Bundesjustizminister Marco Buschmann hat nach Äußerungen des Virologen Christian Drosten über ein Ende der Corona-Pandemie für ein Auslaufen aller Schutzmaßnahmen plädiert. "Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern", schrieb der FDP-Politiker am Montag auf Twitter. "Nun lautet sein Befund: Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand. Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden."
Virologe Christoph Spinner: Corona-Pandemie ist zu Ende
Auch der Münchner Infektiologe Christoph Spinner ist wie Virologe Christian Drosten der Ansicht, dass die Corona-Pandemie zu Ende ist. Das hat er im Interview mit BR24 dargelegt. Das Virus sei derzeit nur noch auf Platz fünf der häufigsten Atemwegserreger, neben anderen wie etwa der echten Virusgrippe und dem RS-Virus. Durch die gestiegene Immunkompetenz in der Bevölkerung habe das Corona-Virus durch Impfung und Genesung für die Allgemeinheit an Gefährlichkeit verloren. Für einige wenige sei Covid-19 allerdings noch immer eine gefährliche Erkrankung, sagte Spinner.
Der Virologe Christoph Spinner machte in dem Gespräch auch deutlich, dass er die Rückführung der Corona-Auflagen für richtig hält. "Heute sind Covid-spezifische Maßnahmen, gerade im Gesundheitswesen, eine große Herausforderung, weil sie die medizinischen Behandlungsabläufe verlangsamen", so Spinner. Etwa das Patienten- und Besucher-Screening führe zu erheblichem Aufwand. Der Blick nach China bereitet Spinner keine große Sorge. Die Corona-Infektionszahlen seien überall hoch. Die Immunkompetenz sei inzwischen ebenfalls so hoch, dass man vor neuen Varianten keine Angst zu haben brauche. "Die Wahrscheinlichkeit, dass wieder schwerere Erkrankungen entstehen, ist im Moment aus Sicht vieler Expertinnen und Experten und auch aus meiner Sicht sehr gering."
Holetschek: Infektionsschutzgesetz anpassen
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek rief laut eigenen Angaben den Bund auf, zu prüfen, ob das Infektionsschutzgesetz an die neue Lage angepasst werden könne. Holetschek erklärte am Montag: "Immer mehr Experten gehen davon aus, dass die Pandemie nun allmählich in eine Endemie übergegangen ist. Der Bund kann das nicht ignorieren und sollte das Infektionsschutzgesetz prüfen, an welcher Stelle es an die neue Lage angepasst werden sollte.
Der CSU-Politiker betonte: "Es ist an der Zeit, von einer Phase der Pflichten in eine Phase der Empfehlungen und der Eigenverantwortung überzugehen. Bayern macht das bereits in vielen Bereichen, und wir fahren gut damit. Der Bund sollte nun zum Beispiel prüfen, ob die Maskenpflicht im Fernverkehr noch zeitgemäß und notwendig ist."
- Zum Artikel: Corona: Holetschek kritisiert Maskenpflicht im Fernverkehr
Weltärztebund mahnt nur Vorsicht
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, mahnt jedoch zur Vorsicht. "Entspannung heißt ja nicht, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen fahren lassen kann, man muss noch ein kleines bisschen auf sich und seine Umwelt achten", warnte Montgomery gegenüber dem BR. Das belegten Erfahrungen aus dem Ausland, wo es teilweise noch Schutzmaßnahmen gebe: "Es ist ja mitnichten so, dass in den meisten Ländern außerhalb Deutschlands gar keine Vorschriften mehr gelten."
Montgomery empfiehlt das Tragen von Masken in Arztpraxen - ebenso in engen und schlecht belüfteten Innenräumen. Als Beispiel nannte er U- und S-Bahnen. "Am schönsten wäre es, wenn das über Vernunft ginge", sagte er. Wer das Tragen einer Maske im ÖPNV zu einer Grundrechtsfrage stilisiert, dem könne er "nicht mehr helfen". Er glaube, das sei den Menschen zuzumuten. Das Wichtigste sei aber, weiter zu impfen. Insgesamt habe sich die Lage aber deutlich entspannt. Der Übergang von der Pandemie in eine Endemie sei "eine Zäsur".
Ärzte plädieren für freiwilliges Masketragen nach Corona-Pandemie
Auch Ärztevertreter sprechen sich dafür aus, Schutzmaßnahmen beizubehalten. "Ist es nicht klug, dass Menschen - auch für die Zukunft -, die Infekte haben, welcher Art auch immer, und die dann ansteckend sind, sich ein paar Tage lang isolieren, zurücknehmen, mit ein bisschen Umsicht und Nachsicht darüber nachdenken, inwieweit sie sich in Menschenansammlungen begeben?", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, im Deutschlandfunk. Er stellte allerdings infrage, "inwieweit wir noch rechtliche Maßnahmen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes brauchen".
Drosten hält Immunität in der Bevölkerung für belastbar
Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité, hatte dem "Tagesspiegel" gesagt, Deutschland erlebe in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, "nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei". Die Immunität gegen Sars-CoV-2 werde nach dem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne, sagte Drosten. Anders könnte es seiner Einschätzung nach zwar bei einem weiteren Mutationssprung des Erregers kommen. "Aber auch das erwarte ich im Moment nicht mehr."
Die Auffassung, dass der pandemische Zustand überwunden ist, teilen inzwischen mehrere Experten in Deutschland.
- Zum Artikel: Ende der Corona-Pandemie - und jetzt?
Länder gehen unterschiedlich mit Corona-Regeln um
In den Bundesländern, die Corona-Schutzmaßnahmen wie Isolationspflicht und Maskenregeln im öffentlichen Nahverkehr selbst festlegen, gelten derzeit noch unterschiedliche Auflagen zur Pandemiebekämpfung.
So ist die Maskenpflicht im Nahverkehr in Bayern und Sachsen-Anhalt bereits weggefallen, in Schleswig-Holstein läuft sie zum Jahresende aus. Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben sich von der Isolationspflicht bei positivem Test verabschiedet - und setzen stattdessen auf eine verschärfte Maskenpflicht für Infizierte.
Andere lassen mehr Vorsicht walten. Für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gilt: Erst einmal gut durch den Winter kommen. Die Landesregierung in Schwerin möchte die Isolationspflicht und die Maskenpflicht im Nahverkehr frühestens nach dem Winter kippen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will im Januar neu entscheiden, wie es weitergeht – betont aber schon jetzt, dass ihm Eigenverantwortung beim Masketragen im Nahverkehr wichtig sei.
Mit Informationen von dpa und AFP
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