Neuesten Zahlen des Bayerischen Innenministeriums zufolge gibt es im bayerischen Informationssystem INPOL derzeit knapp 16.000 dieser Vermerke. Es geht um Täger des AIDS-Virus HIV oder der Hepatitis B und C. Organisationen wie die Deutsche Aidshilfe empfinden diese Vermerke als diskriminierend. Sie fordert: unsere Gesellschaft muss endlich besser aufgeklärt werden darüber, wie Menschen, die HIV-positiv sind, heute leben. So sehen das auch viele Betroffene.
"Ich habe ziemlich lange gebraucht, um zu meiner HIV-Infektion zu stehen. Am Anfang war das sehr schwierig anderen Menschen davon zu berichten, weil viele dachten, du wirst nicht mehr lange leben, weil viele noch die Bilder aus den 1980er Jahren im Kopf haben - bis hin zur Ablehnung und Diskriminierung, die man auch heute teilweise noch erlebt." Maik Schoeneich
Schoeneich ist 44 Jahre alt, berufstätig, und er engagiert sich bei den "PositHIVen Gesichtern" einer Gruppe in München, die der deutschen Aidshilfe nahesteht. Diskriminierung erlebt er als HIV-positiver Mensch immer dann, wenn er beruflich ins Ausland müsste, beispielswiese nach China - eine Einreise-Erlaubnis bekommt er wegen seiner Krankheit dort nämlich nicht. Aber auch daheim in München fühlt sich Maik Schöneich diskriminiert:
"Ist noch gar nicht so lange her, im Jahr 2017 - habe ich das erlebt, dass Thrombosespritzen ganz offensichtlich nicht vom Pfleger gesetzt werden wollten und so etwas ist gang und gäbe." Maik Schoeneich
Aufgrund solcher Erfahrungen ist er auch skeptisch, was die Einträge einer angeblichen Ansteckungsgefahr - kurz ANST - im Polizei-Informationssystem angeht. Was, fragt er, macht die Polizei mit dieser Information? Hat er besondere Handlungsanweisungen, würde er zur Schusswaffe greifen, wenn er angespuckt oder gebissen wird, wie weit geht das dann eigentlich?
"ANST" registriert nur Polizeibekannte
Ängste, die Maik Schoeneich für sich persönlich nicht zu haben braucht. Denn die Ansteckungs-Information ANST wird nur bei Menschen vermerkt, die schon einmal in Haft waren oder aus anderen Gründen polizeibekannt sind. Darauf weist Stefan Kastner vom Polizeipräsidium München hin - und:
"Man muss sich ja nicht vorstellen, dass man nach so einer Information, ohne dass nicht zusätzlich die Gefahr eines Widerstandes oder einer Körperverletzung oder einer Spuckaktion eines Delinquenten droht, dass man dann gleich mit harten Maßnahmen kommt, das ist ja gar nicht notwendig, aber dass man einen bestimmten Abstand hält, oder einmal mehr die Handschuhe anzieht, das wird vermutlich schon passieren." Stefan Kastner vom Polizeipräsidium München
Und genau darum gehe es, betont Kastner: Polizeibeamte sollen sich schützen können - jede Information zu aktenkundigen Menschen könne im Ernstfall helfen:
"Das hat ganz viel mit Fürsorge zu tun und was wir natürlich haben - und das kommt damit zusammen - wir haben eine ständig steigende Gewalt gegen Polizeibeamte - wir haben alleine in München jetzt im Jahr 1400 Fälle von Gewalt gegen Polizisten, 450 verletzte Polizisten Jahr für Jahr." Stefan Kastner vom Polizeipräsidium München
Wie aussagekräftig ist die Datei?
Der Mediziner und HIV-Schwerpunktarzt Hans Jäger sieht dennoch keine Grundlage für fast 16.000 ANST-Vermerke in den bayerischen Polizeiakten - bei rund 11.000 HIV-Positiven Menschen, denn:
"Wir können heute HIV bei über 90 Prozent der Patienten so behandeln, dass sie mit ein bis zwei Tabletten pro Tag ihre Viren so gesenkt bekommen, dass sie nicht mehr infektiös sind, denn das hängt von der Höhe der Virenanzahl ab, das heißt, die meisten Patienten sind nicht infektiös, weder bei sexuellen Kontakten noch bei direkten Blutkontakten." Hans Jäger
Der Mediziner zweifelt die Zahlen deshalb an, vermutet, dass viele Vermerke Karteileichen sind: Denn wie der HI-Virus lassen sich hierzulande auch Hepatitis B und C gut behandeln - eine echte Ansteckungsgefahr könne aus diesem Grund von so vielen Menschen gar nicht ausgehen.
Ein Wissen, das nicht nur bei der Polizei, sondern bei allen gesellschaftlichen Gruppen ankommen muss. Das hofft jedenfalls Maik Schoeneich. Er selbst geht deshalb ganz offen mit seiner Krankheit um - vor allem aber damit, dass er trotz HI-Virus nicht ansteckend ist und ein fast normales Leben führen kann.