Am liebsten wäre es der SPD, der Druck läge noch - oder wieder - bei den Jamaika-Parteien. Parteivize Ralf Stegner sagte, man müsse schon nochmal fragen, was denn mit den Parteien sei, die wochenlang erzählt hätten, sie könnten es besser. Der Druck auf Union, Grüne und FDP müsse noch ein bisschen bleiben.
Stegner bezeichnet Neuwahlen als "Armutszeugnis"
Doch im Laufe des Tages erhöhte Stegner selbst den Druck auf seinen Parteichef Martin Schulz. Der hatte am Montag den SPD-Vorstand beschließen lassen, die Bürger müssten jetzt die Lage neu bewerten; die SPD scheue Neuwahlen nicht. Heute diktierte Parteivize Stegner der dpa: " Neuwahlen wären ein Armutszeugnis."
Turbulente Fraktionssitzung mit Kritik an Schulz
Stegner ist bei weitem nicht der einzige, der Schulz inzwischen widerspricht. Bei der SPD-Fraktionssitzung am Montag soll es hoch hergegangen sein, so turbulent, wie es selbst langjährige Beobachter noch nicht erlebt haben. Die Kritik: Die Parteiführung dürfe nicht so tun, als verweigere sich die SPD jeglichen Gesprächsangeboten der Union - und als gebe es nur die beiden Alternativen Neuwahlen oder Große Koalition. Die SPD-Basis mag sich offenbar mit keiner dieser beiden Optionen anfreunden. Martin Burkert, Chef der Bayern-SPD im Bundestag, sagt, wenn man dort nach Neuwahlen frage, sagten 90 Prozent Nein - und wenn man nach einer erneuten großen Koalition frage ebenfalls.
Was aus SPD-Sicht für Neuwahlen spricht …
Fragt sich nur, was so viele in der SPD plötzlich gegen Neuwahlen haben. Denn wäre das nicht das Beste für die SPD? Ein Wahlkampf, in dem man mit dem Finger auf die gescheiterten Jamaika-Parteien zeigen könnte? In dem sich die SPD als seriöse Alternative präsentieren könnte, mit der Botschaft: Wer eine SPD-Regierung will, muss eben auch SPD wählen?
… und was dagegen
Vielleicht. Aber die Zweifel sind groß. Die Partei ist mitten im Neuaufbau, der Chef Martin Schulz ramponiert, die Wahlkampfkassen sind leer, die Wahlkämpfer müde. Außerdem hat so mancher SPD-Abgeordnete Angst um seinen Job; weiß nicht, ob er sein Direktmandat verteidigen kann oder ob sein Listenplatz noch reicht. Denn das Selbstbewusstsein, bei einer Neuwahl besser abzuschneiden als beim Debakel im September, scheint in der SPD nicht besonders groß zu sein.
Und so erinnert Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel an Hessen, wo 2008 Ministerpräsident Koch ohne Mehrheit regierte. Damals regierte die Union geschäftsführend ohne Mehrheit, laut Schäfer-Gümbel in einer faktischen Minderheitsregierung. Der SPD-Vize findet, das sei keine schlechte Zeit gewesen; man habe Debatten jenseits von Koalitionsgrenzen geführt und zum Beispiel die Studiengebühren abgeschafft.
Diskussion über Minderheitsregierung und "Kenia-Bündnis"
Über eine Minderheitsregierung wird in der SPD diskutiert, aber augenscheinlich nur als eine von mehreren, schlechten Optionen. Sogar eine sogenannte Kenia-Koalition ist kein Tabu, also ein Bündnis aus Union, SPD und Grünen, für das die Grünen rechnerisch gar nicht gebraucht würden.
Klar scheint nur, dass sich viele in der SPD nach dem Scheitern von Jamaika offen für Gespräche zeigen wollen. Die oberpfälzische SPD-Abgeordnete Marianne Schieder zum Beispiel. Sie findet, es wäre "kindisch" zu sagen, man wolle über eine große Koalition nicht einmal sprechen. "Geredet werden muss auf alle Fälle."
Neuwahlen nach erfolglosen Gesprächen mit Union?
Schieder ist gegen Neuwahlen - wegen der leeren Wahlkampfkassen, wegen der müden Wahlkämpfer und weil sie sich von einer Neuwahl kein besseres Ergebnis für die SPD verspricht. Jedenfalls nicht jetzt. Schieder sagt: "Wenn wir jetzt mit der Union Gespräche führen und wir stellen dann fest: Wir kommen auf keinen grünen Zweig mit der Union. Dann können wir in Neuwahlen gehen."