"Lifeline"-Kapitän Claus-Peter Reisch (57) hat schwere Vorwürfe gegen die Europäische Union und die Regierungen ihrer Mitgliedsländer erhoben.
"Es ist beschämend, dass die EU mehr dafür tut, Seenotrettung zu verhindern, als gegen das Sterben im Mittelmeer (...) Wir diskutieren jetzt also ernsthaft, ob es legitim ist Menschenleben zu retten? Hätten wir die Leute einfach ertrinken lassen, würde ich jetzt wohl nicht vor Gericht stehen, das ist schäbig und eine Gefahr für die Demokratie."
Lifeline-Kapitän Reisch in einer schriftlich verbreiteten Stellungnahme vor seiner geplanten Landung in München
Reisch steht als Kapitän des auf Malta liegenden Rettungsschiffs "Lifeline" vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, das Schiff ohne ordnungsgemäße Registrierung in maltesische Gewässer gesteuert zu haben.
Fast eine Woche auf dem Meer ausgeharrt
Mit gut 230 Flüchtlingen an Bord musste der ehrenamtliche Kapitän der "Lifeline" im Juni fast eine Woche auf dem Meer ausharren, bis er im Hafen von Valletta anlegen durfte. Zuvor hatten sich acht EU-Staaten zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit erklärt. Inzwischen liegen mehrere Seenotretter vor Malta, die nicht auslaufen dürfen, so Reisch im Gespräch mit dem BR.
Reisch: "Seehofer muss zurücktreten"
Mindestens 277 Menschen seien ertrunken, seit die Rettungsschiffe auf Malta festgesetzt sind. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warf er vor, er wolle Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken lassen. "Er ist ein Täter, er gehört vor Gericht, er muss zurücktreten."
Ausreise nach Bayern gegen Kaution
Gegen eine Kaution lassen die Behörden Reisch ausreisen. Der 57-Jährige wird heute am Flughafen München erwartet. Der Unternehmer aus Landsberg will vor allem seine betagte Mutter besuchen.
Prozess wird am 30. Juli fortgesetzt
Der Handwerksmeister engagiert sich ehrenamtlich für die Rettung von Flüchtlingen und war auch für die Regensburger Organisation "Sea Eye" im Mittelmeer unterwegs gewesen. In knapp zwei Wochen wird Reisch nach Malta zurückkehren, weil am 30. Juli der nächste Prozesstermin bevorsteht. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Haftstrafe bis zu einem Jahr.
Heute Abend ist Claus-Peter Reisch ab 18.00 Uhr zu Gast in der "Abendschau" des Bayerischen Fernsehens.