Altenheime als Geschäftsmodell - kann das gut gehen? Im Fall des Augustinum-Konzerns lief es gewaltig schief. Der Sozialkonzern hatte elf Wohnstift-Immobilien an einen Investor verkauft und zurückgemietet - ein sogenanntes "Sale-and-rent-back-Immobiliengeschäft". Doch ein gutes Geschäft war das nicht und offenbar wurde das Augustinum auch noch betrogen. Gerade ist in München Anklage erhoben worden. Der Schaden soll bei mehr als 70 Millionen Euro liegen.
Altenheime als Renditeobjekte gefragt
Doch es muss gar nicht zwangsläufig kriminelle Energie im Spiel sein, wenn Altenheime zum Renditeobjekt werden. Immobiliengeschäfte sind im Pflegebereich weit verbreitet, sagt Branchenkenner Till Duchatsch von der Firma Geritas. Er entwickelt Modelle, bei denen private Investoren ihr Geld in Pflegeheimen anlegen - zu einer Rendite von um die 5 Prozent.
"Wir sprechen über das ganz klassische, normale Pflegeheim, das in jeder Stadt dieser Republik stehen könnte. Es ist ja letztlich nichts anderes als das, was Banken mit Immobilienfonds schon lange anbieten. Die sammeln auch Geld ein, davon wird dann ein Wolkenkratzer in Delhi gebaut." Till Duchatsch, entwickelt Geschäftsmodelle für Investoren
Pflege soll Geld abwerfen für Investoren
Wenn Altenheime zum Investment-Objekt werden, gilt: Die Rendite bezahlen die Bewohner und deren Angehörige oder sie wird auf dem Rücken des Personals erwirtschaftet. Dabei lassen sich die Heimbetreiber in der Regel nicht in die Karten schauen. Denn kein Heim muss offenlegen, wie viel Geld für welche Leistung ausgegeben wird.
Ein Heimplatz kostet in Bayern durchschnittlich zwischen 3000 bis 3500 Euro im Monat - nur für Pflege, Essen und Unterbringung. Medizinische Leistungen gehen extra und werden von den Krankenkassen übernommen. 3000 Euro und mehr - viel Geld auf den ersten Blick, doch Experten wissen: Das Geld reicht vorne und hinten nicht.
"Bei guter Pflege ist es zu wenig, bei schlechter Pflege ist es immer noch zu viel. Mit schlechter Pflege wird richtig viel Geld verdient, mit guter wenig." Armin Rieger, privater Heimbetreiber aus Augsburg
Die Spartricks der Pflegebranche
Armin Rieger ist privater Heimbetreiber in Augsburg. Sein Heim für 33 Bewohner gehört nicht zu den teuersten, dabei beschäftigt er eine Altenpflegerin mehr als üblich und lässt das Essen von einem eigenen Koch zubereiten. 1559 Euro im Monat müssen die Bewohner in Riegers "Haus Marie" pauschal selbst bezahlen, den Rest tragen die Pflegekassen. Ein Heimplatz in der Pflegestufe 4 kostet dort insgesamt 3274 Euro.
Der größte Kostenfaktor ist das Personal, sagt Rieger. Doch bei Heimen, an denen Investoren mitverdienen, muss noch Rendite erwirtschaftet werden. Dabei gibt es Spartricks, die die Pflege letztendlich schlechter machen. Der Pflegeschlüssel ist zwar für jedes Bundesland festgelegt - aber was ist, wenn die Altenpfleger die Arbeit der Küchenhilfe mitübernehmen müssen?
"Haupteinsparpotential ist das Hauswirtschaftspersonal. In gewissen Pflegeheimen muss die Pflegekraft das Frühstück und das Mittagessen machen, Waschen und Putzen - also pflegefremde Leistungen. Und diese Pflegekraft fehlt dann in der Pflege – somit wird die Pflege immer schlechter und menschenunwürdiger." Armin Rieger, privater Heimbetreiber aus Augsburg
Pflegekritikerin: Heime müssen teurer und besser werden
Für die Leipziger Pflegekritikerin Cornelia Heintze ist das der Preis für das privatwirtschaftlich organisierte Pflegemodell in Deutschland. Sie fordert ein grundsätzliches Umdenken und favorisiert das skandinavische Modell: Care als steuerfinanzierte Aufgabe. Billiger aber wird es dadurch nicht.
"In den skandinavischen Ländern, in Belgien, in den Niederlanden oder auch der Schweiz findet man Heimkosten von ca. 4000 Euro; in Norwegen bis zu 10.000 Euro. Warum? Weil dort mit wesentlich besserem Personalschlüssel gearbeitet wird, mit doppelt so viel Personal, kann man grob sagen. Und weil auch die Bezahlung der Pflegekräfte eine bessere ist." Cornelia Heintze, Pflegekritikerin