Es ist fünf Uhr morgens, windig und um die null Grad kalt. Und es ist sehr dunkel, als wir die Scheinwerfer unserer Autos abschalten und uns auf dem in dieser Nacht frischgefallenen Schnee auf den Weg zum Büchelberg im Landkreis Rhön-Grabfeld machen.
Auf dem Weg zum Aussichtspunkt
Unserer kleinen Gruppe voraus, fast zwei Meter groß, mit dicker Jacke und dunkelrot leuchtender Stirnlampe, marschiert Simon Manger. Der Vorsitzende des Vereins Sternenpark Rhön hat den von oben gesehen kreisrunden sanften Hügel als Beobachtungspunkt vorgeschlagen. Der Büchelberg ist eine der größten erhaltenen Basaltkuppen in der Rhön. Hier wollen wir uns auf die Suche nach dem Kometen Leonhard machen, offizieller Name C/2021 A1. Eigentlich – so die Vorhersage - würde man ihn an diesem Morgen im Osten finden.
Wolken statt sternenklarer Nacht
Doch am Himmel blinken gerade nicht die tausend erhofften Sterne. Stattdessen verdeckt das Firmament eine trübe, milchige Wolkensuppe. Die Chancen, dass wir Leonard zu sehen bekommen, sind deshalb schlecht. "Die Bewölkung ist ziemlich dicht", stellt Manger fest. Vielleicht klart es später noch auf. "Aber es rentiert sich auf jeden Fall, mal zu gucken, ob was passiert", meint der Vorsitzende des Vereins Sternenpark Rhön. Schließlich ist es eine der letzten Möglichkeiten, den Kometen zu sehen. Das Zeitfenster sei kurz und bestehe nur noch wenige Tage. "Und dann wird's schwierig von der Nordhalbkugel aus, da müssten wir auf die Südhalbkugel runter, um den Kometen dann besser zu sehen", sagt Manger.
Der Erde einmalig nah
Doch so schnell wollen wir nicht aufgeben. Denn Leonard, der ja eigentlich ein riesiger schmutziger Eisball ist, der durchs All rast, kommt in diesen Tagen der Erde so nah wie nie wieder – gerade einmal 35 Millionen Kilometer. So nah, dass man ihn theoretisch mit dem bloßen Auge sehen kann.
An diesem Morgen haben wir noch mindestens eine halbe Stunde Zeit, bis er fast zeitgleich mit der Sonne als grünlicher Punkt im Osten auftauchen soll. Damit wir nicht auskühlen, entschließen wir uns, die Kuppe zu umrunden, und hoffen, dass die Bewölkung aufreißt.
Auch Jochen Fehlbaum hat sich unserer Gruppe angeschlossen. Der Fotograf war von Kindheit an vom Sternenhimmel fasziniert. Immer wenn sich eine besondere und einzigartige Gelegenheit bietet, steht er nachts auf, um faszinierende Fotos zu schießen. Und das besonders gerne in der Rhön. Auch er hofft, dass sich noch eine Wolkenlücke auftut. Die Prognosen seien ein bisschen anders gewesen und hätten größere Wolkenlücken vorhergesagt.
Worauf es bei der Sternenfotografie ankommt
Um Sterne zu fotografieren, braucht man einige Erfahrung. Fehlbaum hat sogar einen Tracker, der sich bei Langzeitbelichtungen mit der Drehung der Erde bewegt und so dafür sorgt, dass die Kamera immer den gleichen Punkt anvisiert. Kostspielige Technik ist aber gar nicht nötig, sagt er. "Man kann heute mit jeder Spiegelreflexkamera starten", sagt Fehlbaum. "Wichtig ist, man hat ein Stativ. Und die Lichtempfindlichkeit einfach ein bisschen hochdrehen und dann etwas länger belichten, dann kann man schon ganz gute Bilder machen."
Plötzlich blinkt über uns doch ein einzelner Stern. Vielleicht reißt die Wolkendecke also noch auf. Sterne kann man grundsätzlich überall dort beobachten, wo es möglichst dunkel ist, erklärt Simon Manger. "Man sollte fernab der Städte sein, also Würzburg ist zum Beispiel sehr schlecht geeignet, einfach weil die Lichtverschmutzung dort sehr hoch ist, aber sonst ist jeder dunkle Ort geeignet, egal ob der Spessart, die Haßberge, der Steigerwald oder Bayerisch Sibirien, das lässts sich's überall ganz gut beobachten."
Verein engagiert sich gegen Lichtverschmutzung
Denn überall, wo zu viel Licht nach oben abstrahlt, bilden sich weithin sichtbare Lichtglocken. Dafür hat sich der Begriff Lichtverschmutzung eingebürgert. Und die stören den Biorhythmus von Menschen und Tieren. Auf dem Gebiet des Sternenpark Rhön haben sich deshalb mehrere Kommunen bereiterklärt, aktiv gegen Lichtverschmutzung vorzugehen. Der Verein Sternenpark veranstaltet regelmäßige Führungen und schult Gemeinden, um Lichtverschmutzung zu vermeiden. Dazu gehört zum Beispiel Beratung für geeignete Straßenbeleuchtung.
Aktuell ruft der Verein dazu auf, nachts Fotos von Unternehmen oder Privathäusern zu schießen. Nicht als Pranger, sondern damit wir diejenigen beraten können und eventuell doch überzeugen, ihre Lichtquelle umzurüsten, sagt Manger. Grundsätzlich solle Licht nur dahingelangen, wo es gebraucht wird. Helligkeit sei oft überdimensioniert. Wichtig sei auch die Farbtemperatur. Die Faustregel lautet: Je mehr die blauen Anteile im Licht überwiegen, desto eher werden Insekten, Fledermäuse, Vögel und andere Tiere durch die Lichtquelle gestört. In der Rhön schalten viele Kommunen deshalb mitten in der Nacht ihre öffentliche Beleuchtung nahezu komplett ab.
Himmel bleibt verhangen
Bei uns am Büchelberg wird die Morgendämmerung jetzt von Minute zu Minute heller. Der Himmel aber bleibt verhangen und will Leonhard heute nicht preisgeben. "Wie haben es probiert, war aber halt nicht von Erfolg gekrönt", sagt Manger. An einem anderen Tag wird der Komet dann schon weg sein.
Ein Weihnachtsstern wird Leonard also leider nicht mehr. Aber vom 17. bis zum 26. Dezember ist der Sternschnuppenschwarm der Ursiden zu sehen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Sichtung ist aber mal wieder ein klarer, wolkenloser Himmel.
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