Für den Präsidenten der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, steht fest: "Das Verhalten von einigen wenigen hat fatale Folgen für besonders vulnerable, verletzliche Menschen in Not." Einige wenige, das sind für ihn all diejenigen, die sich bisher nicht haben impfen lassen. Sie gefährden für ihn zum Beispiel Menschen in Pflegeeinrichtungen. Lilie fordert die Politik auf, konfrontativer im Sinne der Mehrheit der Geimpften aufzutreten: "Der Weltärztepräsident hat von einer Tyrannei gesprochen von wenigen über viele und ich glaube, wir müssen das jetzt auch wirklich in die Debatte bringen, dass wir sagen, das hat Folgen."
Studie der Diakonie Deutschland: Menschen sind "mütend"
Diakoniepräsident Lilie fordert deshalb mehr Mut von der Politik, Führung zu zeigen. "Die Menschen erwarten jetzt auch wirklich stringentes, verlässliches Handeln der Politik", so der Diakoniepräsident im Kontrovers-Interview. Das sei eines der Ergebnisse der Studie "Lebensgefühl Corona", die die Diakonie Deutschland diese Woche veröffentlicht hat.
Ein Jahr lang haben Kirche und Diakonie zusammen mit der Ludwig-Maximilians-Universität München in einer Langzeitstudie die psychosozialen Folgen der Pandemie erforscht. Die Menschen seien "mütend", so Ulrich Lilie. Diese Wortneuschöpfung aus müde und wütend ist für ihn eine zentrale Erkenntnis der Studie. "Sie sind müde, erschöpft und sie sind wütend. Wütend auf die, die sich auf Kosten der anderen Freiheiten herausnehmen und auch auf die Politik", sagt Lilie. Denn die Politik sei sehenden Auges in die vierte Corona-Welle geschlittert.
Impfpflicht für alle in Pflegeeinrichtungen
Eine zentrale Maßnahme der Politik, die es aus seiner Sicht jetzt dringend braucht, ist die Impfpflicht für alle, die beruflich mit vulnerablen Gruppen zu tun haben. Von der Diakonie bekommen etwa zehn Millionen Menschen bundesweit Betreuung, Beratung, Pflege und medizinische Versorgung. Mit Blick auf seine zahlreichen Angestellten in der Pflege betont Lilie, dass sich nicht nur Pflegekräfte impfen lassen müssten: "Es wäre ungerecht, nur die Pflegenden, die jetzt alle unter diesen Bedingungen seit eineinhalb Jahren einen Heldenjob machen, auch nochmal zu diskriminieren und zu sagen, ihr müsst jetzt euch alle impfen. Das betrifft nicht nur die Pflegenden, sondern alle, die in diesem Umfeld was zu tun haben, von den Köchen bis hin zu den Reinigungskräften."
Lilie zeigt sich im Kontrovers-Interview überzeugt, dass es unter diesen Bedingungen nicht zu der von der Politik befürchteten Kündigungswelle unter Pflegenden kommen wird. Diese Impfpflicht alleine reicht aus seiner Sicht aber nicht aus. Es müsse außerdem sichergestellt werden, dass künftig keiner mehr in Pflegeeinrichtungen kommen dürfe, der nicht auch getestet sei. "Wir brauchen jetzt 2G plus: Impfen und testen!", fordert Diakoniepräsident Lilie. Eine Impfpflicht für alle hält er dagegen für juristisch schwer durchsetzbar.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!