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Mietvertrag, Wohnungssanierung

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Wohnungsnot in Städten: Warum mehr Bauen womöglich nicht hilft

Wohnen ist "die soziale Frage unserer Zeit" - sagt der bayerische Ministerpräsident Söder und verspricht bis 2020 den Bau von 4.000 neuen Wohnungen. Experten warnen, mehr Wohnungen zu bauen, könnte die Lage sogar verschärfen. Von Johannes von Creytz

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Nikola Schiemann hat einen vier Monate währenden Mieter-Albtraum hinter sich. Das Mehrfamilienhaus in München, in dem sie in einer Studenten-WG lebte, wurde saniert. Irgendwann im Winter hatte die Wohnung keine Fenster mehr, die Heizung war teilweise ausgefallen und Wasser tropfte von den Decken.

"Dann hat es genau über Nacht angefangen zu schimmeln. Jeder Wassertropfen hat sich in Schimmel verwandelt und unsere Decken und Wände waren eigentlich schwarz-grün-gesprenkelt." Nicola Schiemann erlebte einen Wohn-Albtraum

Die Studentin wehrte sich nicht, auch aus Angst vor hohen Prozesskosten. Für Volker Rastätter vom Mieterverein ist das ein besonders krasser Fall. Er sagt, man hätte tatsächlich auch prüfen können, ob das nicht schon Körperverletzung an den Studenten gewesen sei, was ihnen während der Sanierung ihres Wohnhauses zugemutet wurde.

Sanierte Wohnungen als Spekulationsobjekt

Die Rechtslage ist laut Mieterverein allerdings so, dass die Studenten in der Beweispflicht gewesen wären, dazu hätten sie frühzeitig Gutachter einschalten müssen. Finanziell ein Wagnis. Am Ende zogen die Studenten aus - der Idealfall für den Eigentümer. Die freie Wohnung lässt sich schneller sanieren und später teurer vermieten.

"Jeder der drastisch erhöhen will, der macht halt eine Modernisierung, weil eine energetische geht immer", sagt Rastätter und fordert die Politik auf, die Mietpreisbremse zu verbessern. Denn nach Sanierungen können Vermieter mehr verlangen als die ortsübliche Miete.

Gerade Immobilien-Investoren aus dem Ausland bietet das erhebliches Spekulationspotential. "Manage to core" heißt es in der Investorensprache, wenn eine Immobilie gekauft, der Wert gezielt hochgetrieben und dann mit maximalem Gewinn weiterverkauft wird.

Sündenfall: Gemeinnützige Wohnungen meistbietend verkauft

Längst rächt sich, dass Bund und Länder in den letzten Jahren Teile ihres Wohnungsbestandes meistbietend verkauft haben. 114.000 Eisenbahnwohnungen unter dem damaligen SPD-Verkehrsminister Kurt Bodewig oder 32.000 GBW Wohnungen unter dem ehemaligen bayerischen Finanzminister Markus Söder sind nur zwei Deals bei denen finanzstarke und nicht soziale Investoren den Zuschlag bekamen. Die Mieten stiegen jeweils.

Wenn jetzt Markus Söder als neuer Ministerpräsident von Bayern eine neue staatliche Wohnungsgesellschaft mit dem Namen "Bayernheim" ankündigt sowie den Bau von 4000 Wohnungen bis 2020 verspricht, dann wirkt das wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Problem lösen muss Ilse Aigner, die neue Wohnungsbauministerin die schon auf der Suche nach Bauland ist. Neubauen und Innenraum verdichten, hat sie bereits als "Schlüsselpunkte" ihrer Politik ausgegeben.

Mehr Bauen heizt die Preisspirale an

Dabei ist fraglich, ob sich Wohnungsnot mit Neubauten bekämpfen lässt. Auch wenn das auf den ersten Blick logisch scheint. Immobilienmaklerin Gabi Heil macht aber seit längerem die Erfahrung, dass es eher umgekehrt ist. Mit jedem Quadratmeter, der neu gebaut wird, steigt der Grundstückspreis. Die Käufer haben dann nur noch kleine Grundstücksanteile, aber im Verhältnis trotzdem den gleichen Preis bezahlt.

Dazu kommt: Wenn Städte wie München große Wohnareale neu errichten, dann müssen sie dafür auch Infrastruktur schaffen - Schulen, Kindergärten, Supermärkte. Es entstehen neue Arbeitsplätze und zieht noch mehr Menschen in die Stadt.

Entlastung für Ballungsraum: Flughafen in Niederbayern?

Die Immobilienmaklerin plädiert dafür, umzudenken. Bezahlbaren Wohnraum kann es nur geben, wenn Ballungsräume aufgebrochen werden. Heil fordert die Politik auf, neue Konzepte zu entwickeln, um Ballungsräume zu entlasten, Infrastruktur zu verlagen.

"Das heißt, München braucht keine dritte Startbahn, sondern es müsste ein zweiter Flughafen in Niederbayern zum Beispiel gebaut werden." Gabi Heil, Maklerin

Das ist provokant formuliert und die Proteste dagegen kann man sich vorstellen. Aber die Idee dahinter ist ernst gemeint. Immerhin hat die Bayerische Staatsregierung letztes Jahr begonnen Ministerien und Ämter von der Landeshauptstadt in die Region zu verlegen.

Genossenschaften rufen nach mehr Förderung

Aber wie kann man denen helfen, die jetzt bezahlbaren Wohnraum suchen? Während Mietervereine von der neuen Bundesregierung, endlich eine wirksame Mietpreisbremse erwarten. Wünschen sich andere Vorfahrt für den genossenschaftlichen Wohnungsbau.

So wie Christian Stupka von der Mitbauzentrale München. Er steht vor einem schönen Münchner Altbau, für den auf dem freien Markt rund 18 Euro Miete pro Quadratmeter verlangt würden. "Das hatte die Stadt München erworben und an eine Genossenschaft re-privatisiert, die hat es auch schön hergerichtet und dort wohnen heute die Mieter für neun bis zehn Euro den Quadratmeter und haben ein lebenslanges Wohnrecht und haben gar keine Angst vor Verdrängung."

Auch die neue Bundesregierung sucht nach Lösungen und verspricht im Koalitionsvertrag, die Kommunen bei der Aktivierung von Bauland und Sicherung bezahlbaren Wohnens zu unterstützen. Es wird sich zeigen, was daraus wird.