Mitarbeit: Eva Wackenreuther (ORF)
Darum geht's:
- Zahlreiche AfD-Politiker waren während des Bundestagswahlkampfs in Sendungen des rechtsextremen Verschwörungsmediums AUF1 zu Gast
- Die Inhalte des österreichischen Mediums fallen durch Falschbehauptungen, Verschwörungstheorien und Desinformation auf
- Die AfD schaltete während des Wahlkampfs zahlreiche Anzeigen bei AUF1
Mediale Präsenz und Geld sind im politischen Wahlkampf wichtige Ressourcen. Viele Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) waren in den vergangenen Wochen vor der Kamera des rechtsextremen Verschwörungsmediums AUF1 zu sehen, das seine Inhalte über seine Website und soziale Medien verbreitet.
Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel gab dem Sender ein langes Interview. Auch die bayerische Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner kam ausführlich zu Wort, Falschbehauptungen inklusive. Gleichzeitig schaltet die Partei auf der Website von AUF1 Anzeigen im großen Stil. Das zeigt eine gemeinsame Auswertung von AUF1-Beiträgen der vergangenen Wochen, durchgeführt von Faktencheckern von ARD faktenfinder, ORF defacto und BR24 #Faktenfuchs.
Der österreichische Verfassungsschutz stuft AUF1 als rechtsextremistisches Alternativmedium der "Neuen Rechten" ein, das "zur Verbreitung von rechtsextremistischen Narrativen und Propaganda" beitrage.
- Lesen Sie hier den Artikel von ORF defacto.
Bayerische AfD-Politikerin: Falsche Aussagen über ausländische Grundschüler
Mitte Januar wurde Katrin Ebner-Steiner von AUF1 interviewt. In dem rund 17-minütigen Interview bekräftigt sie den Wunsch der Partei nach "Remigration", also massenhaften Abschiebungen und Ausweisungen. In ihrem Auftritt stellt sie falsche Behauptungen auf.
Etwa, als sie sagte, in Bayern seien "an den meisten Grundschulen über 50 Prozent schon Ausländer" und die "eigenen Kinder in der Minderheit". Tatsächlich ist ersteres bei weniger als einem Prozent der bayerischen Grundschulen der Fall. An 19 von 2.421 Grundschulen im Freistaat gibt es mehr ausländische als deutsche Schüler. Das schreibt das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus auf Anfrage des #Faktenfuchs.
Im Schuljahr 2022/23 waren laut Ministerium insgesamt rund 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler an bayerischen Grundschulen Ausländer, also Kinder ohne deutschen Pass. Im laufenden Schuljahr sind es etwa 16 Prozent.
Hinterfragt oder eingeordnet wurden die Behauptungen von Ebner-Steiner, wie auch von anderen Politikern, bei AUF1 nicht. Stattdessen darf Ebner-Steiner noch einen Wahlaufruf für die AfD an die Zuschauer übermitteln. Warum derartige Falschbehauptungen nicht hinterfragt oder eingeordnet werden, diese Frage beantwortet AUF1 auf Anfrage nicht.
- Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier.
AUF1: Desinformation, Verschwörungstheorien, antisemitische Codes
Solche Falschbehauptungen sind bei den Inhalten von AUF1 nichts ungewöhnliches. Josef Holnburger, Experte für Verschwörungstheorien und Mitbegründer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) [externer Link] sagt: "Bei AUF1 gibt es keine journalistische Sorgfaltspflicht, der Inhalt ist höchst unseriös. Es gibt Desinformation, es gibt Verschwörungsideologien, es gibt rechtsextreme Personen, die immer wieder eingeladen werden."
Beispiele für Falschinformationen liefert AUF1 zuhauf. Die mRNA-Impfungstoffe gegen Covid19 werden als gefährliche Waffe der Mächtigen dargestellt und es wird fälschlicherweise behauptet, dadurch würden massenhaft ungeborene Babys getötet [externer Link].
Oder es ist die Rede von angeblichem "Turbo-Krebs" infolge von Covid-Impfungen, den es nicht gibt, wie dieser #Faktenfuchs-Artikel zeigt.
Corona und die Impfungen sind bei AUF1 nicht mehr die einzigen Themen, werden aber noch immer häufig aufgegriffen. Der alternative Online-Sender wurde 2021 von Stefan Magnet gegründet, Verschwörungstheorien und Desinformation rund um die Pandemie waren das Kernthema und bescherten AUF1 viel Zulauf.
Bislang verbreitet AUF1 seine Sendungen und Interviews vor allem auf der eigenen Webseite sowie über den Messenger-Dienst Telegram und Youtube. Auf Telegram folgen mehr als 300.000 Accounts dem Kanal von AUF1. Julia Ebner, die als Senior Research Fellow beim Thinktank Institute for Strategic Dialogue (ISD) arbeitet, sagt: "AUF1 ist mittlerweile eines der reichweitenstärksten Medien im deutschsprachigen Raum im rechten Spektrum."
Immer wieder berichtet AUF1 von angeblich großen Verschwörungen der Eliten im Hintergrund, die Rede ist von der Verschwörungstheorie zum "Great Reset", einer angeblichen Weltherrschaft durch Transhumanisten oder dem "Deep State", einem angeblichen Staat im Staate [externer Link], der die Geschicke lenke.
Solche verschwörungsideologischen Muster seien prägend für die Erzählungen bei AUF1, führt Josef Holnburger im Gespräch mit dem #Faktenfuchs aus. "Jedes große Ereignis wird durch eine vermeintliche Verschwörung der Eliten erklärt und gleichzeitig heißt es, dass die Medien daran irgendwie beteiligt wären. AUF1 stellt sich als vermeintlicher Gegenpol dar, indem sie behaupten: 'Bei uns gibt es die wirkliche Wahrheit'".
Dabei verwendet AUF1 auch Begriffe wie "Globalisten", "Hochfinanz" oder Anspielungen auf den US-Unternehmer George Soros oder die jüdische Bankiersfamilie Rothschild – antisemitische Chiffren, wie etwa der sächsische Verfassungsschutz anführt [externer Link]. Josef Holnburger sagt: "Weil es sich nicht mehr schickt, über Jüdinnen und Juden direkt zu sprechen, nutzt man solche Begriffe, die das Ganze etwas kaschieren. Aber das ist das Weltbild, das AUF1 verbreitet."
Verbindungen in die rechtsextreme Szene
Zu Gast in den Sendungen von AUF1 waren auch der rechtsextremistische Verleger Götz Kubitschek oder der langjährige Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung Martin Sellner.
Auch das Personal von AUF1 hat Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Laut dem Bericht "Rechtsextremismus in Österreich 2023" des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, den das österreichische Innen- und Justizministerium in Auftrag gab, waren sowohl Gründer und Chefredakteur Stefan Magnet als auch AUF1-"Generalsekretär" Andreas Retschitzegger in jungen Erwachsenenjahren im rechtsextremen Bund freier Jugend (BfJ) [externer Link] aktiv.
Magnets Nähe zu extrem rechten Personen und Organisationen sind zahlreich dokumentiert, wie unter anderem diese Recherche von Correctiv [externer Link] zeigt. Er selbst bezeichnet Zuschreibungen wie rechtsextrem auf Anfrage als "Framing" und "polemischen Kampfbegriff".
"Das ist im Endeffekt ein Werbemedium"
In diesem medialen Umfeld zeigen sich AfD-Politiker in diesem Bundestagswahlkampf häufig. Neben der erwähnten Ebner-Steiner und der Spitzenkandidatin Weidel gaben auch zahlreiche weitere AfD-Politiker von Bundes- und Landesebene AUF1 teils lange Interviews, darunter auch weitere bayerische AfD-Politiker wie Peter Boehringer, Ingo Hahn und Martin Böhm.
Julia Ebner vom ISD sagt: "Es hilft enorm, ein gesamtes Netzwerk an Alternativmedien und auch sozialen Medien-Influencern rund um sich zu haben, um die eigene Message, die eigene Kampagne größer werden zu lassen und an unterschiedliche Zielgruppen herantreten zu können."
Wer in dieser Zeit nicht zu Wort kam, waren Politiker anderer deutscher Parteien. Auf gemeinsame Anfrage von ORF, ARD und BR schreibt AUF1, sie würden "Politiker quer durch das Spektrum interviewen", die "etablierten Parteien" würden Interviewanfragen ablehnen oder ignorieren. Der BR24 #Faktenfuchs hat die bei der vergangenen Wahl ins Parlament gewählten Parteien angefragt. SPD, Grüne und Linkspartei teilen mit, den Parteien seien keine Anfragen von AUF1 aus dem Zeitraum dieses Wahlkampfes bekannt. Die CDU schreibt, man erhalte derzeit eine "überdurchschnittlich hohe Zahl von Anfragen für den Kanzlerkandidaten wie auch für den Generalsekretär" und müsse "viele davon absagen". Zu Details äußere man sich nicht. CSU und FDP reagierten auf die Anfrage nicht.
Für Josef Holnburger vom CeMAS fällt AUF1 politisch in die Kategorie "hyper partisan" - zu deutsch: extrem parteiisch. In Österreich stehe das Medium auf Seiten der FPÖ, in Deutschland auf Seiten der AfD. "Das ist im Endeffekt ein Werbemedium, das nimmt man natürlich gerne wahr als Partei", sagt Holnburger. Man erreiche mit AUF1 im deutschsprachigen Raum teilweise hunderttausende Menschen. Dazu komme, dass keine kritischen Fragen zu erwarten sind. "Die AfD kann sich so darstellen, wie sie sich in anderen Medien nicht darstellen könnte, weil es eben keine kritischen Rückfragen gibt, sondern am Ende nur Bauchpinselei." Dass AUF1 ein "AfD-Sender" sei oder rechtsextrem, bezeichnet AUF1 auf Anfrage als "haltlose Vorwürfe".
Alice-Weidel-Shirts im "AUF1"-Shop
Auf der Seite von AUF1 fällt während des Wahlkampfes auch auf, dass sich auf der Hauptseite sowie in einer Vielzahl von Artikeln ein Werbebanner der AfD befindet, dazu der Hinweis "bezahlte Anzeige". Die AfD zahlt demnach also im Wahlkampf Geld für Werbeanzeigen an ein Medium, das laut gemeinsamer Auswertung von ORF, ARD und BR in den vergangenen Wochen der Partei eine große Bühne in ihrer Berichterstattung bietet. Josef Holnburger sagt dazu: "Es ist ein Medium für die AfD, nicht von der AfD. Aber wenn die AfD dieses Medium auch noch mitfinanziert, dann ist es auf jeden Fall nicht unabhängig."
Wieso die AfD unzählige Anzeigen beim österreichischen Verschwörungssender AUF1 schaltet und wie viel sie dafür zahlt, dazu sagt die Partei nichts. Auf eine schriftliche Anfrage des #Faktenfuchs an die Pressestelle des AfD-Bundesverbands kommt keine Antwort. AUF1, das stets betont, unabhängig und spendenfinanziert zu sein, schreibt zu den Anzeigen: "Wer den Werbewert unserer hohen Reichweite nutzen will, kann bei AUF1 auch Werbung schalten. Wir nutzen diese zusätzlichen Einnahmen, um unsere Verbreitung und damit unsere Reichweite zu erhöhen."
Dass das Medium die Partei aktiv unterstützt, zeigt sich auch im "AUF1 Shop", in dem der Sender Produkte verkauft. Im Angebot sind etwa ein T-Shirt und Aufkleber mit dem Spruch "Alice für Deutschland". Der Slogan weist eine phonetische Nähe zur Nazi-Parole "Alles für Deutschland" auf, für deren Rufen der thüringische AfD-Rechtsextremist Björn Höcke jüngst zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Die Partei nutzt den Alice-Slogan auch aktiv im Wahlkampf der Spitzenkandidatin. Das Logo der Partei wurde bei den Produkten im AUF1-Shop zwar nicht verwendet, ein roter Pfeil auf dem Shirt deutet es aber an.
Ob die Werbeartikel mit dem abgewandelten Spruch und Weidels Konterfei aus dem AUF1-Shop genehmigt, abgesprochen oder von der AfD lizenziert sind, ist unklar, die Partei antwortete nicht auf Anfrage des #Faktenfuchs. Auch AUF1 beantwortet diese Fragen nicht, Stefan Magnet schreibt lediglich: "Die redaktionelle Arbeit von AUF1 wird weder durch Werbebanner auf unserer Webseite, noch durch Artikel im Shop beeinflusst. Etwaige Einnahmen werden ausschließlich in Reichweiten-Steigerung investiert."
Erfolg von rechtspopulistischen Parteien als Ziel von Alternativmedien
Für ISD-Analystin Julia Ebner ist das Ziel von AUF1 klar: "Die Idee ist es natürlich, rechtspopulistische Parteien wie die AfD an die Macht zu bringen."
Dass sich die Unterstützung dieser Parteien für den Sender auszahlen kann, hat das Beispiel Österreich schon gezeigt. Nach dem Wahlerfolg der FPÖ im vergangenen Herbst gab der Vorsitzende Herbert Kickl das erste Interview nach der Wahl AUF1 [externer Link].
Ebner vermutet eine ähnliche Strategie der AfD in Deutschland. Die Partei könnte "ähnliche Ambitionen für die Medienlandschaft in Deutschland" haben, bei einem Wahlerfolg hoffe die Partei, dass es "einerseits einen Push gegen die etablierten Medien gäbe, andererseits aber auch ein systematisches Unterstützen von Alternativnetzwerken, die vielleicht auch in Österreich liegen können".
Fazit
Das rechtsextreme Verschwörungsmedium AUF1 aus Österreich bietet zahlreichen AfD-Politikern im Bundestagswahlkampf eine Bühne. Das Medium verbreitet seit seiner Gründung 2021 Desinformation und Verschwörungstheorien, etwa zur Corona-Pandemie oder einem angeblichen Bevölkerungsaustausch durch die Eliten. In diesem Umfeld können die AfD-Politiker unwidersprochen Falschbehauptungen äußern; Politiker anderer Parteien kommen nicht zu Wort. Die AfD schaltet außerdem eine Vielzahl an Werbeanzeigen auf der Internetseite des Mediums.
Quellen:
Interview mit Josef Holnburger, CeMAS
Interview des ORF mit Julia Ebner, ISD
AFP, "Nein, mRNA-Impfstoffe töten nicht massenhaft Ungeborene"
Bundesministerium Inneres (Ö). Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, Verfassungsschutzbericht Österreich 2023
Bundesamt für Verfassungsschutz, “Verfassungsschutzbericht 2023”
BR, #Faktenfuchs: Kein Hinweis auf "Turbo-Krebs" nach Corona-Impfung
BR, #Faktenfuchs: Transhumanisten planen keine globale Verschwörung
BR, #Faktenfuchs: Die Verschwörungstheorie zu "The Great Reset"
Correctiv, "Verschwörungserzählungen – wer an sie glaubt, wie sie sich verbreiten und welche Folgen sie haben"
Correctiv, "Was hinter AUF1 und der Ausbreitung des österreichischen Verschwörungssenders steckt"
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, "Rechtsextremismus in Österreich 2023"
Falter.at, "Kickl-Interviews am Wahlabend: Vorrang für rechtsextremen Internet-Sender"
Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen, "Antisemitische Codes und Chiffren - Ein Überblick"
Tagesschau, "Höcke wegen NS-Parole zu Geldstrafe verurteilt"
Tagesschau, "Sender AUF1: Desinformation ohne Lizenz?"
gemeinsames Monitoring der AUF1-Beiträge von ORF defacto, ARD faktenfinder und BR24 #Faktenfuchs
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