Eine Solaranlage soll helfen, das Klima zu schützen und Energie zu sparen. Doch im Brandfall kann sie sehr teuer werden. "Man steht dem machtlos gegenüber und kann nur hoffen, dass man den Schaden eindämmen kann", sagt Florian Lipp aus Mittenwald. Im letzten November ist der PV-Speicher in seinem Einfamilienhaus durchgeschmort. Dabei hat sich die Photovoltaikanlage überhitzt und einen Schwelbrand im Heizungskeller ausgelöst. Für jeden Hausbesitzer ein Albtraum. Der materielle Schaden beträgt über 200.000 Euro – hinzukommt noch die viele Arbeit, die der Brand bis heute nach sich zieht.
Strom zu 75 Prozent aus eigener Produktion
Vor vier Jahren montiert Familie Lipp Solarpaneele aufs Dach und stellt einen Photovoltaik-Speicher in den Keller. Damit kann sie den Stromverbrauch für sich und drei Ferienwohnungen zu 75 Prozent aus eigener Produktion sicherstellen. "Da ist der Speicher absolut sinnvoll", sagt Florian Lipp. "Meine Feriengäste sind meistens am Abend in der Ferienwohnung und verbrauchen dann den Strom, der tagsüber produziert wird."
Lithium-Ionen-Akkus lassen sich nur schwer löschen
Doch dann passiert Anfang November das, womit niemand rechnet. Die Anlage überhitzt und löst einen Brand aus. Die Feuerwehr Mittenwald ist schnell zur Stelle, kann aber den Lithium-Ionen-Akku des Speichers nicht sofort löschen. Der Brand ist sehr heikel, weil man - wie auch bei Elektroautos - bestimmte Akkus nicht löschen kann. Die Feuerwehr muss mit Atemgerät die Anlage kühlen – kann aber nicht verhindern, dass der Kellerraum ausbrennt und dass sich der Ruß und Plastikpartikel im ganzen Haus mit einem klebrigen Film verteilen. Erst als die Stromkabel der Solarpaneele vom Dach gekappt werden, lässt der Schwelbrand nach. Das Alu-Gehäuse des Speichers ist komplett deformiert und nach diesem Tag ein Fall für die Gutachter. Familie Lipp muss über vier Wochen ausziehen und kann auch ihre Ferienwohnungen nicht vermieten.
7.200 PV-Speicher wurden von LG 2021 zurückgerufen
Es handelt sich um einen Photovoltaik-Speicher der Firma LG aus Südkorea, ein renommierter Elektro-Konzern. Bereits 2021 hatte der Hersteller bundesweit 7.200 Geräte der Marken LG, Solax und Opal für ein Update der Elektronik oder einen Austausch zurückgerufen. Elektromeister Josef Mittermeier aus Garmisch-Partenkirchen, der die betroffene Solaranlage eingebaut hat, kritisiert die Geschäftspolitik des Herstellers. "Im Falle eines Schadens reagiert das Unternehmen nur schwer oder gar nicht. Da wird ohne Ende Zeit geschunden, damit man gegenüber den Kunden nichts bewegen muss", sagt er im BR-Interview. 14 Photovoltaikspeicher dieses Herstellers hat Mittermeier bis 2023 verbaut. Seitdem bekommen seine Kunden nur noch Geräte aus deutscher Produktion. Auch PV-Speicher des Herstellers Senec sind in zwei Fällen im Jahr 2023 havariert.
Kunden sind auf Hilfe der Elektrobetriebe angewiesen
LG äußert sich nach einer schriftlichen und einer telefonischen BR-Anfrage nicht zum aktuellen Stand. Wie viele PV-Speicher aus der betroffenen Baureihe wurden getauscht, wie viele bekamen ein neues Update? Ein Dienstleister des Unternehmens mit Sitz in Eschborn bei Frankfurt hat die Zusammenarbeit eingestellt. Kunden in Bayern sind auf die Hilfe und das "Goodwill" der Elektro-Fachbetriebe vor Ort angewiesen.
(Der Hersteller hat sich zu dem hier beschriebenen Ablauf über eine Kommunikationsagentur geäußert. Der Text einer entsprechenden Mail steht am Ende des Artikels).
Speicher sind eine "tickende Zeitbombe"
Für Florian Lipp und seine Familie war nicht nur der Brand ein Schock, bis heute geht der Ärger weiter. "Die Versicherung hat jetzt eine Anzahlung geleistet, was uns schon Mal weiterhilft", sagt Hausbesitzer Lipp. Welche Schäden von der Versicherung ausgeglichen werden, weiß er auch drei Monate nach dem Brand noch nicht. Anderen Besitzern von Solaranlagen rät er: "Auf alle Fälle die LG-Speicher überprüfen lassen oder austauschen. Wenn das flächendeckend auftreten kann, ist das eine tickende Zeitbombe." Wenn es zu einem Brand kommt, stehe man machtlos gegenüber, sagt der gelernte Maurer nachdenklich.
"Technik noch nicht ganz ausgereift"
Auf der Homepage von LG gibt es eine Rückrufaktion für die Speicher – hier können sich User informieren, ob ihr Speicher betroffen sein könnte. Auf Photovoltaik-Foren wird darauf verwiesen, dass in anderen Ländern offensiver vor bestimmten Speichern gewarnt wird. Das ist zum Beispiel in Australien der Fall, wo eine staatliche Organisation den Austausch von durchgebrannten Speichermodellen anordnet und auch überwacht. Unsere österreichischen Nachbarn verpflichten Häuslebauer dazu, einen Sperrschalter zwischen Solaranlage und Solarspeicher einzubauen. Wenn es zur Überhitzung der Anlage kommen sollte, wird dadurch die weitere Stromzufuhr in den Speicher gestoppt. "Die Technik ist noch relativ am Anfang", sagt Florian Lipp, "und wie man an meinem Beispiel sieht, offenbar noch nicht ganz ausgereift".
Verband: "PV-Speicher sehr sicher"
Das sieht die Solarwirtschaft in Deutschland anders. Statistisch verursachen nur 0,006 Prozent aller installierten Solaranlagen in Deutschland einen Brand – diese Zahl hat das Fraunhofer Institut veröffentlicht. Urban Windelen, der Geschäftsführer des Bundesverband Energiespeicher-Systeme (BVES), sagt auf BR-Anfrage, dass von den 36 genannten Bränden an Solaranlagen in Deutschland nur sechs durch einen Speicher verursacht worden seien. Das sei angesichts einer Zahl von 1,2 Millionen Speichern in deutschen Haushalten eine geringe Zahl. Die zertifizierten Speicher seien in Deutschland sehr sicher. Allerdings rät der Verband von Elektrospeichern "Marke Eigenbau" mit Bauteilen aus dem Baumarkt ab. Das sei absolut gefährlich, betont der Verbands-Chef.
Florian Lipp hat inzwischen einen neuen Speicher und eine komplett neue Elektrik im Keller – und hofft mit seiner Familie, dass weder er noch andere in Zukunft seine Erfahrungen wiederholen müssen.
"Stellungnahme von LG Energy Solutions Europe:
„Nach der Meldung eines Brandes im November haben wir uns umgehend mit dem betroffenen Kunden in Verbindung gesetzt und standen auch während der gesamten Untersuchung in regelmäßigem Kontakt. Während wir unsere Unterstützung bei der Ermittlung der Brandursache und der Behebung des Schadens anboten, bat uns der Kunde zunächst, die Rückmeldung seiner Versicherung nach der Begutachtung durch einen Schadenssachverständigen abzuwarten. Diesem Wunsch sind wir nachgekommen und warten seitdem auf die Antwort des Kunden. Seit dem 12. Dezember 2023 haben wir keine weiteren Anfragen oder Mitteilungen von diesem Kunden erhalten. Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Sicherheit unserer Produkte zu gewährleisten und Bedenken im Zusammenhang mit unseren Produkten auszuräumen. Wir sind auch weiterhin entschlossen, mit allen Beteiligten zusammenzuarbeiten, um eine gründliche und transparente Lösung in dieser Angelegenheit zu finden.” Zudem verweist der Artikel auf das Unternehmen LG Electronics, das aber keine PV-Produkte herstellt: Die Firma LG Energy Solutions Europe GmbH, die PV-Speicher herstellt, hat ihren Sitz nicht in Eschborn, wie im Text fälschlich steht, sondern in Sulzbach. In Eschborn befindet sich die Firma LG Electronics Deutschland GmbH. Diese stellt keine PV-Produkte her und ist auch kein Dienstleister von LG Energy Solutions Europe. Hierin liegt vermutlich auch der Grund, dass Sie keine Antwort auf Ihre schriftliche und telefonische Anfrage zum Fall erhalten haben. LG Energy Solutions Europe mit Sitz in Sulzbach hat uns versichert, dass sie zu keiner Zeit eine Anfrage vom BR zu diesem Vorfall erhalten haben. Wäre dies der Fall gewesen, hätte sich LGES in jedem Fall geäußert und die Sachlage (siehe oben wie in der Stellungname) geschildert. " (Ende der Stellungnahme)
Anmerkung der Redaktion: Die Betroffenen (Familie Lipp aus Mittenwald und Elektro-Mittermeier in Garmisch-Partenkirchen) bestreiten nicht, dass es Kontakt mit Firmen-Vertretern gegeben hat. Allerdings hat dieser Kontakt nicht dazu geführt, dass der Familie schnell geholfen werden konnte. Die Tochterfirma von LG, LG Energy Solutions verfügt nicht über eine eigene Presseabteilung. Bei Anfragen wird im Internet auf das Mutterunternehmen in Eschborn bei Frankfurt verwiesen.
Dieser Artikel ist erstmals am 01. März 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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