Handys liegen im Vordergrund auf einem Tisch im Klassenzimmer.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Hauke-Christian Dittrich

Kinder und Jugendliche haben immer häufiger strafbare Inhalte auf ihren Handys.

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"Kein Unrechtsbewusstsein" – Strafbare Inhalte auf Schülerhandys

Nazi-Symbole, Kinderpornografie, Beleidigungen: Auf Schülerhandys werden immer häufiger strafbare Inhalte gefunden. Experten sagen, viele Kinder und Jugendliche wüssten nicht, was strafbar ist. Die Staatsregierung will aufklären.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Eigentlich sollte das Bild nur ein Spaß sein: Christiano Ronaldo ist darauf zu sehen. Am Arm trägt er eine Kapitänsbinde. Bloß: Auf der Binde ist nicht etwa ein Verein abgedruckt, sondern ein Hakenkreuz. Ein Jugendlicher schickt das Bild in verschiedene Chats. Kurz darauf landet er vor dem Jugendgericht in München.

Ein anderer Fall: Ein junges Mädchen ist verliebt. Sie schließt sich zu Hause im Bad ein und filmt sich dabei, wie sie sich einen Bürstenstiel einführt. Sie schickt das Video an ihren Schwarm – er leitet es an einen Freund weiter. Auch er kommt kurz darauf vor Gericht.

Kinderpornografie: Zahl der Tatverdächtigen unter 18 vervielfacht

Es sind nur zwei von vielen Fällen, die der Münchener Jugendrichter Christian Gassner in den vergangenen Jahren verhandelt hat. "Wir stellen am Jugendgericht eine Zunahme der, wie wir es nennen, Cyberkriminalität fest", sagt er im Interview mit dem BR. Besonders gravierend ist das beim Thema Kinderpornographie.

Bundesweit hat sich die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen in diesem Bereich in den vergangenen fünf Jahren circa verzehnfacht. Waren 2018 laut Polizeilicher Kriminalstatistik noch 1.373 Kinder und Jugendliche tatverdächtig, kinderpornografische Inhalte besessen, erworben oder verbreitet zu haben, waren es im vergangenen Jahr bereits 14.757.

Das Unrechtsbewusstsein fehlt

Was die Gründe für die Zunahme der Zahlen sind, ist nicht ganz klar. Zum einen wird mehr ermittelt und gefunden, meint Jugendrichter Christian Gassner. Zum anderen vermutet er, dass die Corona-Pandemie einen Einfluss hatte. "Als Folge der Pandemieschutzmaßnahmen haben sich bei den Jugendlichen die Kontaktmöglichkeiten ganz deutlich eingeschränkt", sagt er. Viele – auch Erwachsene – hätten sich aus dem echten Leben in die virtuelle Welt geflüchtet. Gassner beobachtet zudem, dass bei vielen Jugendlichen kein Bewusstsein dafür vorhanden sei, was strafbar ist.

Was ist strafbar?

So ist es etwa strafbar, wenn Schüler im Unterricht heimlich Fotos oder Tonaufnahmen voneinander machen. Sie können auch dafür belangt werden, wenn sie nationalsozialistische oder andere verfassungsfeindliche Symbole verschicken. Geht es um kinder- und jugendpornografische Inhalte, sind die Gesetze noch strenger. Hier machen sich Schüler bereits strafbar, wenn sie Fotos oder Videos besitzen – also geschickt bekommen und nicht löschen.

Die möglichen Konsequenzen von solchen strafbaren Inhalten: Wohnungsdurchsuchungen, Einziehung des Handys, erzieherische Maßnahmen, wie etwa ein Besuch in der NS-Gedenkstätte, Jugendarrest oder eine Jugendstrafe.

Justizministerium will aufklären

Bayern Staatsregierung will deswegen aufklären. "Wir wollen Jugendliche vor Straftaten und Strafverfahren schützen", sagt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). 2021 hat das Justizministerium deswegen mit dem Kultusministerium zusammen eine Kampagne gestartet. "Mach dein Handy nicht zur Waffe", heißt die. Ein Video zeigt, welche Inhalte strafbar sind und was passieren kann, auf einer Website gibt die Kampagne Infos für Eltern und Lehrer. Neben dieser Kampagne versucht auch die Polizei aufzuklären sowie ehrenamtliche Organisationen oder auch Krankenkassen.

Sozialhelfer: Aufklärung ist wichtig, aber nur ein Teil

Der Suchttherapeut Benjamin Grünbichler ist Geschäftsführer des Rosenheimer Vereins "Neon - Prävention und Suchthilfe". Seit gut einem Jahr schicken die Gerichte Jugendliche hierher, wenn sie wegen strafbarer Inhalte auf dem Handy verurteilt wurden. Hier sollen sie sich damit auseinandersetzen, wie es dazu kam.

Die Wurzel des Problems sei, so Grünbichler, dass man Kindern und Jugendlichen genau in der Phase ein Handy gebe, in der sie auch ihre sexuelle Identität suchten. Und: "Sie nutzen natürlich die Tools, die sie haben." Auch, wenn sie noch nicht reif dafür seien.

Diskussion und Vertrauen zur Prävention

Jede Aufklärungskampagne sei deswegen wichtig und richtig, sagt er. Aber man dürfe auch nicht zu viel davon erwarten, schließlich seien Internet und Handy omnipräsent. "Eine Analogie ist der Alkohol", sagt Grünbichler. "Du kannst überall aufklären, wie schädlich Alkohol ist. Aber wenn an jeder Straßenecke Werbung hängt und jedes Fest von einer Brauerei gesponsert wird, dann ist der Effekt einer solchen Kampagne minimal."

Grünbichler betont deswegen, dass es wichtig sei, zusätzlich mit Schülern ins Gespräch zu kommen. Außerdem sei Vertrauen zwischen Eltern oder Lehrern und Jugendlichen wichtig. Nur dann würden sich diese bei Problemen auch an einen Erwachsenen wenden.

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