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Das sagt ein Rechtsexperte zum Garmischer Superspreader-Fall

Das sagt ein Rechtsexperte zum Garmischer Superspreader-Fall

Während sie auf ihr Testergebnis wartete, ging eine Frau trotz Symptomen feiern – und steckte offenbar viele Menschen mit Corona an. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sie. Welche Konsequenzen könnten ihr bevorstehen? Ein #Faktenfuchs.

Sie ließ sich auf das Coronavirus testen - und ging offenbar trotz Symptomen und angeordneter Quarantäne in Bars feiern: So wurde eine Frau in Garmisch-Partenkirchen vermutlich zur Superspreaderin. Als "Superspreader" werden Menschen bezeichnet, die eine ganze Gruppe weiterer Menschen anstecken. Laut dem Landratsamt von Garmisch-Partenkirchen machte die 26-jährige US-Amerikanerin am Montag, den 7. September, einen Corona-Test. Am nächsten Tag soll sie in mehrere Bars gegangen sein. Nach aktuellem Stand soll sie in einem Hotel für US-Soldaten und deren Familien, in dem sie arbeitet, 24 Personen mit dem Virus infiziert haben. Am Mittwoch erhielt sie ihr positives Testergebnis.

In der Politik und auch in den Kommentaren bei BR24 fordern nun viele, dass solche Superspreader besonders hart bestraft werden sollten - auch über die üblichen Bußgelder hinaus. Ministerpräsident Markus Söder sprach im Fall von der Frau von einem "Musterbeispiel für Unvernunft", Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) gegenüber dem Bayerischen Rundfunk unter anderem von möglichen Schadensersatzforderungen.

Es gilt die Unschuldsvermutung

Doch zunächst ist nicht klar, inwiefern der Frau überhaupt bewusst war, dass sie unter Quarantäne stand und sich in Selbstisolation begeben sollte, bis sie ihr Testergebnis hatte. Mit welchen rechtlichen Konsequenzen muss die Frau, für die die Unschuldsvermutung gilt, nun möglicherweise rechnen?

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Ein User auf BR24 fragte, ob die Frau wegen Körperverletzung belangt werden könnte.

Welche Folgen hat das nun für die Frau?

Nur wenn die Frau die Quarantäne bewusst ignoriert hat, kann das ein hohes Bußgeld nach sich ziehen. Das muss zunächst nachgewiesen werden. In Bayern muss man bei Verstößen gegen Quarantäne-Auflagen mit bis zu 2.000 Euro rechnen. Dabei handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit - das Bußgeld wird dann vom zuständigen Ordnungsamt verhängt. Grundlage ist dafür das Infektionsschutzgesetz und die entsprechende bayerische Verordnung, die zuletzt am 8. September angepasst wurde.

Außerdem ermittelt nun die Staatsanwaltschaft München II wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung, sagte Oberstaatsanwältin Andrea Mayer am Montag dem Bayerischen Rundfunk. Diese Ermittlungen stützen sich ebenfalls auf das Infektionsschutzgesetz. Strafbar sind Verstöße vor allem dann, wenn es dadurch zu einer Verbreitung des Virus kommt. Eine mögliche Strafe, die ein Gericht in einem Urteil verhängt, käme also zum Bußgeld dazu.

Juristisch entscheidend: Welche Anweisung erhielt die Frau nach ihrem Test?

Was wusste die Frau selbst über ihre Ansteckungsgefahr? Das ist der Dreh- und Angelpunkt einer weiteren Verfolgung. Und dabei kommt es auf den Wortlaut an, mit dem sie von der Teststation entlassen wurde. "Begeben Sie sich in häusliche Absonderung", wäre der klarste Fall. Daran muss sie sich halten. Ob dies allerdings so passierte, ist noch unklar. "Man hat ihr ja wohl geraten, empfohlen, ihr gesagt, sie muss sich in Quarantäne begeben", sagte Innenminister Herrmann am Sonntag gegenüber dem BR. Doch genau hier liegt ein wichtiger, juristischer Unterschied: Wurde ihr gesagt, dass sie sich in Quarantäne begeben muss oder wurde es ihr nur geraten?

"Wenn ein Arzt der Frau mitgeteilt hat, es sei unwahrscheinlich oder man wisse überhaupt noch nicht, dass sie angesteckt ist, dann könnte sie sagen: Ich habe darauf vertraut, nicht infiziert zu sein", sagt Andreas Spickhoff, Professor für Medizinrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das sei eine sehr einzelfallbezogene Feststellung.

Dem Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen ist laut dem Pressesprecher nicht bekannt, ob der Frau bei der Teststation gesagt wurde, dass sie Zuhause bleiben muss oder ob es ihr nur angeraten wurde. Was ihr dort genau gesagt wurde, wüsste das Landratsamt bisher nicht und aus Kapazitätsgründen bei Teststationen und Ämtern sei das derzeit auch schwer nachzuvollziehen.

Welche Formen der Körperverletzung kämen in Betracht?

Prof. Andreas Spickhoff hält eine Strafverfolgung für möglich, allerdings wahrscheinlich nicht unter dem Aspekt der vollendeten Körperverletzung. Es sei nie ganz sicher, von wem sich die später Infizierten das Virus tatsächlich eingefangen haben.

Spickhoffs Meinung nach könne man aber im Strafrecht erwägen, ob eine versuchte vorsätzliche Körperverletzung in Betracht kommt. Davon könne man dann ausgehen, wenn es die Betroffene für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass sie andere Personen infiziert.

Und das mögliche Strafmaß? Bei Körperverletzung gebe es meistens eine Geldstrafe, so Professor Spickhoff. Aber auch eine Freiheitsstrafe ist grundsätzlich denkbar, "die bei vollendeter Körperverletzung bis zu fünf Jahren betragen kann, gerade dann, wenn sehr viele Personen in Gefahr gebracht worden sind". Bei einem Ersttäter ohne Vorstrafen sei eine Geldstrafe aber eher wahrscheinlich - falls die Beweislage überhaupt für eine Klage ausreicht.

Muss Schadenersatz gezahlt werden?

Neben einer Strafverfolgung ist es theoretisch auch nicht auszuschließen, dass Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu zahlen ist. Diese zivilrechtlichen Forderungen können mögliche Geschädigte erheben. Allerdings müssten Infizierte dafür beweisen, dass sie durch die Frau angesteckt wurden. Schmerzensgeld-Forderungen könne aus juristischer Sicht zudem nur jemand stellen, der nachweislich einen Krankheitsverlauf mit Symptomen hatte, so Spickhoff.

Ob auch reine Vermögensschäden geltend gemacht werden können, zum Beispiel von Bars, die nun wieder früher schließen müssen und denen dadurch Umsatz verloren geht, ist umstritten. Die Rechtsprechung ist hier bisher bei Corona-Fällen zurückhaltend, sagt der auf Gesundheitsschutz spezialisierte Rechtsanwalt Michael Winkelmüller aus Bonn.

Ist die Strafverfolgung durch das Grundgesetz gedeckt?

Auf BR24 stellte ein User infrage, ob ein Urteil in so einem Fall denn überhaupt durch das Grundgesetz abgedeckt sei. Darauf hat Medizinrechts-Experte Spickhoff eine klare Antwort: "Es ist sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht seit Jahrzehnten anerkannt, dass schuldhaft herbeigeführte Infektionen schadensersatzpflichtig und strafrechtlich verfolgt werden können." Beispiele aus der Vergangenheit, wo Menschen wegen fahrlässiger Ansteckung rechtlich belangt wurden, seien Infektionen mit dem Virus HIV oder auch mit Masern oder Röteln.

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Ist es konform mit dem Grundgesetz, wenn die US-Amerikanerin verurteilt wird? Das hinterfragte ein BR24-User. Die Antwort fällt klar aus.

Kann eine US-Amerikanerin belangt werden?

Der Fall ist auch deshalb ein besonderer, weil die Betroffene US-amerikanische Staatsbürgerin ist. Sie arbeitet in einer Einrichtung der US-Streitkräfte, in der aktive und ehemalige US-Soldaten und deren Familien Urlaub machen können. Ein Teil der bisher bestätigten Neuinfektionen traten in dieser Erholungseinrichtung auf. Die 26-Jährige hat dort möglicherweise mehrere ihrer Kolleginnen und Kollegen angesteckt.

Dass die Frau US-Amerikanerin ist, macht die Rechtslage etwas komplizierter. Aber laut der Münchner Staatsanwaltschaft seien Ermittlungen gegen sie aufgrund des Nato-Truppenstatuts möglich. Es gebe den bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden das Vorrecht auf Ausübung der Gerichtsbarkeit, heißt es. Somit kann laut Staatsanwaltschaft gegen die in einer US-Militäreinrichtung beschäftigten US-Amerikanerin ermittelt werden. Sollte sich der Anfangsverdacht bestätigen, könnte sie vor einem deutschen Gericht angeklagt werden.

Was passiert als Nächstes?

Die Staatsanwaltschaft in München prüft nun die Beweislage und entscheidet dann, ob sie Anklage gegen die Frau erhebt. Bis zu einer Verurteilung gilt generell die Unschuldsvermutung im deutschen Rechtssystem. Schadensersatz muss sie nur bezahlen, wenn Geschädigte klagen und auch Recht bekommen.

Fazit:

Der möglichen "Superspreaderin" von Garmisch-Partenkirchen droht Ärger von verschiedenen Seiten: Zunächst kann das Ordnungsamt ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro verhängen. Außerdem prüft die Staatsanwaltschaft München derzeit, ob sie Anklage gegen die 26-Jährige wegen fahrlässiger Körperverletzung erhebt. Ob die Frau Schadenersatz bezahlen muss, hängt davon ab, ob mögliche Geschädigte Ansprüche geltend machen können. Dagegen spricht, dass noch gar nicht geklärt ist, ob sie sich bewusst über die Quarantäneregeln hinweggesetzt hat. Dass sie US-amerikanische Staatsbürgerin ist, steht einem Gerichtsverfahren nach aktuellem Stand grundsätzlich nicht im Weg.

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