Wird Personen eine Lügenprämie geboten, damit sie ihre verstorbenen Angehörigen als Corona-Opfer ausgeben? Dieses Gerücht verbreitet eine BR24-Leserin in einem Kommentar unter einem BR24-Facebook-Video. Sie habe gelesen, dass Menschen 2.000 Euro geboten würden, damit diese ihre verstorbenen Angehörigen als Corona-Tote ausgeben, scheibt die Nutzerin. So hätten Menschen, deren Angehörige beispielsweise bei einem Treppensturz ums Leben gekommen seien, unterschreiben sollen, diese seien an Corona verstorben.
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Die Leserin liefert keinerlei Belege für diese Aussage, auch eine Quelle gibt sie nicht an. Die Behauptung ist damit nicht zu überprüfen. Eine ähnliche Behauptung hatte sich bereits im Mai als falsch herausgestellt. Viel spricht dafür, dass es sich auch diesmal um eine Verschwörungserzählung handelt.
Eine ähnliche Behauptung gab es auch schon im Mai
Im Mai hatte ein Redner auf einer "Anti-Corona"-Kundgebung in Villingen-Schwenningen im Südwesten Baden-Württembergs behauptet, dass Angehörige von Verstorbenen 5.000 Euro dafür erhielten, wenn sie als Todesursache bei ihren Verwandten Covid-19 angeben. Der Redner arbeitet als Physiotherapeut in der Espan-Lungenfachklinik in Bad Dürrheim im Schwarzwald.
Ein Video von dem Auftritt verbreitete sich in den Tagen nach der Demonstration auf Youtube und wurde dort nach Berichten des Schwarzwälder Boten binnen weniger Tage mehr als 55.000 Mal geklickt. Dieses Video ist inzwischen gelöscht.
"Hier in diesem Haus stirbt niemand", sagte der Geschäftsführer der Klinik
Kurz nach dem Auftritt hatte sich der Geschäftsführer der betroffenen Espan-Klinik in einer "stern TV"-Recherche von den Aussagen seines Mitarbeiters distanziert: Die Klinik sei eine Reha-Klinik, dort würden keine Akut-Kranken versorgt. Schon deshalb könne die Behauptung nicht stimmen. "Hier in diesem Haus stirbt niemand", so der Geschäftsführer wörtlich in dem Beitrag.
Mit den Aussagen seines Vorgesetzten konfrontiert, ruderte auch der Mitarbeiter selbst zurück: Von der vermeintlichen Lügen-Prämie habe ihm ein Patient erzählt. Der Bettnachbar, von dem der Patient die Geschichte gehört haben will, sei aber in einer anderen Klinik der "Kliniken Benner GmbH & Co. KG" gelegen, zu denen auch die Espan-Klinik gehört. Den Namen dieser anderen Klinik wisse der Mitarbeiter aber nicht.
Oft sind die Behauptungen so vage formuliert, dass sie sich nicht widerlegen lassen
Am Ende blieb von der angeblichen Lügenprämie also nicht viel mehr übrig als Hörensagen. Damals wie heute gibt es weder Belege noch eine namentliche Quelle für die Behauptung, es gebe eine Corona-Lügenprämie. Doch eben das ist das Problem: Die Verschwörungserzählung ist so vage konstruiert, dass es quasi unmöglich ist, sie endgültig zu widerlegen.
Und auch in einem anderen Punkt folgt dieses neueste Gerücht einem bekannten Muster von Verschwörungserzählungen, auf das die EU-Initiative "klicksafe" auf ihrer Webseite hinweist. Klicksafe will Internetnutzern "die kompetente und kritische Nutzung von Internet und Neuen Medien" vermitteln.
"Für Verschwörungsgläubige ist von Beginn an klar, dass es immer einen Nutznießer von schrecklichen Ereignissen und Katastrophen geben muss. Ausgehend davon wird nach Belegen gesucht, die diese Annahme stützen. (…) Für Verschwörungsgläubige ist es einfacher zu akzeptieren, dass es einen aus dem Hintergrund manipulierenden "Übeltäter" gibt, als anzuerkennen, dass man nicht weiß, was vor sich geht oder dass Ereignisse zufällig passieren." klicksafe
Auch die Corona-Pandemie - mit all ihren Ungewissheiten und ihren weitreichenden Folgen - kann für viele Verschwörungsideologen offenbar nicht natürlichen Ursprungs sein. Es muss jemanden geben, der davon profitiert. In diesem Fall sind das die Angehörigen, die mit dem (natürlichen) Tod ihrer Verwandten Geld verdienen. Wer sie dafür bezahlt und warum - das wird hier nicht einmal versucht zu erklären. Zurück bleibt nur das Gerücht, das Misstrauen schürt.