"Ich habe geschossen" - das hat Stephan E. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main gesagt. E. hatte bereits kurz nach seiner Festnahme im Juni 2019 die Tat gestanden, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschossen zu haben. Er widerrief das Geständnis dann aber und beschuldigte Markus H., seinen mitangeklagten mutmaßlichen Komplizen. Im Januar erzählte E. einem Ermittlungsrichter, der Schuss habe sich versehentlich gelöst, als H. die Waffe gehalten habe.
"Feige und grausam"
Jetzt bekannte E. sich schuldig und formulierte öffentlich Reue für seine Tat. "Was ich und H. ihnen angetan haben, wird immer unentschuldbar bleiben", erklärte er an die Familie Lübcke gerichtet. Er habe sich von "falschen Gedanken" leiten lassen und übernehme dafür Verantwortung. Seine Tat bezeichnete er als "feige und grausam".
Angeklagter schildert Tathergang
Das Verbrechen selbst schildert E. so: Zunächst hätten beide Lübckes Terrasse kurz ausspioniert. Dann seien sie von zwei Seiten auf den sitzenden Politiker zugegangen, dabei seien Sätze gefallen wie "Zeit zum Ausreisen, Lübcke!" E. habe Lübcke in seinen Stuhl gedrückt. Als dieser aufstehen wollte, habe er ihn in den Kopf geschossen.
Paranoide Schützenbrüder
Als Anstifter nennt E. weiterhin seinen mutmaßlichen Komplizen H., der eine "Mischung aus Vater und Freund" gewesen sei. "Die Radikalisierung ging von ihm aus." E. und H. hätten sich aus der rechtsextremen Kasseler Szene gekannt und sich an E.s Arbeitsplatz wieder getroffen. Sie seien auch gemeinsam im Schützenverein aktiv gewesen. Markus H. habe Waffen gehortet, um sich auf einen bevorstehenden Bürgerkrieg vorzubereiten. E. selbst glaubte laut eigenen Angaben an Verschwörungstheorien über einen bevorstehenden "Bevölkerungsaustausch".
Drei Verhandlungstage für E.s Aussage
Insgesamt sind drei Verhandlungstage für die Aussage von E. und Rückfragen angesetzt. Die Einlassung verschob sich durch die Abberufung von E.s Verteidigers Frank Hannig. Die Bundesanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten aus Nordhessen vor, aus rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung gehandelt zu haben.
Der Anfang Juni vergangenen Jahres erschossene Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war seit einer Bürgerversammlung im Oktober 2015 in Lohfelden zur Zielscheibe von Rechtsradikalen geworden. Damals warb er um die Eröffnung einer Flüchtlingsunterkunft und wehrte sich gegen störende Zwischenrufe.
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