Das Bild zeigt eine Großaufnahme des Musikers Ðorđe Balašević mit schwarzem Rahmen
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Abschied von Ðorđe Balašević

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Abschied von Ðorđe Balašević. Trauer von Ljubljana bis Skopje

Abschied von Ðorđe Balašević. Trauer von Ljubljana bis Skopje

Abschied von Ðorđe Balašević - Der Musiker und Liedermacher ist mit 67 Jahren gestorben - Stimmen aus Sarajevo, Belgrad, Prishtina und Zagreb.

Ðorđe Balašević ist tot und Millionen trauern. Tausende versammelten sich am Wochenende in Balaševićs Heimatstadt Novi Sad, um Abschied zu nehmen – und nicht nur dort. Auch in Sarajevo, Belgrad, Zagreb, Split, Pula und Banja Luka kamen Menschen zusammen, zündeten Kerzen für Balašević an und sangen seine Lieder. Ðorđe Balašević war ein begnadeter Texter und Liedermacher und gehörte zweifelsohne zu den wichtigsten Musikern der letzten Jahrzehnte in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Doch es ist nicht nur sein künstlerisches Schaffen, das Ðorđe Balašević von Ljubljana bis Skopje unvergessen macht.

Ein Künstler als Brückenbauer zwischen den Volksgruppen

Viele würdigen den mit 67 Jahren verstorbenen Sänger und Liedermacher als großen Brückenbauer zwischen den Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawiens und sehen in seinem Einsatz gegen Hass, Gewalt und Nationalismus ein leuchtendes Beispiel für die gesamte Region.

Doch es gibt auch Kritik

Im Kosovo werfen viele Balašević vor, in der zweiten Hälfte der 80er Jahre eine gegen Kosovoalbaner gerichtete serbische Propaganda mitgetragen und sich wiederholt abschätzig über Albaner geäußert zu haben. Auch in seinem Buch „Tri posleratna druga“ findet sich eine Passage, in der er sich diskriminierend über Albaner äußert. Und so fällt die Bewertung des Künstlers Balašević nach seinem Tod widersprüchlich aus.

Wir haben unsere Kollegen in Belgrad, Prishtina, Zagreb und Sarajevo um eine Einschätzung der Person Ðorđe Balašević gebeten:

"Seine Songs machten mein Leben schöner"

Eldina Jasarevic, Sarajevo:

Ich war gerade mal zwölf, als er mit seinem witzigen und aufheiterndem Song „U razdeljak te ljubim“ („Ich küsse deinen Scheitel“) in mein Leben kam. Ich kann mich noch immer daran erinnern, wie wir pubertierende Mädchen die Jungs in unserer Schule, die damals wesentlich schüchterner als wir waren, mit seinen Versen provozierten: "Ich küsse deinen Scheitel, weil ich wegen ihm verrückt werde. Ich küsse deinen Scheitel, weil jeder es wissen soll, dass ich wegen ihm den Verstand verliere, keinen Schlaf mehr habe. (Ðorđe Balašević). "Alles natürlich begleitet mit den pathetischen Bewegungen und Seufzern, die wir aus dem Fernsehen kannten. Die Jungs zuckten zurück und wir lachten selbstzufrieden. Seine Verse – mal witzig, mal romantisch, mal poetisch, mal patriotisch, mal nostalgisch, mal leidenschaftlich, mal belehrend, aber immer ansprechend und wahr– begleiten mich von da an und machen mein Leben schöner. Balašević verließ mich nicht einmal da, als unser gemeinsamer Staat Jugoslawien zerfiel und manche Leute, die sich als seine Landleute erklärten, meine Heimatstadt Sarajevo belagerten und beschossen."
"Balašević wagte es, sich von ihnen und ihren Taten laut zu distanzieren, was viele andere Prominente in diesen bösen Zeiten verpassten. Er aber nicht! Hut ab!Seit einigen Tagen „pflügt er himmlische Felder“ wie er selbst den Tod seines Großvaters besingt. Und ich sage nur: Danke dir für alles, du guter Mensch! Und gute Ernte!"

„Kriege gehen vorbei, Menschen bleiben“

Dejan Stefanovic, Belgrad:

„Ein Mensch, der mit dem Herzen schaute, mit den Augen liebte, mit der Seele sang und mit den Worten das Eis auch in den eisigsten Herzen brach“, so beschreibt ihn einer seiner treuen Fans, einer von Hunderttausenden, wenn nicht Millionen zwischen Ljubljana und Skopje. Nicht nur Ende der 70er und in den 80er Jahren, als das „große“ Jugoslawien noch eine heile Welt zu sein schien. Ob man seine musikalische Richtung mochte oder nicht, seine Songs und Texte waren fester Bestandteil des Alltags: Ðorđe Balašević oder einfach Ðole. Großer Musiker, Poet, Künstler. Er war aber auch viel mehr als das – Pazifist, Humanist, Kosmopolit. Ein Rebell, der für den Frieden kämpfte und Liebe verbreitete. Sein Kampf gegen den Nationalismus und alles Schlechte in der Gesellschaft bescherte ihm zahlreiche Feinde, vor allem im eigenen Land. Wegen seiner Bemühungen, die zerrissenen Nähte zwischen den Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawiens wieder zu verbinden, indem er etwa Nachkriegskonzerte im „feindlichen“ Sarajevo oder Zagreb hielt oder die gesellschaftliche und politische Entwicklung Serbiens des letzten Jahrzehnts in seinen Songs oder scharfen Kommentaren kritisierte, wurde er zum „Verräter“, „Hasser des eigenen Volkes“, ein Dorn im Auge der Obrigkeit. Ein offenbar so schmerzhafter, dass seine Songs in den größten Medien in Serbien nicht ausgestrahlt werden durften und Ðole selbst ein unerwünschter Gast war. Auch bei denen, die sich jetzt nach seinem Tod Asche aufs Haupt streuen oder Lobeshymnen singen.
Für die Mehrheit, für normale, anständige Menschen, die ihn, seine Kunst, sein Streben nach Normalität, Empathie und Toleranz in der Gesellschaft verstanden und geteilt haben, blieb er wie ein Leuchtturm in der Finsternis. Sein Tod zeigt, dass sie nur etwas stiller geworden sind. Normale Menschen, nicht nur in Serbien, sondern zwischen Ljubljana und Skopje. Ðole, Du solltest nicht enttäuscht sein, Dein Kampf war nicht umsonst.

"Keine gute Erinnerung"

Besnik Hamiti, Prishtina:

"Es war mitten in der sogenannten „Joghurt-Revolution“ im ehemaligen Jugoslawien, die von Slobodan Milosevic angeführt wurde. Diesem war es im März 1989 gelungen, den Status der Autonomie der damaligen „Autonomen Provinz Kosovo“ zu annullieren und eine ihm loyale Führung in der Vojvodina und in Montenegro zu installieren – ein Vorspiel für die Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Ðorđe Balašević hat damals das Lied „Ne lomite mi bagrenje“ („Zerstört meine Akazien nicht“) geschrieben und gesungen. Ein Song, der die Politik der Unterdrückung von Albanern im Kosovo durch das Milosevic-Regime klar unterstützt und behauptet, dass Albaner Serben aus ihren Häusern vertreiben würden. Obwohl Balašević später als Gegner des Milosevic-Regime galt, wird er der älteren Generation im Kosovo immer als einer seiner Unterstützer in Erinnerung bleiben und die jüngere Generation hört ihn nicht, auch aufgrund der Sprachbarriere."
"Leider hat Balašević in Interviews Albaner stets als „Šiptari“ bezeichnet – ein beleidigender Ausdruck, ein Wort, das Politiker und Journalisten, Nationalisten und andere benutzen, um Albaner herabzuwürdigen und sie als „niedere Rasse“ zu beschreiben."

"Der Hohe Priester"

Stjepan Milicic, Zagreb:

"Ðorđe Balašević, genannt Ðole war für seine Fans im ehemaligen Jugoslawien eine Institution, ein Heiliger, eine eigene Religion. Er war ein mäßiger Sänger, ein solider Komponist und ein hervorragender Dichter, darin sind sich die meisten Musikkritiker einig. Wie kam er zu diesem Kultstatus, den er nach dem Zerfall Jugoslawiens, auch in den Nachfolgestaaten behielt und noch erweiterte? Während des serbisch-kroatischen Krieges (1991 – 1995) waren alle Kommunikationslinien zwischen diesen beiden Ländern unterbrochen, und Internet war damals noch Science-Fiction. Aber Balašević und seine kroatischen Fans fanden einen Ausweichweg. Er spielte seine Konzerte in Slowenien und tausende Fans aus allen Teilen Kroatiens pilgerten hin, und scheuten weder Zeit, noch Geld, noch anstrengende Reisen, um ihren Hohen Priester zu sehen und zu hören. Sein erstes Nachkriegskonzert in Kroatien spielte er 2001 im alten römischen Amphitheater in Pula. Die Glücklichen, die eine Karte ergattern konnten, fielen ins Delirium, als er seinen ersten großen Hit anstimmte, der mit „unter der heißen Sommersonne saß ich am Bahnhof in Pula…“ beginnt. Balašević hat in seinen Liedern viele kroatische Städte und Orte besungen oder erwähnt und diese besondere Beziehung ist bis zu seinem Tod geblieben und sehr wahrscheinlich wird sie auch nach seinem Tod weiter ausgebaut – wenn man die Reaktionen seiner kroatischen Fans und vieler kroatischer BürgerInnen nach der Meldung über seinen Tod betrachtet."
"Nur ein Beispiel: Im Jahr 2009 wollte Balašević zwei intime Konzerte in einem kleinen Theater in Zagreb abhalten, nur er und Klavierbegleitung. Ganz ohne Werbung waren die beiden Konzerte nur eine Stunde nach Bekanntgabe ausverkauft. Tausende Fans blieben ohne Karten enttäuscht zurück. Als Balašević das erfahren hat, versprach er, jede Woche ein Konzert in diesem Theater zu veranstalten, solange Interesse dafür bestehen sollte. Von März bis Dezember 2009 spielte er 38 Konzerte im Theater „Kerempuh“ – jede Woche ist (wurde) er von seinem Wohnort in Novi Sad (Serbien) nach Zagreb (Kroatien) gefahren, um sich mit seinen „Jüngern“ zu treffen. Im Krieg hat er weder die serbische, noch die kroatische Seite gewählt, sondern eindeutig die pazifistische. Während die großen nationalen Führer zum Kampf für Freiheit oder Erhaltung des Staates und andere angeblich hehre historische Ziele aufriefen, hat er für Frieden und Desertieren als höchste Werte plädiert."
"Seine kroatischen Fans lieben seine Musik und Poesie, und diejenigen, die nicht zu seinen Jüngern zählen (so wie ich), achten seine pazifistische Einstellung und die humanistischen Prinzipien, die er in den schweren Zeiten der jüngsten Vergangenheit dieser Region konsequent vertreten hat."