Das Bundesumweltministerium übt heftige Kritik an der Methodik einer Untersuchung des TÜV Süd zu zwei bayerischen Atomkraftwerken. Die Stellungnahme im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums erfülle "grundlegende Anforderungen an Gutachten und seriöse Sachverständigenaussagen nicht und sollte deshalb nicht zur staatlichen Entscheidungsfindung herangezogen werden", schreibt das Ministerium in einem internen Vermerk, der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Zuerst hatte die "Süddeutsche Zeitung" darüber berichtet.
TÜV hat keine sicherheitstechnischen Bedenken
Der Technische Überwachungsverein (TÜV) Süd hatte in dem als "Bewertung" betitelten Papier vom April geschrieben, dass er keine sicherheitstechnischen Bedenken gegen einen Weiterbetrieb von Isar 2 über das Jahresende hinaus habe. Auch eine Wiederinbetriebnahme des Blocks C in Gundremmingen sei "aus technischer Sicht möglich".
Das Papier genüge den atomrechtlichen Erfordernissen nicht und sei "kein Gutachten", schreibt das Ministerium von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nun. Unterschrieben hat es der Leiter der Abteilung für nukleare Sicherheit und Strahlenschutz, Gerrit Niehaus.
Bundesumweltministerin: Bewertungsmaßstab bleibt offen
Konkret bemängelt Niehaus, die Verfasser der Stellungnahme des TÜV vom 14. April zögen zu weitreichende Schlussfolgerungen und blieben Belege für bestimmte Aussagen schuldig. An einer Stelle ist von einer "Spekulation" die Rede. An einer anderen heißt es, der Maßstab einer Bewertung werde nicht benannt beziehungsweise "verschleiert".
Der TÜV habe nicht den Auftrag gehabt, "eine umfassende sicherheitstechnische Bewertung abzugeben", komme aber gleichwohl zu dem Ergebnis: "Aus sicherheitstechnischer Sicht bestehen daher gegen den weiteren Betrieb … keine Bedenken." Das betrachtet das Umweltministerium als unzulässig.
Bayerisches Umweltministerium weist Kritik zurück
Bayerns Umweltministerium hat Kritik des Bundesumweltministeriums zurückgewiesen. "Der TÜV Süd ist einer der renommiertesten und mit Fragen der Kernkraft am besten vertrauten Experten", sagte ein Sprecher des Ministeriums am Samstag in München. "Bei der Bewertung zentraler und entscheidender Fragen sollte auf die bestmögliche Expertise zurückgegriffen werden." Deshalb habe das Ministerium "sowohl ein sicherheitstechnisches als auch ein Rechts-Gutachten" in Auftrag gegeben.
Bund Naturschutz: "unkalkulierbares Risiko"
Der Vorsitzende des Bunds Naturschutz in Bayern hält den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken im Freistaat für ein "unkalkulierbares Risiko". "Wir haben weltweit 600 AKW, sechs von ihnen sind havariert - Harrisburg, Tschernobyl und vier Blocks in Fukushima", sagte Richard Mergner den "Nürnberger Nachrichten" (Samstagausgabe). "Wir haben zudem kein Endlager. Das ist, als ob sie in ein Flugzeug steigen und haben keine Landebahn."
Jeder Tag, an dem das niederbayerische Atomkraftwerk Isar 2 länger in Betrieb sei, "stellt ein Sicherheitsrisiko dar", sagte Mergner. "Das Risiko eines atomaren Unfalls ist da." Da sei es "so billig wie falsch, Ängste zu schüren, die Menschen müssten frieren".
AKW-Weiterbetrieb wegen Energiekrise?
Angesichts steigender Preise und drohender Energieknappheit ist eine Debatte um die weitere Nutzung der verbleibenden deutschen Atomkraftwerke entbrannt. Eigentlich ist vorgesehen, dass die verbliebenen Meiler Isar 2, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg zum Jahresende außer Betrieb gehen.
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