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Weltautismustag: Auticon in München arbeitet mit Betroffenen

Noch immer leiden Autisten weltweit unter Ausgrenzung und Benachteiligung. Sie nehmen eine Flut von Informationen wahr, deren Filterung sie viel Mühe kostet. Die Münchner Firma auticon fördert genau diese Fähigkeiten der Betroffenen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Das Konzept macht Sinn: In der Regel können Autisten gut analysieren, sie erkennen gleiche Muster in Datenbeständen und sie haben eine enorm hohe Aufmerksamkeitsspanne. Genau jene Fähigkeiten also, die in der Informatik gewünscht sind. Dieses Potential hat die Firma auticon in München erkannt: hier arbeiten 100 Autisten als Softwareentwickler und IT-Experten. Sie unterstützen zahlreiche Firmen als IT-Consultants.

Viele der Mitarbeiter waren vorher arbeitslos. Da Autisten in der sozialen Interaktion manchmal Schwächen haben, werden sie in oft als Querulanten angesehen. Für sie ist auticon ein passender Arbeitgeber. Wie etwa für Markus Hofer. Er hat immer wieder die Stelle wechseln müssen, weil es mit keinem Arbeitgeber gut geklappt hat. Bei auticon kann er seine Stärken am Computer jetzt voll einbringen:

"Die Analyse, der andere Blick auf die Software. Wir können zeigen, wie Computerprobleme gar nicht erst entstehen, weil einfach der Workflow anders angegangen werden kann", sagt Hofer.

Coaches bereiten den IT-Einsatz vor

Alle Autisten werden bei auticon in ihren Projekten von sogenannten Job-Coaches begleitet. Sie sind das Bindeglied zu den Kunden. Unter diesen tauchen auch namhafte Firmen auf wie BMW, Allianz und die Hypovereinsbank. Vor Beginn einer Zusammenarbeit besuchen die Job-Coaches den Kunden, erklären, auf was es bei der Zusammenarbeit mit Autisten ankommt und wie Probleme schon im Vorfeld umschifft werden können, berichtet Annette Grimm: "Wir sind für unsere Autisten als Ansprechpartner immer da. Wir sind keine Rundum-Betreuung, sondern wir greifen da an, wenn es Probleme, wenn es Fragen gibt in der Kommunikation, in der Organisation."

Menschen mit autistischem Syndrom brauchen beispielsweise einen festen Ansprechpartner in der Firma, so Grimm, genauso wie regelmäßige Arbeitszeiten und wenig Ablenkungen vor Ort, etwa durch wechselnde Lichtverhältnisse, Gerüche oder Geräusche. Läuft das Projekt einmal an, sind die Autisten mit den Firmen selbst im Kontakt, schildert auticon-Chef Kurt Schöffer: "Wir beschäftigen die Kollegen ja nicht bei uns hier im Büro, sondern wir schicken sie raus zum Kunden. Das heißt, sie kommen in eine heterogene Umgebung. Gerade dort findet Inklusion statt."

Vor 20 Jahren, so Schöffer, hätte man eine Firma wie auticon noch nicht erfolgreich aufbauen können. Die Inklusion ist glücklicherweise vorangeschritten, sagt er, auch wenn die Teilhabe von Autisten in der Gesellschaft immer noch ausbaufähig ist.

Schlecht informierte Öffentlichkeit

Wo Handlungsbedarf herrscht, das zeigt eine Studie des "Autismus-KompetenzNetzwerks Oberbayern" aus dem Jahr 2016: Zwar gab eine Mehrheit der autistischen Studienteilnehmer an, im Privatleben eine relativ hohe Zufriedenheit zu haben und Dinge wie die Wohnsituation, den Partner oder die Freizeit autonom auswählen zu können. Getrübt wird dieses Bild allerdings durch die materiellen Umstände: Fast 80 Prozent fühlten sich nicht ausreichend finanziell geschützt und erleiden mitunter existenzielle Ängste. Weiterer Punkt: die Aufklärung über das Autismus-Spektrum. Mehr als 90 Prozent der Befragten meinten, dass die Öffentlichkeit über Autismus nicht genügend informiert sei, und fast zwei Drittel fanden sich mit ihren positiven Fähigkeiten in der Öffentlichkeit nicht korrekt dargestellt.

Die Firma auticon hat bei ihren Kunden aus der Industrie- und Dienstleistungssparte jedenfalls vollen Erfolg: mittlerweile gibt es mehrere Standorte in Deutschland sowie in London, Paris und Zürich. Auch Unternehmenschef Schöffer bestätigt, dass sich die Firmen dank der zunehmenden Digitalisierung immer offener zeigten für Autisten. Und eines dürfte klar sein: Je sicherer der Arbeitsplatz, desto weniger Sorgen müssen sich Autisten ums Geld machen.