Eine im Süden Afrikas entdeckte neue Coronavirus-Variante sorgt international für Beunruhigung. Nach der Weltgesundheitsorganisation WHO warnt nun auch die EU-Gesundheitsbehörde ECDC vor Omikron, wie die offenbar stark ansteckende Variante B.1.1.529 getauft wurde.
Hessen: Omikron-Variante wahrscheinlich schon in Deutschland
Laut dem hessischen Sozialminister Kai Klose hat die Omikron-Variante die Bundesrepublik "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" bereits erreicht.
Auf Twitter teilte der Grünen-Politiker am Samstag mit, dass bei einem Reiserückkehrer aus Südafrika gestern Nacht mehrere für die Omikron-Variante typische Mutationen gefunden worden seien. "Es besteht also ein hochgradiger Verdacht", so Klose. Die vollständige Sequenzierung stehe aber noch aus. Die infizierte Person befinde sich in häuslicher Isolation.
Zwei Corona-Tests bei Kapstadt-Passagieren in München positiv
Wegen der Variante stuft die Bundesregierung Südafrika, Namibia, Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Eswatini, Malawi und Lesotho ab Sonntag, 0.00 Uhr, als Virusvariantengebiete ein, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Freitagabend mitteilte. Fluggesellschaften dürfen damit im Wesentlichen nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen von dort nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht - auch für Geimpfte und Genesene.
Einen Sonderfall stellten Passagiere dar, die am Freitagabend in einer aus dem südafrikanischen Kapstadt in München gelandeten Lufthansa-Maschine nach Deutschland kamen - der letzte planmäßige Flug, der vor Inkrafttreten der neuen Regelungen in München landete.
Bayerns Gesundheitsministerium ordnete für die Passagiere strenge Test- und Quarantäne-Bestimmungen an. Zwei Passagiere wurden nach nach Angaben einer Ministeriumssprecherin vom Sonntag positiv auf Corona getestet. Beide seien isoliert. Um welche Variante des Virus es sich dabei handelt, war zunächst unklar. Es laufe die Genomsequenzierung um herauszufinden, ob es sich bei den Proben tatsächlich um die neue besorgniserregende Variante Omikron handelt, sagte ein Ministeriumssprecher.
Söder für maximale Schutzmaßnahmen
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert maximale Schutzmaßnahmen angesichts der neuen Variante. Bei einem Termin am Nachmittag in Nürnberg sagte er: "Maximale Schutzmaßnahmen heißt auch maximale Quarantänemaßnahmen. Wir müssen alles dafür tun, dass es sich nicht verbreitet. Was ganz wichtig ist: Wir brauchen darüber hinaus umfangreiche, neue Sequenzierungen, das heißt Überprüfungen, ob nicht diese Variante vielleicht schon irgendwo im Land ist. Das ist ganz wichtig, um einen Überblick zu haben."
Außerdem müsse rasch mit Experten und Impfstoffherstellern geklärt werden, welche Folgen diese Virusvariante auslösen kann und inwieweit die vorhandenen Impfstoffe auch gegen Omikron wirken, betonte Söder.
Montgomery: "Jede nur mögliche Infektion verhindern"
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, betonte in einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, dass man dem Virus keine Chancen zur Mutation geben dürfe. Jede nur mögliche Infektion müsse verhindert werden.
"Die neue südafrikanische Variante ist ein gutes Beispiel dafür. Noch wissen wir nichts Genaues zu seiner Gefährlichkeit – aber es scheint sich rasend schnell auszubreiten", so Montgomery. "Meine große Sorge ist, dass es zu einer Variante kommen könnte, die so infektiös ist wie Delta und so gefährlich wie Ebola. Je weniger Infektionen wir zulassen, desto besser."
Montgomery rechnet bereits mit einer Verdoppelung der Corona-Inzidenz in Deutschland innerhalb der nächsten zehn Tage. "In der Nikolauswoche könnten wir Inzidenzen zwischen 700 und 800 haben", sagte der Mediziner. Alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die jetzt noch ergriffen würden - selbst Kontaktbeschränkungen oder Lockdowns - würden erst mit einer Verzögerung von zwei Wochen zu wirken beginnen.
Grafik: Die Corona-Inzidenzen in Deutschland
Montgomery fordert bundesweites Verbot von Weihnachtsmärkten
"Wir können nichts mehr daran ändern, dass am Tag der Kanzlerwahl von Olaf Scholz die Zahlen dramatisch hoch sein werden", sagte Montgomery. Er forderte eine strikte Reduzierung der Kontakte und bundesweit das Schließen der Weihnachtsmärkte, um die Infektionskurve wieder zu senken.
"Es bringt nichts, die Weihnachtsmärkte in der einen Region zu verbieten, wenn die Leute dann in eine andere fahren, wo sie noch geöffnet sind", sagte Montgomery. Länder und Kommunen sollten zudem zu Silvester größere Feiern, Feuerwerk und private Böllerei verbieten. "Das verhindert nicht nur Ansteckungen, sondern entlastet auch die Notfallambulanzen."
Lauterbach zu Omikron: ein "riesiges Problem"
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte in den ARD-Tagesthemen, wenn die möglicherweise gefährliche Variante auch Deutschland erreichen würde, dann wäre das ein riesiges Problem. "Denn es ist nichts schlimmer, als eine besonders gefährliche Variante in eine laufende Welle hineinzubekommen." Die Variante scheine für Geimpfte und Ungeimpfte gefährlich zu sein.
Neue Corona-Variante: Sorge um Impfschutz
Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC hat insbesondere wegen möglicher Auswirkungen von Omikron auf den Impfschutz Bedenken. B.1.1.529 sei die am stärksten abweichende Variante, die bislang während der Pandemie in umfassenden Zahlen entdeckt worden sei, teilte die in Stockholm ansässige Behörde am späten Freitagabend in einer Einschätzung zur Bedrohungslage durch die neue Virus-Variante mit. Dies wecke ernsthafte Sorgen, dass sie die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte.
Zuvor hatte die WHO die neue Virus-Variante als "besorgniserregend" eingestuft. Wegen der vielen Mutationen könne sie besonders leicht übertragbar sein. Fast 100 Sequenzen der Variante sind Berichten zufolge bislang bekannt.
EU-Gesundheitsbehörde ECDC verweist auf AHA-Regeln
Laut ECDC gibt es zwar noch größere Unsicherheiten hinsichtlich der Übertragbarkeit, der Wirksamkeit der Impfstoffe und des Wiederansteckungsrisikos. Dennoch hält die Behörde die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Einschleppung und Verbreitung der Variante im Europäischen Wirtschaftsraum für hoch.
Deshalb sei ein vorsorglicher Ansatz wichtig. Das ECDC rät dringend zur verstärkten Umsetzung von nicht-pharmazeutischen Interventionen: zum Beispiel Abstand halten und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.
Kommen die Reiseeinschränkungen schon zu spät?
Reisen von und in betroffene Gebiete sollten vermieden werden. "Zu diesem Zeitpunkt müssen wir basierend auf unseren Erfahrungen mit vorherigen Varianten proaktiv sein und vorsorglich Maßnahmen umsetzen, um Zeit zu gewinnen, bis wir mehr Erkenntnisse gewinnen", erklärte die ECDC-Direktorin Andrea Ammon.
Neben Deutschland haben auch andere EU-Länder wie Dänemark und Italien Reisebeschränkungen verhängt. Doch die neue Variante wurde bis Freitag bereits in Belgien, Hongkong und Israel nachgewiesen. In Tschechien besteht ebenfalls der Verdacht, dass die Omikron-Variante bereits aufgetreten ist. Wie das Nationale Institut für öffentliche Gesundheit mitteilt, ist eine Person betroffen, die sich in Namibia aufgehalten hat.
Dutzende Corona-Infizierte in Amsterdam
Auch in den Niederlanden sind die Behörden alarmiert. Dutzende aus Südafrika in Amsterdam gelandete Passagiere sollen mit dem Coronavirus infiziert sein. Es sei allerdings noch nicht geklärt, ob es sich dabei um die neue Virusvariante B.1.1.529 handele, zitierte die Zeitung "De Telegraaf" die Gesundheitsbehörden. Das sollten Folgeuntersuchungen des Erasmus Medical Centre in Rotterdam zeigen. Am Freitagvormittag waren zwei Flugzeuge der Gesellschaft KLM mit rund 600 Menschen an Bord auf dem Airport Schipohl gelandet. Die Maschinen waren in Kapstadt und Johannesburg gestartet.
Die infizierten Personen würden in einem bewachten Isolationshotel untergebracht, hieß es weiter. Wer ein negatives Testergebnis erhalte, dürfe den Flughafen verlassen, müsse aber fünf Tage lang in häusliche Quarantäne und sich nach fünf Tagen erneut testen lassen. Reisende mit einem positiven Testergebnis würden mindestens sieben Tage in dem Hotel bleiben, wenn sie Beschwerden hätten, und fünf Tage, wenn sie keine Beschwerden hätten.
Hongkongs Omikron-Infizierte mit ungewöhnlich starker Viruslast
Die beiden bestätigten Omikron-Infizierten in Hongkong wurden bereits näher untersucht. Sie weisen offenbar eine sehr schnell ansteigende Viruslast auf. Die PCR-Tests der Männer, die wenige Tage zuvor noch negativ ausgefallen waren, enthielten einen Ct-Wert von 18 und 19. "Das ist wahnsinnig hoch, insbesondere wenn man bedenkt, dass die zwei bei den letzten PCR-Tests noch negativ waren", schreibt der Epidemiologe Eric Feigl-Ding, der lange Zeit an der Universität Harvard forschte. Es sehe so aus, als ob die Variante dem Impfschutz tatsächlich entgehen könnte, so Feigl-Ding weiter.
Laut Angaben der Hongkonger Regierung wurde die Omikron-Variante des Coronavirus von einem Reisenden aus Südafrika eingeschleppt, der sich seit seiner Ankunft am 11. November in einem Quarantäne-Hotel befand. Am 13. November wurde er dann positiv getestet.Es wird davon ausgegangen, dass der Mann trotz strenger Isolation einen 62-Jährigen im gegenüberliegenden Zimmer des Quarantäne-Hotels angesteckt hat. Dieser wurde am 18. November während seines vierten PCR-Tests positiv getestet. In beiden Fällen wurde bei einer späteren Genomsequenzierung deutlich, dass sie sich mit der Omikron-Variante des Coronavirus infiziert hatten.
Einer Stellungnahme der Hongkonger Regierung zufolge soll der Einreisende aus Südafrika möglicherweise keinen ausreichenden Mundschutz getragen haben, als er seine Hoteltür beim Entgegennehmen von Essensbestellungen geöffnet habe. Dies sei womöglich der Grund für die Infektion trotz Quarantäne-Isolation.
Unter Verwendung von Agentur-Material.
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