Eine Kernschmelze in einem Atomkraftwerk tritt dann ein, wenn die Wärme, die im Innern entsteht, nicht mehr runtergekühlt werden kann. Auch im Streit zwischen CDU und CSU um die Flüchtlingspolitik ist eine Hitze entstanden, die kaum noch beherrschbar scheint. Entsprechend besorgt klingt SPD-Chefin Andrea Nahles vom Koalitionspartner.
"Für uns ist im Moment nicht erkennbar, ob beide in der Lage und willens sind, noch konstruktiv in der Regierung zusammen zu arbeiten." SPD-Chefin Andrea Nahles
Die SPD hat wenig Interesse daran, dass der Laden auseinanderfliegt. Nur mit größtem Widerwillen hatte sie sich überhaupt auf eine neue Regierung eingelassen, auf dem Weg dahin hat sich die Partei fast selbst zerlegt. Jetzt droht der Streit bei den Konservativen die Regierung zu zerstören, nach nur gut 100 Tagen.
"Wir wollen uns da gerne konstruktiv verhalten. Aber wir wollen auch Klarheit darüber haben, wie es weitergehen soll." SPD-Chefin Andrea Nahles
Parteichefs sollen Regierung wieder auf Linie bringen
Deshalb also hat die SPD den Koalitionsausschuss verlangt: sieben Personen sitzen dort heute zusammen. Für die CDU: die Kanzlerin, Unions-Fraktionschef Volker Kauder und Kanzleramtschef Helge Braun. Für die CSU: Parteichef Horst Seehofer und der Chef der CSU-Gruppe im Bundestag Alexander Dobrindt. Und für die SPD sitzen Parteichefin Nahles und Vize-Kanzler Olaf Scholz am Tisch. Als Vermittlerin sieht Andrea Nahles die SPD dabei aber nicht. "Die Probleme zwischen CDU/CSU können wir nicht lösen"
Um zu vermitteln, steht die SPD im aktuellen Streit um Zurückweisungen an der Grenze auch zu klar auf der Seite der Kanzlerin. Für eine Europäische Lösung, gegen Alleingänge. Was in Seehofers Masterplan genau drinsteht, welche Zumutungen auf die anderen Koalitionspartner vielleicht noch warten - das würde die SPD beim Koalitionsausschuss gern herausfinden, und bekommt im Vorfeld Unterstützung von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer.
"Unsere Mitglieder interessieren sich auch für diesen Masterplan, sie würden auch gern konkret wissen, was da alles an Forderungen drinsteht. Und das ist auch zunehmend ein Problem, dass wir sagen müssen: Wir haben diesen Plan nicht." CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer
Kanzlerin lotet europäische Positionen aus - CSU bleibt skeptisch
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet warnt vor einem Auseinanderbrechen von CDU und CSU. Das hätte auch Auswirkungen auf die Stabilität der Demokratie in Deutschland insgesamt, erklärte Laschet dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Von CSU-Seite kommt im Vorfeld des Koalitionsausschusses dagegen eher grimmiges Warten auf den EU-Gipfel Ende der Woche. Am letzten Wochenende in Brüssel hatte die Kanzlerin schonmal Gemeinsamkeiten mit Italien, Österreich und anderen abgeklopft. Viel Bewegung erkennt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder darin bisher nicht.
"Erkennbar ist es aber, dass die Position in einigen Fragen da schon noch sehr sehr weit entfernt ist. Und: Dass es zum Teil auch fundamental unterschiedliche Auffassungen gibt, wenn man beispielsweise die Position Italiens anschaut." Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
Welche gemeinsamen Schritte in der Flüchtlingspolitik könnten viele EU-Länder mittragen und welche nicht - darüber wird die Kanzlerin am Mittag sicher auch mit EU-Präsident Donald Tusk sprechen, wenn der zur ihr ins Kanzleramt kommt. Denn egal was der Koalitionsausschuss am Abend dann bringt: Nur mit messbaren Erfolgen beim EU-Gipfel Ende der Woche kann Kanzlerin Angela Merkel die Kernschmelze ihrer Regierung wohl noch einmal verhindern.