Biden-Anhänger feiern dessen Wahlsieg in Philadelphia.
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Biden hat gewonnen, Trump leugnet: So geht es nun weiter

Biden hat gewonnen, Trump leugnet: So geht es nun weiter

Joe Biden hat die US-Wahl gewonnen - Donald Trump weigert sich, das Ergebnis anzuerkennen. Wie geht es nun weiter? Wann übernimmt Biden das Amt? Und was passiert mit Donald Trump? Die Fragen zum bevorstehenden Machtwechsel.

Joe Biden hat die Wahl gewonnen und wird voraussichtlich der 46. Präsident der USA - unter Vorbehalt der juristischen Auseinandersetzungen, die wohl noch einige Zeit andauern werden.

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Wie geht es nun weiter?

Der Übergangsprozess beginnt in der Regel damit, dass der Unterlegene in einer Rede seine Niederlage einräumt. Dieser Vorgang ist wichtig, weil so die Legitimität der Wahl anerkannt wird. Offenbar fällt das aber bei dieser Wahl aus, denn Trump hat bereits erklärt, einen Biden-Sieg auch nach dessen Erreichen der Wahlleute-Mehrheit nicht anzuerkennen. Daher wird die Entscheidung voraussichtlich auf dem rechtlichen Weg geklärt.

Joe Biden hat deswegen seine Siegesrede gehalten, ohne zuvor den obligatorischen Anruf des Unterlegenen entgegenzunehmen, der vor dieser Wahl jahrzehntelange Tradition war.

Bei seiner Rede beschwor Biden wie jeder neue Präsident die nationale Einheit. "Ich verspreche", sagte Biden, "ein Präsident zu sein, der nicht spaltet, sondern vereint, der keine roten Staaten oder blauen Staaten sieht, sondern nur die Vereinigten Staaten."

Transition-Team bereitet Biden-Präsidentschaft vor

Um einen reibungslosen Start im Präsidenten-Amt zu ermöglichen, hat jetzt bereits ein sogenanntes "Transition Team" die Arbeit übernommen. Geleitet wird es von Ted Kaufman, einem langjährigen Biden-Vertrauten. Dieses Team soll den Start der Biden/Harris-Regierung vorbereiten, inhaltliche Schwerpunkte bestimmen und Personal-Entscheidungen ausloten.

Einen Corona-Expertenrat hat Biden bereits gegründet. Daneben wird ein Kandidat für den Posten des Stabschefs im Weißen Haus gesucht, die Besetzung von Ministerposten bereitet das "Transition Team" ebenfalls vor.

Könnte eine Behörde Ärger machen?

Problematisch könnte im Übergang noch die Rolle einer Behörde sein. Die GSA ("General Services Administration") ermöglicht den Machtübergang von einer Regierung zur nächsten, kontrolliert die Steuergelder, die für diesen Prozess vorgesehen sind und ermöglicht Zugang zu Informationen der Regierungsbehörden. Allerdings muss die dafür vorher erst feststellen, wer die Wahl gewonnen hat.

Die Leiterin der GSA, die von Trump ernannte Republikanerin Emily Murphy, teile am Tag der Verkündung von Bidens Sieg durch die Medien mit, dass noch keine Entscheidung bei der Präsidentenwahl gefallen sei. Bisher hat Murphy ihre Entscheidung noch nicht geändert.

Normalerweise richtet sich die Behörde nach Angaben des TV-Senders ABC nach zwei Quellen: einem Eingeständnis des Verlierers, das es bisher nicht gibt; oder wenn mehrere glaubwürdige Medien die Entscheidung vermeldet haben - was passiert ist. Das Biden-Team hofft, dass die GSA ihre Bewertung bald ändert. Um auf Nummer sicher zu gehen, könnte die Behörde laut "Politico" in diesem Fall allerdings bis zum 14. Dezember warten - ein wichtiges Datum im wahlrechtlichen Prozedere.

Das wahlrechtliche Prozedere - so wird der Präsident gewählt

Das folgende Szenario geht von einem geregelten Machtwechsel aus - das heißt, dass Trump innerhalb der nächsten Wochen eine Niederlage eingesteht oder die Klagen der Republikaner auch in der Revision scheitern:

Bis zum 8. Dezember haben die Staaten Zeit, eventuelle Unstimmigkeiten oder Anfechtungen zu klären. Dann müssen sie ihre Wahlleute festlegen. Der 8. Dezember ist die sogenannte "Safe Harbour Deadline" - dieser Termin fällt auf den 35. Tag nach der Wahl. Der Kongress ist dann verpflichtet, dieses Ergebnis zu akzeptieren.

Der Präsident wird in den USA nicht direkt gewählt, sondern von Wahlleuten aus den einzelnen Staaten. Dort gilt prinzipiell das "Winner-Takes-it-All"-Prinzip: Hat ein Kandidat die Mehrheit in einem Staat, erhält er alle Stimmen der Wahlleute.

Am 14. Dezember kommen diese Wahlleute in ihren jeweiligen Staaten zusammen, um den Präsidenten und den oder die Vizepräsidentin zu wählen. Gesetzlich festgeschrieben fällt dieser Termin auf "den ersten Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember" - in diesem Fall der 14.

Die besondere Situation mit Trump

Zunächst wird es in einigen Staaten eine Nachzählung der Stimmen geben - darunter Wisconsin und Georgia, unter Umständen auch in Nevada, Arizona und Pennsylvania, sollte das Ergebnis dort ähnlich knapp ausfallen oder je nach Staat eine Nachzählung von der unterlegenden Seite beantragt werden.

Sollte es dann in einigen Staaten bis zum 8. Dezember, der "Safe Harbour Deadline", immer noch unklare Ergebnisse geben, könnten die Parlamente dort per Mehrheitsentschluss entscheiden oder der Gouverneur verfügen, an wen die Stimmen der Wahlleute gehen. In den lange umkämpften Staaten Michigan, North Carolina, Wisconsin, Pennsylvania und Arizona kontrollieren die Republikaner beide Kammern. Darauf scheint Trumps Taktik abzuzielen - durch Betrugsvorwürfe Unruhe zu stiften, um so auf Zeit bis Anfang Dezember zu spielen.

Je deutlicher Biden am Ende gewinnt, desto schwieriger wird es für Trump. In einem Staat könnte sein Vorgehen unter Umständen funktionieren, in mehreren wird es aber kaum durchsetzbar sein. Mehrere republikanische Offizielle aus den umkämpften Staaten haben bereits zudem erklärt, dass es nicht passieren wird, dass sie sich über den Wählerwillen hinweg setzen. Des Weiteren sind die ersten Klagen der Republikaner in Michigan, Georgia, Nevada und Pennsylvania bereits abgewiesen worden. Weitere Klagen und Revisionen könnten den normalen Prozess einer Machtübergabe dennoch verzögern, auch wenn Rechtsexperten die Erfolgsaussichten dieser Versuche für gering halten.

Fall könnte vor dem Supreme Court landen

Es könnte auch passieren, dass sich Staaten auch nach der Deadline nicht auf einen Kandidaten einigen, weil beispielsweise die eine Kammer von den Republikanern und die andere von den Demokraten kontrolliert wird. Würde deswegen ein Staat keine Wahlleute in die Versammlung schicken und dort damit kein Kandidat die Mehrheit von 270 Stimmen erreichen, würde die Entscheidung über den Präsidenten im Repräsentantenhaus fallen, in dem die Demokraten die Mehrheit haben. Da die Gesetzeslage hier aber nicht eindeutig ist, könnten Klagen wegen der Entscheidung wiederum vor dem Supreme Court landen, in dem es momentan eine konservative Mehrheit von sechs zu drei gibt.

Die letzten Zahlen, die bisher gescheiterten Klagen und die Entwicklungen der letzten Tage deuten aber alle darauf hin, dass das Ergebnis deutlich wird - und Trumps Versuche, sich an der Macht zu halten, keinen Erfolg haben werden. Da dürfte auch die Unterstützung mancher Top-Republikaner für seinen Kurs keinen Unterschied machen.

Amtseinführung des Präsidenten am 20. Januar

Der neu gewählte Kongress wird am 3. Januar 2021 vereidigt. Drei Tage später kommt er zusammen, zählt die Stimmen der Wahlleute und verkündet einen Gewinner. Erst dann ist der Präsident offiziell gewählt. Am 20. Januar wird der Präsident vor dem Kapitol in Washington vereidigt.

Joe Biden wäre dann der älteste Präsident in der Geschichte der USA und hätte in Kamala Harris die erste Frau als Vize-Präsidentin an seiner Seite.

Wann entscheidet sich, wer die Mehrheit im US-Senat hat?

Das Repräsentantenhaus haben die Demokraten verteidigt, die Mehrheitsverhältnisse im Senat sind dagegen noch nicht geklärt. Gegenwärtig steht es 48 zu 48 im Oberhaus. Vier Rennen sind weiterhin noch nicht entschieden - doch es wird davon ausgegangen, dass sowohl in Alaska als auch in North Carolina der republikanische Kandidat gewinnt.

Die zwei verbliebenen Posten werden in Georgia vergeben. Dort gibt es die Sonderregel, dass man für den Gewinn eines Senatssitzes eine absolute Mehrheit braucht, weswegen beide Rennen in eine Stichwahl gehen. Diese wird am 5. Januar abgehalten. Sollten die Demokraten beide Sitze holen, dürfte es im Senat zu einem 50-zu-50-Gleichstand kommen. Sollte es bei Abstimmungen über Gesetze ein Patt geben, entscheidet die Stimme des Vizepräsidenten - ab 20. Januar voraussichtlich die der Demokratin Kamala Harris.

Für beide Parteien steht damit eine Menge auf dem Spiel bei den Stichwahlen. Georgia war über Jahrzehnte eine Bastion der Republikaner. Bei dieser Wahl stimmte der Staat mit einer hauchdünnen Mehrheit für den Demokraten Joe Biden. Eine Nachzählung wurde aber bereits angeordnet.

Was passiert mit Donald Trump?

Rick Hasen, Jura-Professor und Experte für CNN, erklärte dem Sender, dass er die Klagen des Trump-Lagers mehr als PR-Maßnahme denn als seriöse Streitsache sehe. Trump könnte es demnach um das Narrativ gehen: Da er keine Niederlage einräumen will, könnte der Fall eintreten, dass er zwar das Weiße Haus verlässt, aber bei der Ansicht bleibt, dass er die Wahl eigentlich gewonnen habe.

Nach seiner Zeit als Präsident könnte er sich zum einen wieder auf sein Immobilien-Geschäft konzentrieren. Zum anderen gab es schon vor der Wahl 2016 Spekulation, dass Trump einen eigenen TV-Sender plant. Für beides hätten die letzten vier Jahre ausreichend Werbung betrieben.

Trump drohen mehrere Klagen

Trump drohen allerdings auch juristische Auseinandersetzungen. Viele der Rechtsstreitigkeiten wurden ausgesetzt, solange Trump Präsident war. Aber mit seinem Auszug aus dem Weißen Haus am 3. Januar könnten diese wieder aufgenommen werden.

Die Liste der Fälle ist lang: unter anderem mehrere Verleumdungsklagen von Frauen, die Trump sexuelle Belästigung vorwerfen, der Vorwurf der Veruntreuung von gemeinnützigen Geldern für das Trump-Unternehmen sowie eine Klage seines ehemaligen Anwalts Michael Cohen, der zwei Millionen US-Dollar wegen nicht-bezahlter Rechnungen fordert. Das Wirtschafts-Magazin "Business Insider" geht von neun Prozessen aus, die Trump schon bald beschäftigten könnten.

Trump-Kandidatur 2024?

Und über ein weiteres Szenario spekulieren die Medien in den USA: So soll Trump mit dem Gedanken spielen, 2024 noch mal als Präsidentschaftskandidat antreten zu wollen. Ein Präsident darf in den USA nur zwei Amtszeiten haben, direkt aufeinanderfolgend müssen sie nicht sein.

Trump könnte sich in drei Jahren also wieder in den Vorwahlkampf der Republikaner stürzen. Genügend Fans scheint er in der Partei noch zu haben - der "Trumpismus" wird so schnell wohl nicht verschwinden.

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