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Flüchtlinge in Pfarrheim von Regensburg

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Wende bei Ermittlungsverfahren gegen Kirchenasyl-Pfarrer?

Pfarrer werden in Bayern strafrechtlich belangt, wenn sie Kirchenasyl gewähren. Nach einer Forderung zur Zurückhaltung von Ministerpräsident Seehofer wurden nun mindestens zwei Verfahren eingestellt. Ein Kurswechsel? Von Michael Jarde

Bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg Fürth ist das Ermittlungsverfahren gegen einen Pfarrer, der Kirchenasyl gewährt hat, eingestellt worden. Mangels Tatverdacht. Mit derselben Begründung wurde vergangene Woche das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Kirchenasylkoordinator der evangelischen Landeskirche Stephan Theo Reichel eingestellt - mangels Tatverdacht.

"Einmal deute ich das so, weil ja auch kein Tatbestand da ist, aber andererseits müssen ja auch die Worte vom Ministerpräsident Wirkung zeigen, wenn der sagt, er versteht die Ermittlungen nicht, da müssen ja Leute ins Nachdenken kommen." Stephan Theo Reichel, ehem. Kirchenasylkoordinator der evangelischen Landeskirche

Urteilsbegründung: "mangels Tatverdacht"

Reichel zumindest will in der Urteilsbegründung "mangels Tatverdacht" eine neue Linie erkennen. Seit Ministerpräsident Horst Seehofer im Sommer angemahnt hat, "radikale Schritte" gegen Pfarrer seien nicht notwendig. Denn alle Ermittlungsverfahren, die seit Anfang des Jahres im Fokus der Öffentlichkeit standen, waren bisher mit anderer Begründung, nämlich "wegen geringer Schuld" eingestellt worden. Was allerdings eine Tat impliziert. Anders jetzt. Die Generalstaatsanwaltschaft München kann allerdings keine Richtungsänderung seit den Worten des Ministerpräsidenten erkennen, Joachim Ettenhofer, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft: 

"Die Handhabung ist seit der Absprache unter den Generalstaatsanwälten im März so wie sie jetzt auch ist. Da hat sich seither nichts geändert" Joachim Ettenhofer, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft 

"Staatsanwaltschaft war schon immer sehr behutsam"

Die evangelische Landeskirche kann ebenfalls noch keine Kursänderung erkennen, immer noch laufen die Verfahren, erst vor zwei Wochen habe erneut eine Pfarrerin eine Vorladung von der Polizei bekommen. Auch, wenn das bayerische Justizministerium in einer schriftlichen Antwort auf eine BR Anfrage meint, die Staatsanwaltschaften seien bei Ermittlungen im Zusammenhang mit Kirchenasyl immer schon sehr behutsam vorgegangen: Fakt ist, seit März häufen sich Berichte über Verfahren gegen Pfarrerinnen und Pfarrer. Joachim Ettenhofer, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft versucht zu relativieren: Verfahren gab es immer, sagt er, man habe im März nur das Vorgehen in Bayern neu geregelt:

"Das ist für die Betroffenen teilweise nicht bekannt geworden. Wenn zwar ermittelt wurde, aber keine Beschuldigtenvernehmung oder Beschuldigtenanhörung stattfand, sondern das Verfahren davor eingestellt wurde. Dann haben die natürlich keine Kenntnis davon." Joachim Ettenhofer, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft 

Sollen Pfarrer eingeschüchtert werden?

Wurde das Verfahren geändert, um Pfarrerinnen und Pfarrer einzuschüchtern? Das vermuten viele in der Flüchtlingsarbeit Engagierte. Ab Oktober will Reichel zusammen mit Professoren, Ordensschwestern und Ehrenamtlichen mit der neu gegründeten Initiative "matteo" den Themen Flüchtlingsarbeit und Kirchenasyl ein neues Forum bieten - jenseits der bayerischen Landeskirche. Nach Angaben der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" geht man derzeit von 351 Kirchenasylen mit mindestens 551 Personen - davon 127 Kinder - bundesweit aus.