Die Mainfähre Nordheim. Die Fährverbindung zwischen Nordheim am Main und Escherndorf besteht seit 550 Jahren.
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Die Mainfähre Nordheim. Die Fährverbindung zwischen Nordheim am Main und Escherndorf besteht seit 550 Jahren.

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Seit 550 Jahren trockenen Fußes über den Main: Fähre Nordheim

Noch gibt es eine ganze Reihe von Mainfähren zwischen Bamberg und Frankfurt. Doch nur wenige können auf eine so lange Geschichte verweisen wie die Fähre in Nordheim am Main. Sie wurde 1473 erstmals urkundlich erwähnt, wird nun also 550 Jahre alt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Um trockenen Fußes über den Main zu kommen, kann man die Brücke nehmen. Stimmungsvoller und oft deutlich kürzer ist es jedoch, mit der Fähre zu fahren. Zum Beispiel mit der Fähre zwischen den idyllisch gelegenen Winzerorten Nordheim am Main und Escherndorf. Ein beliebtes Verkehrsmittel an der romantischen Volkacher Mainschleife. Und das seit 550 Jahren.

Leerfahrten kommen hier nur äußerst selten vor, sagt Judith Flammersberger, während sie einer Gruppe von Fahrradtouristen die Tickets aushändigt. Ein Euro pro Nase. Ein preiswertes Vergnügen! Auf der anderen Mainseite wartet bereits ein Weinbergstraktor auf seine Überfahrt. Und so geht das den ganzen Tag von früh um sechs Uhr bis abends um 19 Uhr, mit einer Stunde Mittagspause. Berufspendler, Winzer, Touristen.

Fährfrau pflegt die Familientradition

Die Einheimischen kennt Judith Flammersberger alle persönlich. Sie sitzt in dem kleinen Steuerhaus der Mainfähre, die ihr Opa 1947 in Erlenbach am Main bauen ließ. 18.000 D-Mark hat sie damals gekostet. Ein Batzen Geld für ein kleines Familienunternehmen. Otto Konrad hieß der Großvater. Und der hatte die Aufgabe des Fährmanns bereits von seinem Schwiegervater übernommen. Auf ihn folgte sein Sohn Walter. Seit 1984 hat auch dessen Tochter Judith Flammersberger das Fähr-Patent. Nun schippert sie selbst in vierter Generation bereits seit 40 Jahren Menschen über den Main. Von Nordheim nach Escherndorf oder umgekehrt.

Kurze Fahrt, Riesen-Erlebnis

Die Fahrt dauert nur wenige Minuten. Ein Erlebnis ist sie trotzdem. Besonders für Touristen. Viele von Ihnen steigen am Campingplatz in Escherndorf ab und nehmen immer wieder die Fähre als Start und Ziel ihrer Ausflüge. Christian und Stefanie Lukas kommen zum Beispiel aus Paderborn. Für ihre beiden Hunde Maja und Snoopy ist die Mainpassage per Fähre eine absolute Premiere. Alle vier erreichen das andere Ufer problemlos: Die Fahrt ist zu kurz, um seekrank zu werden!

Und doch genießen die Paderborner die kleine Entschleunigung zwischendurch. Einen Fluss haben sie schließlich zuhause nicht und eine Fähre schon gar nicht. So eine Fahrt im schönen Maintal, das habe schon was, sagen die Urlauber.

Und nicht wenige ihrer Fahrgäste sind über die Jahre zu alten Bekannten geworden. Immer wieder begrüßt Judith Flammersberger Menschen, die sie schon seit Jahren jeden Sommer "übern Mee" bringt. Manche davon kannten sogar noch Vater und Großvater Konrad. "Das ist sowas wie eine kleine Familie", sagt die Fährfrau.

Vom Kettenschiff zur Gierseilfähre

Judith Flammersbergers Urgroßvater lenkte noch ein Holzschiff über den Main, das sich an einer Querkette entlanghangelte. Seit 1919 ist das Schiff aus Metall und schwimmt an einer langen Leine übers Wasser, die wiederum per Rolle an einem Hochseil entlangläuft. Gierseilfähre heißt das in der Fachsprache.

Gewöhnlich schiebt der Fluss selbst solche Schiffe rüber und nüber. Man muss es nur schräg zur Strömung stellen. Doch die reicht hier am Altmain heute nicht mehr aus. Durch den Bau des Mainkanals wurde Nordheim vom Hauptstrom abgeschnitten. Und es fließt weniger Wasser durch den Seitenarm. Deshalb tuckert seit 1960 ein Hilfsmotor auf der Nordheimer Fähre mit.

Nur an Weihnachten steht die Fähre still

Trotz Seil will das schwimmende Stückchen Landstraße auf Kurs gehalten werden. "Ich muss ja die Zufahrtwege einigermaßen treffen", erklärt Judith Flammersberger. Deshalb muss sie die Fähre auch heute noch entsprechend anwinkeln. Das geschieht über eine Eisenkette mit fingerdicken Gliedern. Früher musste man die mit einer Handkurbel bewegen, heute hilft die Hydraulik. Aber ganz ohne sei diese Technik nicht, sagt die Frau am Steuer, besonders spaßig werde es in kalten Wintern. Dann friert die Kette fest und muss erst mal angewärmt werden. So kalt war es aber lange nicht. Und so konnte die Fähre meist ungehindert fahren. Ganzjährig tut sie ihren Dienst – außer an Weihnachten und bei Hochwasser!

Mainfähre ist immaterielles Kulturerbe und der Stolz der Gemeinde

Weil die Fährkunst nicht nur drüberweg hilft, sondern auch Menschen dies– und jenseits des Flusses verbindet, gehören die Mainfähren insgesamt seit 2022 zum immateriellen Kulturerbe des Freistaats. Eingetragen in das entsprechende Register beim Ministerium für Finanzen und Heimat. Darauf ist auch Nordheims Bürgermeisterin Sibylle Säger zu Recht stolz. Wie ihre Amtskollegen der anderen Fährengemeinden erhofft sie sich davon auch einen gewissen Bestandsschutz, wenn ab 2029 neue technische Vorschriften greifen, nach denen die meisten Mainfähren für viel Geld umgerüstet oder gänzlich erneuert werden müssten.

Open-Air-Jubiläum mit Fähren-Tauziehen und Schiffstaufe

Aber jetzt wird erst mal gefeiert: Am kommenden Samstag (5.8.) begeht Nordheim sein Fährjubiläum offiziell mit einem Festgottesdienst, in dem das aktuelle Fährschiff sogar einen Namen bekommen soll – obwohl es schon 76 Jahre ohne unterwegs ist. Wie der lautet, bleibt bis dahin allerdings geheim.

Ein bisschen komisch findet Judith Flammersberger das mit der Taufe ja schon. Auch wenn sie das ehemalige Eigentum der Familie heute nur noch als Angestellte der Gemeinde steuert. Für sie war die Fähre immer "das alte Mädle". Einen Namen hat sie nie vermisst. Aber die Zeiten ändern sich nun mal, weiß die Fährfrau, die vermutlich Bayerns einzige ihrer Art ist. Schließlich gab es selbst in ihrer Familie vor ihr nur Männer am Ruder. Obwohl – naja… genau genommen…

"Meine Oma ist auch schon gefahren. Ich habe zwar nie einen Führerschein gesehen", sagt Judith Flammersberger und lacht: "Aber gekonnt hat sie’s jedenfalls!"

Entschleunigung im Fahrpreis inbegriffen!

Immerhin: 550 Jahre Fährverbindung – "das können wir nachweisen", sagt die Bürgermeisterin und fügt hinzu: "Die Fähre gehört zu Nordheim wie die Winzer und die Feriengäste". Aber sie sei mehr als eine Touristenattraktion.

Den Nordheimerinnen und Nordheimern erspare sie tagtäglich rund zehn Kilometer Umweg über die Brücke in Volkach, wenn sie zum Beispiel in Richtung Würzburg unterwegs sind. Viel Zeit gewinne man damit zwar nicht, denn die Fähre legt den kurzen Weg zum andern Ufer in gemächlichem Tempo zurück. Doch dafür bekomme man mit dem Fahrpreis ein paar entspannte Momente gratis dazu.

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