"Naddalie" ist sichtlich erleichtert, dass sie endlich wieder arbeiten kann. Die Sexarbeiterin mit dem fränkischen "Künstlernamen" bietet unter anderem erotische Massagen sowie Sexualbegleitung für Menschen mit Handicap in Nürnberg an. Um arbeiten zu gehen, braucht sie allerdings einen Arbeitsausweis. Den verlängert das Gesundheitsamt aber nur dann, wenn sie einmal im Jahr zu einer gesundheitlichen Beratung geht.
Vor ein paar Tagen habe sie dort angerufen und sei vertröstet worden, erzählt Naddalie. Der zuständige Sachbearbeiter habe ihr gesagt, sie solle es bald noch einmal probieren, vielleicht könne man ihr dann mehr sagen.
Nach acht Monaten Zwangspause: Arbeitserlaubnis bei vielen Prostituierten erloschen
So wie Naddalie geht es im Moment vielen aus der Sex-Branche, berichtet Manuela Göhring von der Beratungsstelle für Prostituierte "Kassandra" in Nürnberg. Nach über acht Monaten Zwangspause sei die Gültigkeit vieler Arbeitsausweise erloschen, da die gesundheitlichen Beratungsgespräche nicht durchgeführt werden konnten. Göhrings Befürchtung: Schon bald kommen wieder mehr Sexarbeiterinnen aus dem Ausland. Dann werde es wohl noch schwieriger als im Moment, einen Termin beim Gesundheitsamt in Nürnberg zu bekommen.
Gesundheitsamt Nürnberg von Arbeitserlaubnis überrascht
Der Leiter der Fachstelle für sexuelle Gesundheit beim Gesundheitsamt in Nürnberg, Norbert Kellermann, hätte diese Situation gerne vermieden. Er und sein Team seien davon ausgegangen, dass die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter erst ab September 2021 wieder arbeiten dürfen. Dementsprechend habe seine Fachabteilung auch geplant. Von der kurzfristigen Änderung sei er überrascht worden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte vor einer Woche dem Eilantrag des Betreibers einer Prostitutionsstätte teilweise stattgegeben und das vollständige Verbot vorläufig außer Vollzug gesetzt. Jetzt fehlen Norbert Kellermann Mitarbeitende, die die gesundheitliche Beratung durchführen können.
Viele aus seinem Team wurden während der Corona-Pandemie in anderen Bereichen des Gesundheitsamts eingesetzt. Die Kolleginnen und Kollegen könnten nicht von einem Tag auf den anderen wechseln, weil sie in ihrem neuen Arbeitsbereich ebenfalls gebraucht würden, berichtet Kellermann.
Nürnberger Ordnungsamt will bei Kontrollen kulant sein
Im Jahr 2019 waren rund 1200 Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter beim Beratungsgespräch im Nürnberger Gesundheitsamt. Norbert Kellermann rechnet damit, dass heuer etwa 600 Beratungen notwendig sind – zu viele, um sie kurzfristig abzuarbeiten. An anderer Stelle in der Stadtverwaltung weiß man um das Problem. Er gehe deshalb davon aus, dass das Ordnungsamt bei Kontrollen kulant sein wird, so Kellermann. Den Prostituierten solle kein Strick aus ihren abgelaufenen Arbeitsausweisen gedreht werden.
Die jährlich verpflichtende gesundheitliche Beratung hat unter anderem den Zweck, Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen über Verhütungsmethoden aufzuklären. Auch werden sie darüber informiert, wie sie sich am besten verhalten, wenn etwa ein Freier handgreiflich wird. Die Beratung soll außerdem Zwangsprostitution verhindern.
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