"Herr Söder, stoppen und überarbeiten Sie das bayerische Psychiatriegesetz" - über 80.000 Menschen haben diese Forderung auf dem Petitionsportal change.org mittlerweile unterschrieben. Gestartet haben die Petition die Berliner Unternehmerin Kristina Wilms, die selbst an Depressionen leidet und der Buchautor Uwe Hauck aus Schwäbisch Hall, der über seine Erfahrungen mit Depression geschrieben hat.
Am Dienstag wollen sie ihre Petition zur Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss des bayerischen Landtags übergeben. Unterstützt werden sie von den Grünen-Politikerinnen Katharina Schulze und Kerstin Celina, sowie Claudia Stamm. Die Petition soll noch weiterlaufen, bis "ein wirklich für unsere Maßstäbe vertretbares PsychKHG auf den Weg gebracht ist".
"Die meisten psychisch Kranken sind nicht gefährlich"
Ihre Kritik: Die allermeisten psychisch kranken Menschen seien weder gefährlich, noch Straftäter. Durch das "scheinbar wohlwollende Gesetz" in Bayern, würden psychisch Kranke unter Generalverdacht gestellt. Sie fürchten - sollte der jetzige Gesetzesentwurf verabschiedet werden - würden sich noch weniger Menschen Hilfe suchen. Dabei bräuchten psychisch kranke Menschen vor allem jemanden, dem sie vertrauen könnten und "nicht die Angst im Nacken, weil jemand meint, man wäre auffällig, weggesperrt zu werden".
Hauptkritikpunkt: die Unterbringungsdatei
Behandelbare psychische Krankheiten könnten dadurch verschleppt und chronifiziert werden, heißt es in der Petition weiter. Sorge bereitet den Initiatoren vor allem die geplante Unterbringungsdatei. Die sieht momentan vor, dass persönliche Daten vom Namen bis zur Diagnose für bis zu fünf Jahre gespeichert werden können. Zugriff auf die Datei können eine Reihe von Behörden haben, darunter auch die Polizei. Die bayerische Staatsregierung rechtfertigt die Datei mit der UN-Konvention gegen das Verschwinden von Menschen. Celia Wenk-Wolff vom Bayerischen Bezirketag kritisiert, die Datei schieße weit über das Ziel hinaus:
"Für die UN-Konvention wurde es ja reichen, wo ist die Person und wer ist die Person. Aber es sollen eben erfasst werden, auch solche Dinge wie Diagnosen, und ist diese Person mal entwichen, also hat sie sich der Unterbringung entzogen, ist es eine wiederholte Unterbringung und Zugriff auf diese Datei soll auch haben, nicht nur eine zentrale Stelle, sondern auch die Polizei, die Kreisverwaltungsbehörde, die Fachaufsicht, die Staatsanwaltschaft, das heißt: Die Person wird in einer Weise gläsern für staatliche Institutionen, wie es eigentlich nicht dem Schutz nach der UN-Konvention erforderlich wäre." Celia Wenk-Wolff, bayerischer Bezirketag
Staatsregierung um Schadensbegrenzung bemüht
Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer hatte sich in der vergangenen Woche um Schadensbegrenzung bemüht. Betroffen von der Datei sie nur ein minimaler Bruchteil der untergebrachten Personen:
"Es geht um diejenigen, die zwangsuntergebracht werden, die dann entlassen werden und dann gegebenenfalls die Fremdgefährdung noch zu einem gewissen Anteil gegeben ist. Und um diesen kleinen Teil, der ist vielleicht dreistellig in Bayern." Sozialministerin Kerstin Schreyer
Schreyer hat den Gesetzesentwurf von ihrer Vorgängerin Emilia Müller übernommen. Die hatte Ende Januar im BR betont, an der grundsätzlichen Entscheidung für die Datei festzuhalten.
"Denn sie sind sehr wichtig für die effektive Zusammenarbeit der beteiligten Stellen und sie sind auch zum Schutz der Bevölkerung wichtig." Bayerns damalige Sozialministerin Emilia Müller im Januar 2018
Änderungen am Gesetzesentwurf möglich
Beteiligt am Gesetz waren neben Gesundheits- und Sozial- auch das Innen- und das Justizministerium. Bayerns neue Sozialministerin Kerstin Schreyer zufolge sind Änderungen im laufenden parlamentarischen Prozess nicht ausgeschlossen.
"Ich habe den großen Luxus, dass in diesem Kabinett, mit Winfried Bausback als Justizminister und mit Innenminister Joachim Herrmann, zwei sitzen, die das Herz am rechten Fleck haben. Und neben aller Justiz- oder Innenpolitischen Kompetenz weiß ich, dass die mir soweit helfen werden, dass wir gute Lösungen für dieses Gesetz entwickeln." Kerstin Schreyer