Es war 9 Uhr morgens, als im beschaulichen Rottach-Egern etliche Polizeitransporter vorfuhren. Vermummte Polizisten mit Helmen und schusssicheren Westen verschafften sich Zutritt zu einer Villa direkt am Tegernsee sowie weiteren Anwesen in dem kleinen Urlaubsort.
Sie alle sind dem russisch-usbekischen Oligarchen Alisher Usmanov zuzurechnen. Er selbst bezeichnet sich als Menschenfreund und verweist gerne auf Spenden in Milliardenhöhe. Der gebürtige Usbeke wurde zunächst mit Plastiktüten und Zigaretten reich, Investments – unter anderem in die Metallindustrie, den Bergbau, IT und Medien – machten Usmanov zum Milliardär. Trotz Dementis gilt er als enger Vertrauter Wladimir Putins.
Grünen-Politiker: Mit Oligarchen jahrelang verdient
Usmanov taucht unter anderem in den Panama Papers auf, als Anteilseigner vieler Offshore-Gesellschaften, also verschachtelter Firmenstrukturen in Steueroasen. Usmanovs inzwischen für 600 Millionen Euro verkaufte Anteile am FC Arsenal etwa landeten auf der Insel Jersey.
Der Chef der Grünen im Tegernseer Tal, Thomas Tomaschek, sieht nicht nur den Oligarchen kritisch: Jahrelang habe man mit Oligarchen Geld verdient, etwa in Gastronomie und Handwerk. "Dass Oligarchen ihr Geld nicht hasenrein verdienen, war jedem klar, hat aber keinen gestört in den letzten Jahren", so Tomaschek im Interview mit dem BR.
Usmanov ist womöglich in Deutschland steuerpflichtig
Der Ukraine-Krieg und die EU-Sanktionen Ende Februar haben auch den Umgang der Justiz mit Oligarchen verändert. Nach Recherchen von BR und MDR gehen die Ermittler davon aus, dass Usmanov für seine Geschäfte in Deutschland steuerpflichtig sein könnte. Und zwar, weil er sich seit 2014 immer wieder und länger in der Villa am Tegernsee aufgehalten haben soll.
Sollten tatsächlich alle Geschäfte des Oligarchen in Deutschland zu versteuern sein, könnte es zu Steuerforderungen im hohen Millionenbereich kommen. Es geht offenbar nicht nur um Einkommenssteuern, sondern auch um Erbschafts- und Schenkungssteuern, da Usmanov sein Vermögen zum Teil an Verwandte abgetreten hat.
Das Bundeskriminalamt und Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen und Bayern ermitteln nach Informationen von BR und MDR seit Monaten gegen Usmanov. Anlass waren etliche Geldwäscheverdachtsmeldungen einiger Banken.
Staatsanwaltschaft bestätigt Ermittlungen gegen russischen Staatsbürger
Zu Steuerhinterziehung oder Geldwäsche wollte sich die zuständige Staatsanwaltschaft München II nicht äußern. Sie bestätigte nicht einmal einen Namen, sondern erklärte, man ermittle gegen einen russischen Staatsbürger und vier weitere Verdächtige wegen des Anfangsverdachts auf Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz.
Am Mittag sagte Oberstaatsanwältin Andrea Grape auf einer Pressekonferenz: "Konkret soll (der Verdächtige) – obwohl er auf der Sanktionsliste der EU steht – eingefrorene Gelder dazu verwendet haben, eine Sicherheitsfirma zur Überwachung von Immobilien zu bezahlen."
Großangelegte Durchsuchungsaktion in mehreren Bundesländern
250 Beamte von Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Steuerfahndung und anderen Ermittlungsbehörden waren im Einsatz. Sie durchsuchten insgesamt 24 Objekte, überwiegend Wohn- und Geschäftsräume, aber auch Sicherheitsfirmen und eine Steuerberaterkanzlei. Die Razzia fand zeitgleich in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hamburg statt, Schwerpunkt aber war Bayern.
Die EU setzte den Oligarchen Ende Februar, nur wenige Tage nach Kriegsbeginn, auf die Sanktionsliste, woraufhin Usmanov das Tegernseer Tal verließ. Sein Vermögen in der EU ist eingefroren, die Einreise ist untersagt.
Usmanovs Sprecher weist alle Vorwürfe zurück
Auf Anfrage von BR und MDR weist Usmanov die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück: Er sei ein zuverlässiger Steuerzahler. Darüber hinaus besitze er persönlich keinerlei Immobilien in Deutschland. Vielmehr gehörten die infrage stehenden Gebäude Familienstiftungen, zu deren Begünstigten Usmanov nicht zähle. Er teilte außerdem mit, dass er in Deutschland für die Benutzung der Immobilien marktübliche Mieten gezahlt habe.
Usmanov bestreitet, Briefkastenfirmen genutzt zu haben. Gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung werde er sich mit allen juristischen Mitteln wehren. Weiter heißt es in dem Statement: "Es ist klar, dass das Motiv hinter diesen Aktionen der Wunsch ist, einen international anerkannten Philanthropen (Anm. d. Redaktion: Menschenfreund) und Sportmäzen unter Druck zu setzen, der sich nur deshalb schuldig gemacht hat, weil er Vermögen in Russland hat."
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