Mehr als eine Milliarde Euro wenden die Krankenkassen pro Jahr für kieferorthopädische Behandlungen auf. Eine enorme Summe, wenn man bedenkt, dass bundesweite Daten zur Art, Dauer und Erfolg der Behandlung fehlen.
"Auch im Sinne der Patienten ist zu klären, welche Leistungen zu Behandlungserfolgen führen." Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller
Ganz ähnlich sieht das Dr. Henning Madsen. Er ist Kieferorthopäde in Mannheim und Ludwigshafen und fordert: "Man müsste untersuchen, welche Patienten behandelt werden, mit welchem Ergebnis, mit welcher Verbesserung und man müsste das vergleichen mit unbehandelten Bevölkerungsteilen. Nur so könnte man nachweisen, dass ein gesundheitlicher Nutzen entsteht."
Zu früh für die Spange
Madsen kritisiert seit Jahren, dass in Deutschland bereits Grundschulkinder Zahnspangen verpasst bekommen, obwohl sie noch zahlreiche Milchzähne im Mund haben. Noch schlimmer sei, dass bei einem Großteil dieser Frühbehandlungen herausnehmbare Zahnspangen eingesetzt würden. Die Behandlungseffekte seien meist so bescheiden, dass anschließend doch eine festsitzende Apparatur eingesetzt werden müsse. Eine frühe Behandlung hält Henning Madsen nur in sehr wenigen Fällen für gerechtfertigt.
"Dazu würde ich vor allem die verlagerten bleiben Zähne zählen, die sich nicht von selbst einordnen können, sowie ausgeprägte Fehlbisse, die dazu führen, dass der Mund nicht richtig geschlossen werden kann." Dr. Henning Madsen
Überbehandlung in Deutschland
In Deutschland sind knapp 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen in kieferorthopädischer Behandlung. Ähnlich hoch ist die Quote nur in den Niederlanden und den USA. Henning Madsen ist davon überzeugt: "Das brauchen die mit Sicherheit nicht. Selbst in den wohlhabenden skandinavischen Ländern ist die Behandlungsquote bei 25 bis 35 Prozent. Irgendetwas läuft in Deutschland vollkommen aus dem Ruder."