Führende Vertreter der Ampelkoalition haben sich zuversichtlich gezeigt, den Streit über die geplante Kindergrundsicherung rasch zu lösen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Freitag, es habe große Fortschritte gegeben. Die meisten Punkte seien bereits geklärt, so der Kanzler bei einem Besuch in Salzburg.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zeigte sich optimistisch, dass ihr Gesetzentwurf bald vom Kabinett gebilligt werde. Nach ihren Worten ist das Papier bereits in der regierungsinternen Abstimmung.
"Sicherheitsnetz für armutsgefährdete Familien"
Seit Monaten rührt Familienministerin Paus die Werbetrommel für die Kindergrundsicherung. Auf einem eilig einberufenen Pressetermin erläuterte die Grünen-Politikerin nun noch einmal die Ziele der Grundsicherung, die zu den wichtigen sozialpolitischen Vorhaben der Ampelkoalition zählt: "Mit der Kindergrundsicherung knüpfen wir ein engmaschiges Sicherheitsnetz für armutsgefährdete Familien. Wir bekämpfen verfestigte und verdeckte Kinderarmut. Und wir investieren in die Zukunft unseres Landes."
In der Grundsicherung sollen mehrere Sozialleistungen für Kinder und Jugendliche gebündelt werden. Es solle einen Garantiebetrag für alle Kinder plus einen Zusatzbetrag je nach Einkommen der Familie geben, so Paus. Rund 5,5 Millionen Kinder würden dann davon profitieren.
Laut Paus 60 Prozent der Bürger dafür
Nach ihren Worten sind 60 Prozent der Bürger und sogar 75 Prozent der Familien mit minderjährigen Kindern für das Vorhaben. Zum Gesetzentwurf nannte Paus aber weder Details noch erlaubte sie Fragen von Journalisten.
Sich selbst erlaubte sich aber einen Seitenhieb gegen Finanzminister Christian Lindner (FDP). Sie hält einen baldigen Kabinettsbeschluss für möglich, "sobald wir die sachpolitische Debatte gemeinsam vorantreiben."
Lindner bremst weiter bei Finanzierung
Lindner wird vorgeworfen, das Vorhaben Kindergrundsicherung auszubremsen. Paus hatte zuletzt dafür bis zu sieben Milliarden Euro an Mehrausgaben pro Jahr gefordert. Im Haushaltsentwurf des Finanzministers sind allerdings dafür ab dem übernächsten Jahr lediglich zwei Milliarden vorgesehen.
Wegen der offenen Finanzierungsfrage hatte Paus am Mittwoch im Kabinett eine Vorlage Lindners für Steuersenkungen für Unternehmen gestoppt. Dies heizte die Konflikte innerhalb der Ampelkoalition neu an.
Daraufhin hatte der FDP-Chef am Donnerstag in einem Zeitungsinterview gekontert, es gebe noch "kein geeignetes Konzept" für eine Kindergrundsicherung. Deswegen sei die Höhe der notwendigen Mittel auch noch unklar. Lindner fügte hinzu: "Klar ist aber: Jede neue dauerhafte, gesetzlich fixierte Ausgabe ist nur dann verantwortbar, wenn es eine Gegenfinanzierung gibt." Auch die bayerische Staatsregierung ist gegen das Vorhaben.
Forscher befürworten Kindergrundsicherung
Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dürfte Paus als Rückenwind für ihr Vorhaben verstehen. Demnach würde es sich für den Staat schnell rechnen, Kinderarmut stärker zu bekämpfen. Die Kindergrundsicherung hätte einen wirtschaftlichen Vorteil, weil die Folgekosten wesentlich größer wären, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des DIW.
Das Institut hält mindestens fünf Milliarden Euro für eine effektive Grundsicherung für nötig. Das evangelische Hilfswerk tritt wie andere Wohlfahrtsverbände für eine Förderung von mehr als 20 Milliarden Euro ein.
- Zum Artikel: Kinderarmut - Diakonie warnt vor Folgekosten
Knapp jedes vierte Kind arm oder sozial ausgegrenzt
Aktuell ist nach den Daten des Statistischen Bundesamtes knapp jedes vierte Kind von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Vor Beginn der hohen Inflation war es noch etwa jedes fünfte Kind. Besonders betroffen sind Kinder von Alleinerziehenden.
FDP: Armutsgefährdete Kinder brauchen mehr Bildung ihrer Eltern
FDP-Generalsektretär Bijan Djir-Sarai wies darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen Migration und Kinderarmut gebe. Der Anteil der armutsgefährdeten Kinder mit Migrationshintergrund sei auf einem hohen Niveau. Darum bringe es den Kindern nichts, den Eltern einfach nur mehr Geld zu überweisen: Sinnvoller sei es, die Eltern bei Qualifizierung und Sprachkompetenz zu unterstützen.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
Im Video: Leiterin der "Lebensbrücke" zu Kinderarmut
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