Stellen Sie sich vor: Sie sitzen gemütlich auf der Couch, gucken sich im Handy einen Live-Stream von Ihrem Lieblingsladen um die Ecke an - und schlagen bei dem Produkt zu, das Ihnen gefällt. Das ist keine Zukunftsvision. Livestream-Shopping-Apps sind in China schon Alltag. Und auch in Deutschland gibt es immer mehr Anbieter dafür. Die buhlen vor allem um große Kunden. Ganz anders die App von zwei jungen Männern aus Au in der Hallertau. Sie wollen gezielt kleine Läden aus der Region live gehen lassen. Und von ihrer Teststadt Pfaffenhofen aus schon bald Bayern und dann die Welt erobern.
Den Gründern wichtig: Simple Bedienung der Shopping-App
Die App "Lively Shopping" soll es Verkäufern leichter machen, die Zeit im Lockdown zu überbrücken. Sie sollen mit nur wenigen Klicks und ohne technische Vorkenntnisse, vom Smartphone aus ihren eigenen Live-Verkaufsstream starten können. Der Clou ist: Während Händlerinnen und Händler ihre Produkte vorstellen, können interessierte Kunden nicht nur per Chat Fragen dazu stellen. Sie können die Produkte auch direkt im Stream kaufen. Auch das mit nur einem Klick. Technische Hürden wollen sie unbedingt vermeiden, erzählen die beiden Gründer im Gespräch mit dem BR.
Start-Up wie aus dem Bilderbuch
Wir treffen die beiden 23-jährigen Gründer Moritz Huber und Lukas Sixt in ihrem Büro - dem ehemaligen Partykeller von Lukas Sixts Eltern. Weil Partys coronabedingt unmöglich sind, seien die Eltern mit der Umnutzung einverstanden, erzählt der Jungunternehmer Sixt schmunzelnd. Überhaupt spielen die Eltern und natürlich Corona im Leben der beiden jungen Männer eine wichtige Rolle. Um Miete zu sparen, sind Sixt und Huber zu ihren Eltern zurückgezogen. Rund 70 Stunden pro Woche arbeiten sie derzeit noch unbezahlt daran, die App groß zu machen.
Corona war Ideengeber für die Shopping-App
Und wegen der coronabedingten Geschäftsschließungen sind sie überhaupt erst auf die Idee mit der App gekommen. Vergangenen Mai war das. Seitdem arbeiten sie fast ununterbrochen an der Vision regionale Händler zu unterstützen. Eine Shopping-Community aufbauen, die sich rege austauscht. Und damit auch noch der Umwelt Gutes zu tun.
Nur nachhaltige Unternehmen kommen in die App
Als Händler die App nutzen, darf nämlich nur, wer auch nachhaltig ist. Wer also alten Produkten neues Leben einhaucht - Stichtwort Upcycling. Produkte aus nachhaltigen Rohstoffen herstellt. Oder auf kurze Transportwege achtet. Noch ist es recht einfach die teilnehmenden Unternehmen auf diese und weitere Kriterien hin zu überprüfen. Denn Geschäftskunden hat das Unternehmen erst 13. Alle kommen aus dem Großraum Pfaffenhofen. Im Moment tüfteln die ambitionierten Gründer an einer Methode, wie sie die Faktoren der Nachhaltigkeit überprüfen wollen, sollten es mehr Verkäufer werden und diese nicht mehr in der eigenen Region wohnen. Die App ist erst seit wenigen Wochen auf dem Markt und steckt noch in den Kinderschuhen.
Gründer brachte sich extra das Programmieren bei
Dass es die App "made in der Hallertau" überhaupt gibt, zeugt von dem starken Ehrgeiz der beiden Männer. Insbesondere von Moritz Huber. Der studierte Maschinenbauer belegte Onlineseminare und brachte sich so das Programmieren selbst bei. Dass er sich nie habe ermutigen lassen und für jedes auftretende Problem hartnäckig eine Lösung gesucht habe, darauf sei er sehr stolz, so Huber.
Pfaffenhofen ist die Teststadt
"In Pfaffenhofen wollen wir zeigen, dass unsere App funktioniert.", so Moritz Huber. Lukas Sixt ergänzt: "Wir haben einfach bei uns in der Region nach möglichen Partnern gesucht und in Pfaffenhofen die größte Resonanz erhalten". Erste Partner sind gewonnen, es gebe Gespräche mit der Stadt und regionalen Wirtschaftsverbänden.
So hoffen die beiden Gründer von aktuell 13 Händlern, die die App nutzen, bis Ende des zweiten Quartals auf 30 Anbieter zu kommen. Im selben Zeitraum soll die Nutzerzahl von 100 auf 1.000 wachsen. Damit das gelingt, haben Sixt und Huber nun auch drei Werkstudenten eingestellt. Jeder arbeitet 20 Stunden die Woche und verdient 15 Euro die Stunde. "Wir wollen niemanden ausnutzen", so Huber.
In Zukunft soll die Shopping-App auch Geld verdienen
Demnächst Millionär zu werden, damit rechne er nicht, sagt Sixt lachend. Aber etwas Geld verdienen wollen die beiden Männer natürlich doch. Die nächsten Wochen soll die Nutzung der App noch kostenfrei für alle seien. Mitte des Jahres dann lassen sie sich mit 9 % Provision an den Verkaufserlösen beteiligen. Und Abo-Modelle mit maximal monatlich 500 Euro für eine unbegrenzte Anzahl Livestreams soll es auch geben.
Geschäft für Hunde-Accesoires macht mit
Carolin Wessolek hat einen 20-qm- Laden in Pfaffenhofen. Sie verkauft individuell gestaltete Hundeleinen und Halsbänder. Vor Corona kamen rund 15 Kunden am Tag. Seit vielen Wochen ist der Laden nun aber geschlossen. Sie macht mit bei der App "Lively Shopping". Zweimal habe sie die App bislang ausprobiert und gut 20 Personen hätten zugesehen. Aber niemand etwas gekauft. Trotzdem will sie einmal die Woche online gehen. "Das ist eine ganz tolle Möglichkeit" sagt die Unternehmerin. "Es ist ein bisschen wie ein Kundengespräch, nur das keiner das Zuhause verlassen muss."
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