Er wolle sich schuldig bekennen, sagte Joshua Wong am Morgen, bevor er das Gerichtsgebäude betrat. Es wäre also keine Überraschung, wenn er noch heute, vor Ende des Prozesses, in Haft genommen werde, sagte der 24-jährige Aktivist. Und genauso kam es dann auch: Das Gericht ordnete an, dass Wong und die beiden Mitangeklagten bis zum erwarteten Urteil Mitte nächster Woche in Untersuchungshaft kommen.
Neben Joshua Wong stehen auch die 23-jährige Agnes Chow und der 26-jährige Ivan Lam vor Gericht. Die Anklage wirft den drei Aktivisten vor, im Juni vergangenen Jahres bei einer nicht genehmigten Demonstration vor einem Polizeirevier in Hongkong dabei gewesen zu sein. Sie sollen außerdem andere aufgefordert haben, bei der illegalen Protest-Aktion mitzumachen, heißt es in der Anklage. Den Dreien drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Vor dem Hongkonger Gerichtsgebäude gaben sie sich heute früh demonstrativ kämpferisch.
Sicherheitsgesetz beschneidet Autonomie
Gut möglich, dass sie heute zum ersten Mal in ihrem Leben in den Knast gehe, sagte Agnes Chow. Joshua Wong ergänzte: "Weder Gefängnisgitter noch ein Ausschluss von Wahlen noch andere willkürliche Behörden-Aktionen können uns von unserem Demokratie-Aktivismus abhalten."
Demonstrationen und Protest-Aktionen wie die, wegen der die drei Aktivisten vor Gericht stehen, wären heute so gar nicht mehr möglich in Hongkong. Denn seit Juli gilt in der eigentlich autonom regierten chinesischen Sonderverwaltungsregion ein Staatssicherheitsgesetz. Es wurde in Kraft gesetzt nicht vom Hongkonger Parlament, sondern von der kommunistischen Führung in Peking. Sie hatte die eigentlich noch bis 2047 geltende Autonomie in der früheren britischen Kolonie bereits in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt aufgeweicht.
Mit dem Staatssicherheitsgesetz nun hat Chinas Staats- und Parteiführung diesen Prozess noch mal beschleunigt: Das Gesetz hat Meinungs- und Versammlungsfreiheit in zahlreichen Bereichen vollends ausgehebelt. In weiten Teilen der Bevölkerung herrschen Angst und Resignation. Vor knapp zwei Wochen ließ die chinesische Staatsführung unter fadenscheinigen Gründen mehrere frei gewählte Abgeordnete aus dem Hongkonger Parlament entfernen - allesamt Politiker pro-demokratischer Parteien. Nur Patrioten, die China lieben, sollten in Hongkong regieren, und nicht die, die die nationale Sicherheit gefährden, so begründete der Sprecher der Staatsführung Zhao Lijian in Peking den Ausschluss der Parlamentarier.
Fast 1.700 Verfahren gegen pro-demokratische Aktivisten
Seit Wochen gehen die Festlandchina-treuen Behörden Hongkongs fast täglich gegen missliebige Menschen vor. So nahm die Polizei am Wochenende unter anderem ein Lokalpolitiker und einen Radiomoderator fest. Die beiden sollen Geld für pro-demokratische Kampagnen gesammelt, beziehungsweise dazu aufgerufen haben.
Nach Angaben von Aktivisten sind in den vergangenen Monaten in Hongkong gut 10.000 Menschen im Zuge der Proteste festgenommen worden. Die meisten kamen wieder auf freien Fuß, gegen fast 1.700 läuft ein Verfahren.
Für großes Aufsehen sorgt in Hongkong weiter das Schicksal von zwölf jungen Aktivistinnen und Aktivisten, die Ende August versucht hatten, mit einem Schnellboot von Hongkong nach Taiwan zu fliehen. Sie wurden auf dem Meer von der chinesischen Küstenwache gestoppt. Seitdem sitzen sie in Festlandchina im Gefängnis. Wie es ihnen geht, ist unklar. Die kommunistischen Behörden in China verweigern unabhängigen Anwälten und Familienangehörigen den Zugang.
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