"Es gibt Hunderte Frauen, die mit ihren Kindern inhaftiert sind", schreibt Mesale Tolu aus dem Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy, wo sie seit nunmehr 100 Tagen inhaftiert ist und auf ihren Prozess wartet. "Wir sind nicht die einzigen, auch mit ihnen müssen wir uns solidarisch zeigen. Ich glaube daran, dass es bald sonnige Tage für uns geben wird."
Tolus kleiner Sohn lebt bei ihr, weil auch sein Vater in Haft ist und der Bub es ohne seine Mutter nicht ausgehalten hat. Ein Ball sei sein einziges Spielzeug, berichtete zuletzt sein Bruder in einem Interview mit BR24.
Tolu wendet sich in dem Brief, der vom Unterstützerkreis "Freiheit für Mesale Tolu" verbreitet wurde, auch an ihre Unterstützer: "Ich danke meinen Lehrerinnen, meinen Freunden sowie den Abgeordneten zutiefst, die mich in dieser Zeit nicht allein gelassen haben und allen, die sich mit mir solidarisiert haben."
Der Vorwurf: Mitglied in einer Terrororganisation
Von überall her erhalte sie Solidaritätsbriefe, aus vielen Ländern Europas und sogar aus Japan und Kanada. "Diese haben bewirkt, dass ich mich der Welt geöffnet habe. Euer Wille und eure Kraft geben mir Kraft und Hoffnung."
Tolu lebt in Neu-Ulm und Istanbul. Sie arbeitete als Übersetzerin und Journalistin bei einer linken Nachrichtenagentur. Am 11. Oktober soll der Prozess gegen sie beginnen. Ihr werden Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und terroristische Propaganda vorgeworfen.
Appell ans Kanzleramt
Der Neu-Ulmer SPD-Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner hält die drohende Haft von 15 Jahren für Mesale Tolu für ein "politisches Signal" an die Bundesrepublik. Es sei dramatisch, so etwas zu hören, sagte er im Interview mit dem BR-Studio Schwaben.
Brunner sagte, er mache sich noch mehr Sorgen um Tolus kleinen Sohn, der bei ihr im Gefängnis ist. Jetzt müsse über das Kanzleramt direkt mit der türkischen Regierung Kontakt aufgenommen werden, weil Tolu als deutsche Staatsangehörige auch dem deutschen Strafrecht unterliege.
Deutschland könne und dürfe sich als Rechtsstaat nicht von einem Staat unter Druck setzen lassen, der sich auf dem Weg in eine Diktatur befinde, so Brunner weiter.