55 Prozent der Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, sind hier heute erwerbstätig.
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Etwa 55 Prozent der Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, sind hier heute erwerbstätig.

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#Faktenfuchs: Gut die Hälfte der Geflüchteten von 2015 arbeitet

#Faktenfuchs: Gut die Hälfte der Geflüchteten von 2015 arbeitet

2015 sind so viele Menschen nach Deutschland geflüchtet wie nie zuvor. Sie würden nur die Sozialsysteme belasten, behaupten manche. Dabei gelingt die Integration der Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt besser als früher. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Darum geht's:

  • Etwa 55 Prozent der Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, sind hier heute erwerbstätig.
  • Ihre Integration in den deutschen Arbeitsmarkt verläuft damit laut Experten schneller und erfolgreicher als bei Geflüchteten in den 1990er Jahren.
  • Fluchtmigration kostet den deutschen Staat Geld. Investitionen in die Integration lohnen sich laut Ökonomen aber.

Deutschland ist ein Einwanderungsland, seit Jahrzehnten kommen Menschen aus unterschiedlichen Gründen in die Bundesrepublik. 2015 waren es so viele Zuwanderer wie nie zuvor: Rund 2,1 Millionen zählte das Statistische Bundesamt. Knapp die Hälfte davon zog aus anderen EU-Ländern nach Deutschland, rund 962.000 Personen. 2015 war aber auch das Jahr, in dem viele Geflüchtete hier Schutz suchten. 890.000 Asylsuchende wurden laut Bundesinnenministerium registriert.

Geflüchtete als angebliche Nutznießer des Sozialstaats - ein wiederkehrendes Narrativ

Sieben Jahre später, 2022, flüchteten noch mehr Menschen nach Deutschland: Allein 1,1 Millionen Ukrainer zählte das Statistische Bundesamt. Trotzdem steht nicht 2022, sondern 2015 wie kein anderes Jahr für die sogenannte Flüchtlingskrise. Und obwohl Geflüchtete selbst im damaligen Rekordjahr 2015 nicht die größte Gruppe unter den Zuwanderern stellten, standen und stehen sie im Fokus der Migrationsdebatte. Immer wieder behaupten manche, Geflüchtete wanderten nur in die Sozialsysteme ein.

Ein User schreibt etwa auf Twitter: “der anhaltende Fachkräftemangel trotz Flüchtlingszustrom seit 2015, wobei ein Großteil der Flüchtl immer noch nicht arbeitet, sondern Sozialsys. belastet, zeigt dass wir nur qual. arbeitsflüchtl. benötigen, der Vorschlag von den grünen/spd verfehlt dieses ziel #staatsbürgerschaft” (sic!)

Auch führende Politiker verbreiteten das Narrativ: So sprach Markus Söder vor der Landtagswahl 2018 wiederholt von einem angeblichen “Asyltourismus”, bevor er nach massiver Kritik bekanntgab, den Begriff künftig nicht mehr zu verwenden.

CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte im Herbst 2022 einen angeblichen “Sozialtourismus” ukrainischer Geflüchteter. Belege dafür fehlten, wie dieser #Faktenfuchs zeigt, und Merz entschuldigte sich schließlich für seine Äußerung.

Das Narrativ, Geflüchtete kämen nur, um den Sozialstaat auszunutzen, ohne selbst einen Beitrag zu leisten, erhält nun Aufwind. Der Hintergrund: die von der Ampel-Regierung geplante Reform der deutschen Staatsbürgerschaft. Unter anderem sollen Hürden wie Sprachanforderungen gesenkt werden, doppelte Staatsbürgerschaft soll künftig möglich sein.

Der #Faktenfuchs hat Zahlen und Behauptungen geprüft, Studien ausgewertet und Ökonomen und Zuwanderungsexperten gefragt, wie es um die Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten von 2015 steht. In der zweiten Hälfte des Textes geht es darum, wie ein AfD-Tweet Geflüchteten-Zahlen zu Syrern und Afghanen in irreführendem Kontext präsentiert und so instrumentalisiert.

Etwa 55 Prozent der Geflüchteten von 2015 sind erwerbstätig

Geringere Bildung, kaum deutsche Sprachkenntnisse - die Voraussetzungen der Geflüchteten für die Integration in den Arbeitsmarkt seien schwierig gewesen, sagt Herbert Brücker im Interview mit dem #Faktenfuchs. Dennoch: “Dieses Bild, das viele Menschen haben, dass die große Zahl dieser Menschen keiner Arbeit nachgeht, ist nicht richtig. Etwa 55 Prozent der Geflüchteten sind heute erwerbstätig.” Herbert Brücker ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität Berlin und leitet den Forschungsbereich Migration, Integration und Internationale Arbeitsmarktforschung am IAB, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.

Seit 2016 forscht Brücker zur Fluchtbewegung von 2015 und führt mit seinem Team jährlich eine repräsentative Haushaltsbefragung von mehreren Tausend Geflüchteten durch: die sogenannte IAB-BAMF-SOEP-Befragung.

Inzwischen wurden laut Brücker 8.400 erwachsene Geflüchtete, die zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland zugezogen sind, wiederholt befragt und ihre Aussagen mit Sozialversicherungsdaten der Bundesagentur für Arbeit abgeglichen. Die Befragung, die Herbert Brücker leitet, wurde dem #Faktenfuchs auch von der Bundesagentur für Arbeit und dem ifo-Institut für Wirtschaftsforschung als bedeutende Quelle zur Thematik genannt.

Die Erwerbstätigenquote von 55 Prozent, die Brücker nennt, bezeichnet den Anteil der Erwerbstätigen unter den Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Aufgrund von Ausbildung, Elternzeit oder Arbeitslosigkeit liegt die Erwerbstätigenquote auch in der einheimischen Bevölkerung niemals bei 100 Prozent. Im Jahr 2021 betrug sie unter Bundesbürgern 75,8 Prozent, war also rund 20 Prozentpunkte höher.

Allerdings sei bei den Geflüchteten die Integration in den Arbeitsmarkt noch nicht abgeschlossen und die Erwerbstätigenquote werde künftig noch ansteigen, so Brücker: "Realistischerweise kommen wir wahrscheinlich nach zehn bis fünfzehn Jahren irgendwo in einer Größenordnung zwischen 60 und 65 Prozent raus.”

20 Prozent der Geflüchteten sind inaktiv

Im Umkehrschluss sind bis heute also 45 Prozent der 2015 nach Deutschland Geflüchteten noch nicht im Arbeitsmarkt angekommen. Insbesondere Frauen sind laut der IAB-Befragung deutlich seltener erwerbstätig. Während etwa 60 Prozent der geflüchteten Männer arbeiten, sind es laut Brücker bei den Frauen nur 25 bis 30 Prozent.

Manche Geflüchtete seien in Sprach- oder Integrationskursen, ein anderer Teil in Weiterbildungsmaßnahmen, Ausbildung oder Elternzeit und Mutterschutz, erklärt Brücker. Aber: “Wir gehen davon aus, dass etwa 20 Prozent inaktiv sind, also keiner aktiven Tätigkeit nachgehen, dass aber etwa 80 Prozent aktiv sind.” Neben Bildung und Sprachkenntnissen würden etwa auch Erkrankungen die Arbeitsmarktchancen beeinflussen, so Brücker. Zudem dürfe man sich die 20 Prozent nicht als feste Gruppe vorstellen. “Sehr viele Personen nehmen jedes Jahr eine Beschäftigung auf, aber auch sehr viele verlassen sie wieder.”

60 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten arbeiten als Fachkräfte

Die Qualität der Beschäftigung ist laut Brücker gut: Ein Großteil der Geflüchteten sei nicht in Minijobs, sondern in sozialversicherungspflichtigen Jobs beschäftigt. Knapp 60 Prozent der arbeitenden Geflüchteten sind laut Brücker als Fachkräfte tätig, obwohl viele keine abgeschlossene Berufsausbildung oder kein abgeschlossenes Hochschulstudium haben. “Es waren aber 75 Prozent vor dem Zuzug erwerbstätig und das häufig auch in qualifizierten Berufen.” Vor allem im Dienstleistungssektor mit Transport- und Baugewerbe, Handel, Gastronomie, Reinigungsgewerbe und Sicherheitsdiensten hätten viele Geflüchtete in Deutschland Arbeit gefunden: “Branchen, wo man nicht so auf die formale Berufsausbildung schaut”, so Brücker.

Geringere Verdienste, viel Leiharbeit

Die Verdienste der Geflüchteten seien bislang vergleichsweise gering, oft im Niedriglohnbereich. Das sei aber normal zu Beginn des Integrationsprozesses. Die Verdienste würden dann im Zeitverlauf ansteigen, so Brücker. “Zum Teil hängt das auch am Alter, weil die Geflüchteten noch sehr jung sind. Auch junge Menschen bei uns verdienen sehr viel schlechter als ältere Menschen.” Zum Teil liege es aber auch an den ausgeübten Tätigkeiten und an Arbeitsverhältnissen wie Leih- und Zeitarbeit.

Fluchtmigration verursacht Kosten

Unterbringung, Grundsicherung und Integrationsmaßnahmen: Fluchtmigration koste den Staat zunächst einmal Geld, sagt Herbert Brücker. “Realistisch fiskalisch - nicht gesellschaftspolitisch - ist von einem Nettoverlust für die Bilanz des Sozialstaats auszugehen.”

Der Ökonom hat gemeinsam mit anderen Forscherinnen und Forschern vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und dem IAB die Wirkungen der Flüchtlingszuwanderung des Jahres 2015 auf Gesamtwirtschaft und Staatshaushalt analysiert und die Folgen simuliert. Die Berechnung sei sehr schwierig, fuße auf vielen Annahmen und Schätzungen. Nicht alle Faktoren lassen sich laut Brücker berücksichtigen.

Ein klares Ergebnis der Simulation sei aber: Vor allem in den ersten Jahren nach Ankunft der Geflüchteten liegen die Ausgaben für Geflüchtete deutlich über den Einnahmen durch Steuern und Sozialbeiträge. Laut Brückers Simulation ergab sich 2016 für die 2015 nach Deutschland geflüchteten Menschen per Saldo ein Defizit von 6,3 Milliarden Euro. Bis 2020 sank das Defizit auf jährlich 2,3 Milliarden Euro. Bis 2030 wird es laut Simulation weiter auf rund eine Milliarde Euro jährlich sinken. Im Simulationszeitraum von 2015 bis 2030 kostet Fluchtmigration den Staat also mehr Geld, als durch die Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt wieder reinkommt.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt seien die Kosten jedoch moderat, erläutert Brücker das Ergebnis der Simulation. So entsprechen sie laut Brücker im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2030 einem Betrag von 26 Euro pro Einwohner und Jahr.

Dabei ist zu beachten, dass manche Asylsuchende das Land auch wieder verlassen und dass Geflüchtete in Deutschland auch Kinder bekommen. Kosten für Kindergeld, Kinderbetreuung und Bildung sind entsprechend in der Simulation berücksichtigt. Dass die Kinder der Geflüchteten später vermutlich auch zu steuerzahlenden Erwachsenen werden, ist anzunehmen, die möglichen Erträge liegen aber außerhalb des Simulationszeitraums.

Mit einer besseren Integration Geflüchteter können die Kosten außerdem gesenkt werden, so Brücker. Investitionen in die Integration lohnen sich also für den deutschen Staat, wie im Laufe dieses #Faktenfuchs noch deutlich werden wird.

Arbeitsmarktintegration: Schneller als in den 1990er Jahren

Generell sei die Integration in den Arbeitsmarkt positiv zu bewerten, so Brücker - vor allem im Vergleich mit früheren Integrationsprozessen Deutschlands. So kamen Anfang der 1990er Jahre infolge der Krise auf dem Balkan und des Jugoslawienkriegs schon einmal viele Geflüchtete nach Deutschland. Allein 1992 wurden 438.191 Asylerstanträge gestellt.

Unter den seit den frühen 1990er Jahren bis zum Jahr 2013 zugezogenen Geflüchteten hatten fünf Jahre nach dem Zuzug 44 Prozent eine erste Arbeit gefunden - rund neun Prozentpunkte weniger als bei den Geflüchteten von 2015. Zu diesem Schluss kommt eine weitere Analyse von Herbert Brücker am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Die Gründe dafür, dass Geflüchtete heute schneller im Arbeitsmarkt ankommen, seien vielschichtig, sagt Holger Bonin, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kassel und Forschungsdirektor des Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) im Interview mit dem #Faktenfuchs. Der Staat habe in den 1990er Jahren weniger für die Integration getan. So wurden Integrationskurse etwa erst 2005 im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes eingeführt und standen zunächst nur Geflüchteten mit Schutzstatus offen. Asylbewerber, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, können erst seit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, das im Oktober 2015 in Kraft trat, Integrationskurse besuchen.

Viele Geflüchtete aus dem ehemaligen Jugoslawien kehrten Ende der 1990er Jahre in ihre Heimat zurück, auch wegen finanzieller Anreize, die es damals vom Staat gab. Die meisten Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, kamen aus dem seit 2011 vom Bürgerkrieg geprägten Syrien und aus Afghanistan. Für sie sei eine Rückkehr in ihre Heimat keine Option gewesen, so Bonin.

Investition in Integration lohnt sich

Es sei daher richtig gewesen, Geflüchteten leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und Integrationskurse anzubieten, auch wenn es davon am Anfang schlicht zu wenig gegeben habe, sagt Bonin. Der Ökonom hat verschiedene arbeitsmarktpolitische Integrationsmaßnahmen wie Aktivierungsmaßnahmen, Sprach- und Integrationskurse, aber auch Ausbildungen und Weiterbildungen evaluiert.

Das Ergebnis: Sie waren mehrheitlich wirksam und führten dazu, dass Geflüchtete schneller eine Arbeit fanden, abgesehen von wenigen Maßnahmen, wie etwa Ein-Euro-Jobs, die sich nicht positiv ausgewirkt hätten. Laut dieser Studie des IAB lohnen sich Investitionen in die Integration letztlich auch für den deutschen Staat.

Denn was der Staat etwa in Sprachkurse investiert, bringt demnach sehr viel höhere Erträge in Form späterer Steuerzahlungen und Rentenbeiträge. “Das amortisiert sich praktisch sofort, weil nach der Beendigung dieser Sprachkurse die Beschäftigungsquoten um zehn Prozentpunkte höher sind, oder noch höher. Die Investition in Sprache, in Bildung und Ausbildung, die rechnet sich ganz sicher für den deutschen Staat”, sagt Herbert Brücker.

Laut Holger Bonin hängt ein Teil des heutigen Integrationserfolgs aber auch damit zusammen, dass der Arbeitsmarkt 2015 sehr aufnahmefähig war. Seit 2009 war die Arbeitslosenquote nahezu kontinuierlich gesunken - bis 2020, dem ersten Corona-Jahr. “Wenn wir in einer Wirtschaftskrise gewesen wären zu dem Zeitpunkt, dann wäre das wahrscheinlich nicht so gut verlaufen”, sagt Bonin.

Corona-Pandemie bremste Arbeitsmarktintegration vorübergehend

Die Pandemie hat laut beider Experten die Arbeitsmarktintegration vorübergehend ausgebremst und die Integration um ein bis anderthalb Jahre zurückgeworfen. “Wir schätzen, dass die Beschäftigungsquoten heute etwa vier, fünf Prozentpunkte höher wären, wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte”, sagt Herbert Brücker. Durch die Beschäftigung in Leiharbeit oder befristeten Verhältnissen und Branchen wie der Gastronomie seien Geflüchtete überdurchschnittlich von Entlassungen betroffen gewesen. Nach Ende der Lockdowns seien sie aber auch sehr schnell wieder eingestellt worden, so Brücker.

Erwerbstätigkeit von Syrern und Afghanen: Richtige Daten in falschem Zusammenhang

Auch der brandenburgische AfD-Landtagsabgeordnete Dennis Hohloch teilte im November 2022 auf Twitter eine Texttafel, auf der er sich - unter Bezug auf die Staatsbürgerschaftsreform - darüber empört, dass die Bundesregierung die Staatsbürgerschaft nun “verschenke”. “2,9 Millionen (illegale) Migranten seit 2014” seien der Bundesregierung noch nicht genug, schreibt Hohloch. Im Tweet-Text zur Tafel schreibt Hohloch: “65% der #Syrer sind arbeitslos. Bei den #Afghanen sind es 55%.” Er stellt damit mehrere Behauptungen nebeneinander. Auch hier soll die Botschaft sein: Der Großteil der Migranten sei arbeitslos. Das stimmt nicht, wie dargelegt.

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Ein Tweet eines AfD-Politikers über die Zahl arbeitsloser Migranten ist irreführend.

Aber sind Menschen verschiedener Herkunftsnationalität unterschiedlich gut in den Arbeitsmarkt integriert, wie es der AfD-Abgeordnete Dennis Hohloch in seinem Tweet behauptet? Tatsächlich betrug die Erwerbstätigenquote bei Syrerinnen und Syrern im Jahr 2021 laut Statistischem Bundesamt 35 Prozent - und bei Menschen mit afghanischer Staatsangehörigkeit 45 Prozent, im Umkehrschluss waren 65 Prozent der Syrer und 55 Prozent der Afghanen erwerbslos.

Bleibeperspektive wirkt sich auf Integration aus

Die Erwerbstätigenquote unter Syrern und Afghanen von 2021, auf die Hohloch sich - in Form der Differenz als Quote der Arbeitslosen - bezieht, umfasst jedoch nicht nur Syrer und Afghanen, die seit 2014 nach Deutschland gekommen sind - sondern auch schon davor. Diese Quote bezieht sich auf alle Menschen aus diesen Herkunftsländern im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren, die 2021 in Deutschland lebten - unabhängig davon, seit wann sie sich in Deutschland aufhielten. Afghanistan gehört seit den frühen 2000er Jahren zu den Hauptherkunftsländern, Syrien stand 2014 erstmals an erster Stelle der Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden in Deutschland.

Die Erwerbstätigenquote von 2021 umfasst sowohl Menschen, die vor 2014 oder im Jahr 2015 nach Deutschland kamen, als auch Menschen, die etwa erst nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 nach Deutschland flüchteten. Das heißt, die Quote beinhaltet Gruppen, deren Integrationsprozess sehr unterschiedlich weit fortgeschritten ist.

“Wenn ich jetzt sozusagen eine Story aufbauen möchte: ‘Der Integrationsprozess ist gescheitert.’ Dann muss ich natürlich versuchen, genau solche Zahlen zu nehmen”, ordnet Holger Bonin im Interview mit dem #Faktenfuchs ein und nennt als erläuterndes Beispiel Menschen aus der Ukraine. Ihre Erwerbstätigkeitsquote in Deutschland lag 2021 bei 63,5 Prozent. Nachdem 2022 zigtausend Ukrainer vor dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland flüchteten, lag ihre Erwerbstätigenquote nur noch bei rund 18 Prozent.

“Das liegt aber nicht daran, dass die Beschäftigungserfolge zurückgehen, sondern dass eine neue Gruppe dazu kommt, die eben am Anfang eines Integrationsprozesses steht, wenn der denn überhaupt zustande kommt”, erklärt Bonin.

Die Zahlen, die Hohloch nennt, sind also teilweise richtig, ihnen fehlt aber relevanter, erklärender Kontext - und die Behauptung über die Anzahl der “Migranten” ist schlicht falsch. Denn: Hohloch nennt die Erwerbstätigenquoten von Syrern und Afghanen im Zusammenhang von angeblich “2,9 Millionen (illegalen) Migranten seit 2014”. Er impliziert in diesen Sätzen fälschlicherweise, dass 2,9 Millionen Menschen zugewandert seien seit 2014. Das ist falsch. Richtig ist, dass die Gesamtbevölkerung Deutschlands seit Ende 2014 um rund 2,9 Millionen Menschen gewachsen ist. Bei der Berechnung des Bevölkerungszuwachses fließen laut Angaben des Statistischen Bundesamts Zahlen zu Geburten, Sterbefällen, Zuzügen und Fortzügen mit ein.

“Die Nettozuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern zwischen 31.12.2014 und 30.06.2022 beläuft sich auf rund 4,8 Millionen”, schreibt das Statistische Bundesamt an den #Faktenfuchs. Zu den Menschen, die zuwanderten, zählen neben Geflüchteten auch EU-Zuwanderer, also Arbeitsmigranten.

Etwa jeder zweite Antragsteller reist ohne Identitätspapiere ein

Auf Mail-Nachfrage erläutert Hohloch, welche Teilmenge an Migranten er als “illegal” bezeichnet: “Da ein Großteil der Geflüchteten nach Deutschland ohne Pass und ohne Visum einreisen (sic!), verstoßen sie gegen das Aufenthaltsgesetz (§§ 14, 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) und befinden sich damit `illegal´ in der BRD.”, schreibt Hohloch dem #Faktenfuchs.

Diese Personen als “illegal” zu bezeichnen, ist jedoch falsch. Zwar sind sowohl die unerlaubte Einreise als auch der unerlaubte Aufenthalt strafbar und werden mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weist jedoch darauf hin, dass dies nicht für unerlaubt eingereiste Personen gelte, die unmittelbar nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag stellen. Bei ihnen wird das Strafverfahren so lange ausgesetzt, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist bzw. bei einer positiven Entscheidung eingestellt.

Zur Frage, wie viele Geflüchtete im Zeitraum zwischen 2014 und 2022, auf den sich Hohloch bezieht, ohne Pass und Visum nach Deutschland einreisten und damit gegen das Aufenthaltsgesetz verstießen, gibt es laut Bundesinnenministerium keine belastbaren Daten. Einen Hinweis, wie häufig das vorkommt, gibt die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage mehrerer Linken-Abgeordneten. Demnach reisten etwa zwischen Januar und August 2022 47,7 % aller Antragstellenden ohne Identitätspapiere nach Deutschland ein.

Sichere Bleibeperspektive führt zu späterer aber besserer Arbeitsmarktintegration

Ein Grund für die Unterschiede in der Arbeitsmarktintegration von Afghanen und Syrern ist laut Brücker die unterschiedliche Bleibeperspektive. Menschen aus Afghanistan etwa waren laut Brücker lange von Abschiebung bedroht und hatten einen unsicheren Aufenthaltsstatus. Erst seit 2021 gilt für sie die sogenannte “gute Bleibeperspektive”.

Für Afghanen habe es daher starke Anreize gegeben, möglichst schnell Arbeit zu finden. “Die haben sich schneller in den Arbeitsmarkt integriert, haben darum höhere Erwerbstätigkeitsquoten und haben weniger an Bildungs- und Weiterbildungsprogrammen teilgenommen”, sagt Brücker.

Menschen mit guter Bleibeperspektive hingegen nehmen laut Brücker häufiger an Sprach- und Integrationskursen und Weiterbildungen teil, seien aber erst einmal in geringerem Maße erwerbstätig - so wie beispielsweise viele Syrer in Deutschland. Auf mittlere oder längere Sicht sei bei ihnen aber mit höheren Verdiensten und einer Angleichung oder sogar mit höheren Erwerbstätigenquoten zu rechnen.

Staatsangehörigkeit wirkt sich positiv auf Arbeitsmarktintegration aus

Die deutsche Staatsangehörigkeit wirkt sich laut Studien und Experten positiv auf die Arbeitsmarktintegration aus. “Menschen, die eine Migrationserfahrung haben, also selber eingewandert sind und die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben, haben eine Erwerbstätigenquote, die zehn bis 15 Prozentpunkte höher ist als die von Menschen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben”, sagt Brücker. Zum einen nehmen laut Brücker Besserqualifizierte eher die deutsche Staatsbürgerschaft an. Zum anderen haben Studien das Phänomen aber auch kausal untersucht und laut Brücker einen sogenannten Treatment-Effekt gefunden. Das heißt: “Die deutsche Staatsbürgerschaft selbst hat positive Auswirkungen auf die Beschäftigung.” In Deutschland profitieren laut einer Studie Frauen mehr als Männer von der Einbürgerung, zuletzt zugezogene Migranten profitieren außerdem mehr als ehemalige Gastarbeiter.

Geflüchtete als Hoffnungsträger für Fachkräftemangel

Im Jahr 2015 war die Diskussion um den Fachkräftemangel bereits sehr präsent in der deutschen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, Geflüchtete wurden zu Hoffnungsträgern. In einem Gesetzentwurf zum Integrationsgesetz des Bundes hieß es 2016 etwa: „Der deutsche Arbeitsmarkt benötigt eine Vielzahl von Fachkräften. Dieser Bedarf kann auch durch die nach Deutschland kommenden schutzsuchenden Menschen teilweise abgedeckt werden.“

Fluchtmigration nur bedingt Lösung für Fachkräftemangel

Generell seien Geflüchtete als Arbeitskräfte nur bedingt als eine Lösung für den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel in Deutschland anzusehen - da sind sich Brücker und Bonin einig. So seien Geflüchtete durch Krieg, Verfolgung und Flucht schlechter auf die Arbeitsmarktintegration vorbereitet als andere Migrantinnen und Migranten. Rechtliche und institutionelle Hürden wie Arbeitsverbote, Asylverfahren oder Wohnsitzauflagen behinderten zusätzlich die Integration in den Arbeitsmarkt, so Brücker. Die Arbeitsmarktintegration erfolge bei Geflüchteten später und die Erwerbstätigenquoten seien geringer als bei anderen Migrantinnen und Migranten, die einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt hätten.

Gleichzeitig machten Geflüchtete in Deutschland aber ohnehin nur die Minderheit der Migrantinnen und Migranten aus: In den Jahren 2010 bis 2021 - vor Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine - entfielen laut Brücker 13,1 Prozent der Zuzüge in Deutschland auf Geflüchtete, also auf Personen die entweder einen Aufenthaltstitel aus politischen, völkerrechtlichen oder humanitären Gründen hatten oder sich im Rahmen einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung in Deutschland aufhielten. Mehr als die Hälfte der Einwanderer kamen aus der Europäischen Union, rein quantitativ sei die Migration aus dieser Gruppe viel relevanter, so Brücker.

Aber auch sie reiche nicht aus, um den Fachkräftemangel zu beheben. Aus ökonomischer Perspektive habe Deutschland generell zu wenig Einwanderung, sagt Brücker. “Wir verlieren jedes Jahr zwischen 300.000 und 400.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter durch einen demografischen Wandel.” Um das Arbeitskräftepotenzial konstant zu halten, bräuchte Deutschland laut Brücker jährlich eine Nettozuwanderung von 400.000 bis 500.000 Menschen - deutlich mehr als in den Jahren 2019 bis 2021, wo es jeweils nur etwa 300.000 Menschen pro Jahr waren.

Recht auf Asyl ist Menschenrecht

Anders als im eingangs zitierten Tweet behauptet, geht es bei Geflüchteten nicht darum, welche Zuwanderer Deutschland “benötigt”. Das Recht auf Asyl ist vielmehr ein Menschenrecht, festgehalten in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, einer Resolution, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1948 verabschiedete.

In Artikel 14 heißt es: “Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.” Der Schutz von Menschen auf der Flucht ist außerdem völkerrechtlich geregelt – etwa durch die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Als Grundsatz wird darin angenommen, “dass die Menschen ohne Unterschied die Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen sollen” - so schreibt es das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR).

“Fluchtmigration ist netto kein Geschäft, sondern da geht es eben um eine humanitäre Frage”, sagt auch der Ökonom und Wissenschaftler Herbert Brücker. Etwa 75 Prozent der Geflüchteten hätten heute einen anerkannten Schutzstatus.

Fazit

Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht. Fluchtmigration kostet den Sozialstaat Geld, Investitionen in die Integration von Geflüchteten lohnen sich aber: So finden Geflüchtete nach dem Besuch von Sprachkursen und Weiterbildungen schneller und besser in den Arbeitsmarkt und zahlen dann auch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge.

Inzwischen arbeitet die Mehrheit der 2015 nach Deutschland geflüchteten Menschen: 55 Prozent von ihnen sind erwerbstätig. Langfristig rechnen Experten mit Erwerbstätigenquoten unter den Geflüchteten von bis zu 65 Prozent.

Damit verläuft die Integration der Geflüchteten laut Experten deutlich erfolgreicher als etwa in den 1990er Jahren - dank einem aufnahmefähigen Arbeitsmarkt und wirksamen Integrationsmaßnahmen.

Trotzdem können Geflüchtete nur bedingt dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu beheben, weil sie aufgrund von Krieg und Flucht schlechtere Voraussetzungen mitbringen als andere Migrantinnen und Migranten, institutionelle Hürden ihnen den Weg in den Arbeitsmarkt erschweren und weil Geflüchtete ohnehin nur die Minderheit aller Zuwanderer in Deutschland darstellen.

Disclaimer 01.03.2023, 08:50h: Dennis Hohloch ist Landtagsabgeordneter der AfD in Brandenburg, nicht, wie im Text zunächst zu lesen war, Bundestagsabgeordneter.

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