister David Wittner fürchtet unterdessen, dass durch neue Vorschriften im Baurecht und die Definition weiterer Spezialfälle Neubebauung immer komplexer wird. Seiner Meinung nach wäre hier eine Reduzierung von Neuregelungen sinnvoll. Der Druck, Wohnraum zu schaffen, würde wachsen. In Nördlingen hätten sie derzeit einen Überhang von knapp 600 Interessenten, denen die Stadt keine Wohnungen anbieten könne.
Zukunft schwer planbar
Schreinermeister Gunter Ziegelmeier sind die Sorgen nicht genommen. Der aktuelle Standort im Gewerbegebiet ist für seinen Betrieb ideal und bietet die Möglichkeit sich zu vergrößern. Sein Sohn soll die Schreinerei irgendwann übernehmen. Doch Zukunftspläne haben in der aktuellen Situation vorerst eine kurze Halbwertszeit.
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