Darum geht's:
- Auf X kursieren Videos von gefälschten Stimmzetteln. Darauf fehlt augenscheinlich die AfD, die in dem Wahlkreis eigentlich auf Position 1 auf den Stimmzetteln steht.
- Auf den Stimmzetteln in den Videos wurde die AfD abgeschnitten und die Zettel danach wieder zusammengefügt.
- Solche Fakes können Menschen täuschen und möglicherweise die Wahlentscheidung einzelner Bürger beeinflussen.
Videos mit gefälschten Stimmzetteln eines Leipziger Wahlkreises könnten wenige Tage vor der Bundestagswahl 2025 Wähler verunsichern. Auf X (früher Twitter) und auch TikTok kursieren seit 18. Februar mehrere solcher kurzer Aufnahmen. Die Stadt Leipzig sieht in den Videos eine "gezielte Diskreditierungskampagne" gegen die Institution der demokratischen Wahl, wie ein Pressesprecher dem #Faktenfuchs sagte.
In den Videos werden angebliche Briefwahl-Stimmzettel des Wahlkreises 151 Leipzig I abgefilmt. Auf den Fake-Stimmzetteln beginnen die beiden Spalten für Erst- und Zweitstimme jeweils mit der "2" – das ist der deutlichste Hinweis auf die Fälschung.
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Echte Stimmzettel dieses Wahlkreises in Leipzig beginnen mit der Position "1". Das zeigt das offizielle Muster des Stimmzettels für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 im Wahlkreis 151 Leipzig I. Dieses ist im Netz öffentlich zugänglich.
Zwar fehlen auch auf den echten Wahlzetteln einige Ziffern – beispielsweise, weil die Tierschutzpartei auf Position 8 keinen Direktkandidaten aufstellte. Dann bleibt auf dem echten Wahlzettel aber eine Lücke an dieser Stelle. Das ist bei den Fälschungen nicht der Fall: Am Beginn der Liste steht dort – ohne Lücke davor – die "2".
Screenshots von den Videos mit den manipulierten Wahlunterlagen.
Mindestens ein User postete als Reaktion auf X auch ein Bild eines echten Briefwahl-Stimmzettels aus dem Wahlkreis.
Staatsanwaltschaft und LKA ermitteln
Bei den in den Videos gezeigten gefälschten Stimmzetteln handle es sich um manipulierte Wahlunterlagen, so die Stadt Leipzig. "Da können Sie erkennen, dass auf dem Fake-Video die Nummer 1 AfD einfach abgeschnitten und dann wieder zusammenkopiert wurde", schreibt der Sprecher der Stadt Leipzig dem #Faktenfuchs auf Anfrage. Die Experten im Wahlamt der Stadt erkannten an mehreren Details, dass die Zettel nicht mit echten Briefwahl-Stimmzetteln übereinstimmen, wie der Sprecher im Gespräch mit dem #Faktenfuchs sagte. Die Stadt möchte weitere Details nicht öffentlich machen, um möglichen künftigen Fälschern keine Hinweise zu geben.
Entsprechende Fehldrucke von städtischer Seite können aufgrund verschiedener Faktoren ausgeschlossen werden, heißt es in einer Medieninformation der Stadt. "Unter anderem wurden alle jetzt vorliegenden Leipziger Stimmzettel in einer Charge produziert." Das bedeutet, dass alle Briefwähler die gleichen Stimmzettel erhalten. Im Zuge der Briefwahl seien seit 3. Februar bereits mehr als 140.000 Stimmzettel an Wählerinnen und Wähler ausgereicht worden. Eine täglich aktuelle Statistik dazu findet sich auf der Stadt-Webseite. Es gebe bisher keinerlei Hinweise auf fehlerhafte Stimmzettel aus der Bevölkerung.
Die Stadt prüft nach eigenen Angaben, welche rechtlichen Schritte aufgrund dieser Videos eingeleitet werden müssen. Alle Wahlhelferinnen und Wahlhelfer werden der Stadt zufolge informiert, sodass etwaige manipulierte Stimmzettel bei der Auszählung am Wahlabend identifiziert werden könnten.
Die Staatsanwaltschaft Leipzig, die zusammen mit dem Landeskriminalamt (LKA) Sachsen ermittelt, schrieb dem #Faktenfuchs am Mittwoch, dass die Stadt Leipzig am Dienstag nach der Veröffentlichung der Videos in den sozialen Medien Strafanzeige gegen Unbekannt aufgrund der gefälschten Stimmzettel erstattete - wegen des Verdachts der Wahlfälschung (§ 107a Abs. 1 StGB).
Auch der Staatsanwaltschaft zufolge handelt es sich bei den "in den Videos zu sehenden Wahlzettel/n um offensichtliche Fälschungen". Da zum Teil von verschiedenen Videos die Rede ist, werde geprüft, ob diese tatsächlich verschiedene Sachverhalte zeigen oder ein und denselben Sachverhalt.
Tatsächlich gibt es bundesweit auch echte Stimmzettel, auf denen kein Direktkandidat der AfD vertreten ist – so zum Beispiel im Wahlkreis München-West. Dort versäumte die Partei, einen Wahlvorschlag einzureichen, wie eine Sprecherin des Kreisverwaltungsreferats München dem #Faktenfuchs schrieb.
Welche Accounts verbreiteten die Videos?
Was lässt sich sagen über die beiden Accounts, die mit diesen Videos auf X zuerst auffielen? Einer postet vor allem ausländerfeindliche Inhalte und ruft zur Wahl der AfD auf. Der andere verbreitet diverse Nachrichten aus aller Welt mit keiner eindeutigen Stoßrichtung. Die Verbreitung der Videos war zunächst gering, nahm dann aber Fahrt auf. Denn sie wurden am Dienstag von diversen anderen Accounts weiterverbreitet, deren – teils auch englischsprachige – Posts nach X-Angaben teilweise bis zu 4,7 Millionen Ansichten (Stand 19.2.2025) erreichten.
Ob die Menschen, deren Stimmen in den Videos zu hören sind, tatsächlich selbst getäuscht wurden, weil ihnen die gefälschten Unterlagen zugeschickt wurden, oder ob sie Teil des Versuchs sind, Stimmung zu machen, ist bislang unklar. Die Staatsanwaltschaft prüfe dies. Ob die angeblichen Empfänger die gefälschten Unterlagen tatsächlich zugesandt bekamen oder “ob hier nur ein solches angebliches Übersenden vorgetäuscht wird, um anhand selbst verfälschter Wahlzettel den Eindruck offensichtlicher Manipulationen der Wahl zu Lasten der AfD zu erwecken, ist ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen", schreibt der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Und: Auch das Vortäuschen einer Straftat könne gemäß § 145d StGB strafbar sein.
Die angeblichen Empfänger der gefälschten Briefwahlunterlagen haben sich der Staatsanwaltschaft zufolge nach ihrer bisherigen Kenntnis nicht bei der Stadt gemeldet und somit auch nicht dort ihre angeblichen Feststellungen mitgeteilt.
Was steckt dahinter?
Solche Fakes vor der Bundestagswahl versuchen in das Narrativ einzuzahlen, die Wahlen in Deutschland würden zu Ungunsten der AfD manipuliert. (Mehr dazu lesen Sie hier oder hier) Gerüchte dieser Art werden seit vielen Jahren verbreitet – jeweils ohne Belege. Und bisweilen mit Hilfe von Fakes, wie in diesem Fall. Werden solche Erzählungen über längere Zeit verbreitet, kann das einen Effekt auf das Vertrauen der Bürger in die Institution der Wahlen haben.
Was die Bundestagswahl sicher macht, lesen Sie in diesem #Faktenfuchs.
Hier finden Sie Argumente, auf die Sie zurückgreifen können, wenn Ihnen die häufig wiederkehrenden Gerüchte rund um Wahlen begegnen.
Fazit
Videos von manipulierten Stimmzetteln aus Leipzig bergen die Gefahr, das Vertrauen in ein korrektes Ablaufen der Briefwahl zur Bundestagswahl 2025 zu erschüttern. Die angeblichen Stimmzettel sind nicht echt, sondern gefälscht. Das ist zum Beispiel daran erkennbar, dass sie nicht mit Zeile "1" beginnen, sondern mit der "2". Die Ermittlungsbehörden untersuchen den Fall. Die Täter sind bislang unbekannt.
Disclaimer: Wir haben am 20.02.2025 um 8.35 Uhr im Absatz "Die Staatsanwaltschaft Leipzig..." Details zur erstatteten Anzeige und den entsprechenden Paragrafen ergänzt, nachdem wir diese Information von der Staatsanwaltschaft nachgereicht bekamen.
Quellen:
Gespräch mit Sprecher der Stadt Leipzig
BR, Zweifelhafte Wahlbeobachtung für die AfD
BR, #Faktenfuchs: Welche Wirkung haben Wahl-Gerüchte?
BR, #Faktenfuchs: Die fünf häufigsten Gerüchte zu Wahlen
BR, #Faktenfuchs: Welche Wirkung haben Wahl-Gerüchte?
BR, #Faktenfuchs: Was die Bundestagswahl sicher macht
Stadt Leipzig, Muster Stimmzettel Wahlkreis 151
Stadt Leipzig, Briefwahlstelle öffnet am 3. Februar
Stadt Leipzig, Briefwahl-Informationen
Stadt Leipzig, Bundestagswahl 2025: Videos mit gefälschtem Stimmzettel im Umlauf
Stadt München, Direktkandidatinnen für die Münchner Wahlkreise
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