Vorausgegangen war ein zweijähriger Dauerstreit über die weitreichenden Justizreformen, die die rechtsnationale PiS-Partei gegen den erklärten Ratschlag Brüssels durchgeführt hat. Sie verstoßen nach Ansicht von EU-Juristen und der sogenannten „Venedig-Kommission“ des Europarats gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil sie die verfassungsmäßige Gewaltenteilung untergraben und die Unabhängigkeit der polnischen Justiz in Frage stellen. Die Kommission sieht darin die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der im EU-Vertrag verankerten Grundwerte. Die polnische Seite hat sich bisher stets geweigert, auf die Einwände der Staatengemeinschaft einzugehen.
EU-Kommission gegenüber Polen weiter gesprächsbereit
Trotz der Entscheidung für ein Strafverfahren bleibt die EU-Kommission gesprächsbereit: Behördenchef Jean-Claude Juncker betonte, man befinde sich "nicht im Krieg" und werde auch „nicht alle Brücken zu Polen abbrechen“. Es sei vielmehr ein schwieriger Prozess, der sich am Ende hoffentlich als Annäherungsprozess herausstelle.
"Atombombe" im EU-Recht
Das Verfahren nach Artikel 7 gilt als schärfste Maßregelung gegen einen Mitgliedstaat, es wurde bisher aber nie angewandt. Diplomaten sprechen deshalb auch von der „Atombombe“ im EU-Recht. Im Extremfall droht der zeitweise Entzug von Sitz und Stimme im Rat. Die Hürden dafür sind allerdings hoch.
Für eine offizielle Abmahnung Polens ist eine Vier-Fünftel-Mehrheit der Mitgliedsstaaten nötig, also 22 Länder. Auch das EU-Parlament muss zustimmen. Erst in einem zweiten Schritt könnte man der Regierung in Warschau das Stimmrecht entziehen. Dafür bräuchte man allerdings Einstimmigkeit; und Ungarns Premier Viktor Orban hat schon angekündet, dass er sich daran nicht beteiligen werde.