Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat vergangene Woche die Kommunen vor den Kopf gestoßen. Er habe kein Verständnis dafür – so der Minister im Bundestag – dass Kommunen "mit alten Luftreinhalteplänen vor Gericht scheitern" und dann Fahrverbote verhängt würden. "Es gibt aus diesem Ministerium künftig nur noch Förderungen für Kommunen, die aktuelle Luftreinhaltepläne vorlegen. Diese Verantwortung liegt bei den Kommunen“, so Scheuer.
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Die Retourkutsche ließ nicht lange auf sich warten. Zum einem vom Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. Aber auch in den Sozialen Medien, zum Beispiel vom Münchner Stadtrat Florian Roth: "Ich dachte, für die Luftreinhaltepläne seien die Länder zuständig, Herr @AndiScheuer? Und für die Stadt mit den höchsten Überschreitungen bekanntlich Freistaat Bayern oder @CSUimRathaus? (…)", meinte der Grünen-Politiker. Was stimmt?
Für die Reinhaltung der Luft sind die Bundesländer verantwortlich
Zuständig sind die Länder. Dementsprechend heißt es auf der Webseite des Umweltreferates München: "Die Zuständigkeit und damit die Entscheidungshoheit für die Luftreinhaltung liegt in Deutschland bei den Bundesländern, nicht bei den Städten." In Bayern, das wie etliche andere Bundesländer in Regierungsbezirke eingeteilt ist, liegt die Zuständigkeit bei den Regierungsbezirken als nachgeordneten Behörden.
Die Städte sind zwar nicht verantwortlich, wirken aber mit an den Planungen dazu, wie die Luft sauberer werden kann: "Die in den Luftreinhalteplänen enthaltenen verursachergerechten Maßnahmen werden von der Regierung, dem Landesamt für Umwelt und den betroffenen Kommunen gemeinsam erarbeitet“, sagt ein Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums. Grundsätzlich seien die Verkehrsbehörden der jeweiligen Kommune beziehungsweise der Regierung eingebunden.
Deutscher Städtetag: "Aktualisierungen unter Federführung der Länder"
Ändern sich die Belastungswerte, werden die Pläne fortgeschrieben. Für Nürnberg und Regensburg zum Beispiel liegt jeweils die zweite Fortschreibung vor, für München bereits die sechste. "Wenn sich neue Fakten ergeben", so Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, "werden die Pläne unter Federführung der Länder anlassbezogen aktualisiert." Die Städte würden dabei "intensiv" mitwirken.
Verkehrsministerium: "Verantwortung, sich einzubringen"
Wie hat Verkehrsminister Andreas Scheuer die Verantwortung der Kommunen gemeint? Eine sachliche, nicht direkt auf die Aussage Scheuers bezogene Antwort aus der Pressestelle des Ministeriums lautet: "Es sind die Kommunen, die die Situation vor Ort am genauesten kennen und einschätzen können. Es ist daher ihre Verantwortung, sich im Austausch mit den Landesbehörden einzubringen und Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu entwickeln." Aus diesem Grund habe das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in diesem Jahr auch die Erstellung kommunaler "Masterpläne" gefördert als inhaltlicher Fortschreibung und Weiterentwicklung bestehender, zum Teil veralteter Luftreinhaltepläne.
Wenn Grenzwerte überschritten werden
Luftreinhaltepläne sind erst dann nötig, wenn Grenzwerte überschritten werden. Und sie enthalten eine Zusammenstellung von Maßnahmen, dank derer die Luftqualität wieder besser werden soll. Meistens betreffen sie den Verkehr und können zum Beispiel in der Einrichtung von Umweltzonen oder der Regelung für Lkw-Durchgangsverkehr bestehen.
In der aktuellen Diesel-Diskussion kommt dem Stickstoffdioxid (NO2) eine zentrale Bedeutung zu. Seit dem 1. Januar 2010 darf dieser Schadstoff im Jahresmittel 40 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschreiten. Zulässig sind maximal 18 Überschreitungen von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Luftreinhaltepläne müssen Maßnahmen enthalten, damit Überschreitungen der Stickstoffdioxid-Werte so kurz wie möglich gehalten werden.
Für die Prüfung und Anordnung von Fahrverboten sind die Länder zuständig.
Verwaltungsgerichte können Dieselfahrverbote anordnen
Die Deutsche Umwelthilfe hat gegen die Luftreinhaltepläne von 30 deutschen Städten geklagt. Verwaltungsgerichte können anordnen, dass in die Pläne weitere Maßnahmen aufgenommen werden, um die Stickstoffdioxid-Belastung zu senken – dazu gehören eben auch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Neun Städte haben mittlerweile solche Fahrverbote in ihren Maßnahmenkatalog aufgenommen. Zuerst umgesetzt hat sie Hamburg seit Juni 2018 in einer festgelegten Zone für Fahrzeuge der Abgasnorm 1/I bis 5/V. Im Januar 2019 folgt Stuttgart mit einem Fahrverbot innerhalb der jetzigen Umweltzone für Diesel Euro 4 und älter.
München und die Forderung nach Beugehaft
Die Zuständigkeit des Bundeslandes ist auch der Grund, warum das Verwaltungsgericht München den Freistaat zu einem Zwangsgeld von 4.000 Euro verurteilt hatte und jetzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vom Europäischen Gerichtshof wissen will, ob er bayerische Amtsträger inhaftieren dürfte, um die Möglichkeit zu Diesel-Fahrverboten durchzusetzen. All das wegen des Luftreinhalteplans der Stadt München. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Februar 2017 entschieden, dass die Staatsregierung Diesel-Fahrverbote vorbereiten und im Luftreinhalteplan zu veröffentlichen hat. Doch der Freistaat setzt es nicht um.
Fazit
In Luftreinhalteplänen sind Maßnahmen festgelegt, mit denen zum Beispiel zu hohe Stickoxid-Werte wieder reduziert werden sollen. Verantwortlich für die Luftreinhaltepläne sind die Bundesländer. Landes- und kommunale Behörden arbeiten bei der Erstellung der Pläne eng zusammen. Verkehrsbehörden werden dabei mit einbezogen. Auch für die Prüfung und Anordnung von Fahrverboten sind die Länder zuständig. Verwaltungsgerichte können anordnen, dass die Luftreinhaltepläne ergänzt und zum Beispiel Diesel-Fahrverbote mit aufgenommen werden müssen.