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Flüchtlinge auf einem Schlauchboot

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Flüchtlinge: Verschenktes Potential?

Im Jahr 2016 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 400.000 Asylanträge positiv beantwortet. Verschenkt das Amt das Können und Wissen der Neuankömmlinge? Von Judith Dauwalter

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit.

Oromo, Amharisch, Tigrinya, Somali: Das Bundesamt für Migration und sucht aktuell Dolmetscher für afrikanische Sprachen und Dialekte. So steht es auf der Homepage der Behörde. Dolmetscher-Ausbildungen für diese Sprachen gibt es in Deutschland kaum bis gar nicht. Und so profitiert das Bundesamt hier von Menschen, die aus den entsprechenden Ländern stammen. Nicht selten mit eigener Fluchtgeschichte.

Flüchtlinge als Integrations-Helfer

Neutralität und Unparteilichkeit verlangt das Bundesamt in seinem Verhaltenskodex für Sprachmittler. Sicher könne es zu Interessenskonflikten kommen, heißt es auch vom Zusammenschluss bayerischer Integrationsbeiräte Agaby, doch dem könne man durch Überprüfung vorbeugen. Durch den Sitz in Nürnberg sei man nah am Bundesamt und empfehle der Behörde schon seit Jahren, verstärkt Menschen mit Migrations- oder sogar Fluchtgeschichte einzustellen – im Asyl, aber auch im Integrationsbereich.

Bundesamt stellt verstärkt Flüchtlinge ein

"Die Geflüchteten haben ein großes Wissen über die Verhältnisse oder auch Gefahren im Land. Weshalb wir es insgesamt gut finden, wenn in allen Bereichen, die mit Migration und Integration zu tun haben, diese Menschen mit ihren Kompetenzen präsent sind." Mitra Sharifi Neystanak, Agaby-Vorsitzende

Mitra Sharifi Neystanak ist Agaby-Vorsitzende. Laut ihrer Beobachtung der letzten zehn Jahre hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge tatsächlich verstärkt Menschen mit Migrations- oder gar Fluchtgeschichte eingestellt. Bei den Ausschreibungen etwa für Referenten, Sachbearbeiter oder auch Entscheider spricht das Bundesamt immer wieder explizit „Bewerber aller Nationalitäten“ an. In Zahlen werde ihr Anteil nicht erfasst, heißt es auf Anfrage aus dem Amt. Jedoch befänden sich im Bundesamt eine Vielzahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund, die allesamt ihre Erfahrungen in den jeweiligen Bereichen gewinnbringend einbringen würden.

Schneller Einsatz von Flüchtlingen

Qualifikation und Erfahrung von Menschen mit Fluchtgeschichte sollten möglichst schnell eingebracht werden, besonders im Flüchtlingsbereich selbst. Das sagt auch Herbert Brücker vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

"Wir wissen, dass Geflüchtete im Durchschnitt schon 7,5 Jahre gearbeitet haben. Das Naheliegendste wäre gewesen, die Flüchtlinge direkt nach ihrer Ankunft in die Verwaltungen der Einrichtungen zu integrieren." Herbert Brücker, Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Ein Potential, das – offenbar auch im Bundesamt – durchaus noch besser genutzt werden könnte. Eine Kompetenz, über das Dolmetschen hinaus, hat man den Sprachmittlern mittlerweile sogar gegeben: Sie müssen nun den Anhörer informieren, wenn ein Antragsteller zum Beispiel behauptet, aus dem Irak zu kommen – während er ein marokkanisch geprägtes Arabisch spricht. Für diese Neuerung brauchte es den Fall des terrorverdächtigen Bundeswehroffiziers Franco A., der als Syrer anerkannt wurde: Der Dolmetscherin war er bei seiner Anhörung verdächtig vorgekommen. Sie hatte sich aber nicht getraut, das zu melden.