Ventsislav kommt aus Krywyj Rih im Süden der Ukraine und ist 34 Jahre alt. Vor einigen Wochen musste er fliehen. In Hannover wollte er sich registrieren, weil er dort einen Bekannten habe, erzählt er. "Aber es gab dort Probleme mit der Registrierung, es war ein langwieriger Prozess“, sagt Ventsislav. Von Hannover aus wurde er dann nach Schwaben in die Stadt Wertingen im Landkreis Dillingen weiterverteilt. Denn jeder Landkreis soll – proportional zur jeweiligen Einwohnerzahl – Flüchtlinge aufnehmen. Bayern und speziell Schwaben muss hier gerade aufholen. In den nächsten Wochen sollen deshalb möglichst 2.300 Ukrainerinnen und Ukrainer wie Ventsislav in Schwaben untergebracht werden.
Wie viele Geflüchtete derzeit in Bayern leben
Insgesamt wurden seit Kriegsbeginn in Bayern 154.600 ukrainische Geflüchtete registriert, so das Bayerische Innenministerium auf Anfrage von BR24. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 kamen insgesamt 38.500 Asylbewerber neu nach Bayern. In den staatlichen Unterkünften in Bayern sind aktuell rund 132.650 Personen untergebracht, davon rund 37.550 ukrainische Kriegsflüchtlinge.
Für die Unterbringung von Asylbewerbern stehen in Bayern mehr als 100.000 belegbare Betten zur Verfügung, welche aktuell zu 93 Prozent ausgelastet sind. Ukrainische Flüchtlinge dürfen auch privat unterkommen – und das tun sie zu etwa drei Viertel, so eine Sprecherin des Innenministeriums.
Schwaben immer noch bayerisches Schlusslicht
In Schwaben sind derzeit im Vergleich zu anderen Regierungsbezirken die wenigsten Geflüchteten untergebracht. Jedoch erfüllt auch Schwaben seine Quote zu 93 Prozent. Das zeige, die Geflüchteten seien innerhalb Bayerns relativ gleichmäßig verteilt, so das Bayerische Innenministerium. Am meisten "übererfüllt" Mittelfranken seine Quote mit 109 Prozent.
Die Quoten richteten sich nach den jeweiligen Einwohnerzahlen und damit nach "der Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft vor Ort", so das Bayerische Innenministerium. Insgesamt sollen gut 15 Prozent aller nach Deutschland kommenden Geflüchteten in Bayern untergebracht werden.
Grafik: Wie Geflüchtete in Bayern verteilt sind
Die Landkreise sind dann verantwortlich dafür, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. So erwartet auch der Landkreis Augsburg in den kommenden Wochen etwa 300 Geflüchtete aus der Ukraine – und weitere Asylbewerbende. Im Gablinger Industriegebiet wurde deswegen ein ehemaliges Impfzentrum zur Notunterkunft für Geflüchtete umgebaut.
Außerdem soll direkt daneben ein Containerdorf entstehen. Ein geeigneter Ort, meint die Bürgermeisterin von Gablingen, Karina Ruf. "Klar: wenn in einem Wohngebiet plötzlich dann 20 Leute in einem Haus untergebracht werden, dass das in der Nachbarschaft nicht gut ankommt, ist mir schon klar." An dieser Stelle dagegen biete es sich an. Die Leute seien hier auch gut untergebracht und an den ÖPNV angebunden, so die Bürgermeisterin.
Ehemalige Impfzentren als Notunterkünfte
Auch in Maktoberdorf im Landkreis Ostallgäu sowie im oberbayerischen Freising wurden ehemalige Impfzentren in Notunterkünfte umgewandelt. Die Landkreise müssen nun auch wieder vermehrt nach dezentralen Unterkünften suchen, also kleineren Wohneinheiten. Nach 2016 wurden diese eigentlich "sukzessive abgebaut", erklärt die Regierung von Unterfranken. Anfang 2017 standen im Bezirk noch 659 dezentrale Unterkünfte zur Verfügung. Vor einem Jahr waren es nur noch 125, jetzt sind es wieder mehr als doppelt so viele: 275 dezentrale Unterkünfte.
Ventsislav aus Krywyj Rih ist zunächst mit 43 anderen Geflüchteten aus der Ukraine in einer großen mobilen Halle untergebracht, in der insgesamt 120 Menschen Platz haben. Die Stadt Wertingen habe sie gern aufgestellt, so Bürgermeister Willy Lehmeier. "Der Landrat hat auf die kritische Situation hingewiesen. Und wir haben natürlich sehr, sehr gerne geholfen."
Der Landkreis kann so seine Aufnahme-Quote insgesamt zumindest zu 88 Prozent erfüllen. Obwohl der Geflüchtete Ventsislav nicht unbedingt nach Wertingen wollte, versucht auch er das Beste aus seiner Situation zu machen: "Ich warte, lerne die Sprache, arbeite und versuche, meine Familie hierher zu holen." Er hofft auf einen der 35 freien Wohnungsplätze im Landkreis.
Wohnungsnot: Landrat sieht "Grenze des Machbaren"
Für weitere neue Plätze ist der Landrat von Dillingen, Markus Müller, auf Angebote von Kommunen und Privatpersonen angewiesen. Doch die Reaktionen der Kommunen seien verhalten, "weil es natürlich überall Wohnungsnot gibt“, meint Müller. Er habe alle bisherigen Optionen geprüft, mittlerweile 80 dezentrale Wohnungen angemietet. Außerdem gibt es fünf Gemeinschaftsunterkünfte und die neue mobile Halle im Landkreis. So sind insgesamt 1.100 Flüchtlinge – nicht nur aus der Ukraine - untergebracht. "Wir sind an der Grenze des Machbaren", bleibt das Fazit des Landrats.
Alle Zahlen basieren auf dem Stand vom 15. Februar 2023.
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