Unter dem Hashtag #NichtohnemeinKopftuch wurden am Sonntag, den 15. April, tausendfach Informationen verbreitet, die ganz offensichtlich eines vermitteln sollten: Eine gute Muslima verzichtet auf keinen Fall auf ihr Kopftuch.
So hieß es zum Beispiel: "Es gibt nicht ein rationales Argument gegen das Kopftuch. Diese ganze Aktion und die Meinungen der Politiker zeigen uns, dass sie nur aus purem Hass handeln." Ein anderer User schrieb: "Der deutsche Staat möchte sehen, wie weit er gehen kann. Heute ist es das Kopftuch, Morgen ist es der Islam als Ganzes." Die Massen-Tweets zeigten Wirkung: Der Hashtag #NichtohnemeinKopftuch landete auf Platz drei der Twitter-Trends - vor allem dank der Unterstützung der "Generation Islam", einem Netzwerk, das von Experten als islamistisch eingeordnet wird. So nennt der Verein Ufuq, der sich in Deutschland mit den Themen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus "Generation Islam" im Kontext salafistischer Propaganda.
Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen
Auslöser war ein Vorstoß der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Diese diskutiert derzeit ein Kopftuchverbot für muslimische Mädchen unter 14 Jahren. "Einem Mädchen ein Kopftuch überzustülpen, ist pure Perversion", sagte NRW-Staatssekretärin Serap Güler dem WDR. Unterstützt wird dieser Vorstoß auch vom Psychologen Ahmad Mansour:
"Das Verbot ist keine Diskriminierung, keine Stigmatisieurng von muslimischen Kindern. Es ist die einzige vernünftige Lösung, um Mädchen eine Kindheit zu ermöglichen jenseits von Ideolgien, Sexualisierung und Missbrauch ihrer Eltern." Psychologe Ahmad Mansour auf Facebook
Aufgrund derartiger Ansichten gilt Mansour unter Islamisten als antimuslimischer Hetzer. Für sie war die Aktion #NichtohnemeinKopftuch eine willkommene Gelegenheit, Leute wie ihn als Pseudomuslime zu brandmarken.
Drei Viertel der Tweets von "Generation Islam"
Der Datenanalyst Luca Hammer analysierte auf Twitter 77.000 einschlägige Tweets. Das Ergebnis: 78 Prozent stammten aus dem Umfeld der "Generation Islam".
"Professionell gemachte Videos mit Titeln wie 'Der neue Jude: der ewige Muslim', die von Initiativen wie 'Generation Islam' in sozialen Netzwerken verbreitet werden, erreichen nicht selten innerhalb von Tagen zehntausende Zuschauer. Angesichts der aktuellen Diskussionen um die Rolle des Islam in der Gesellschaft und des breiten Zuspruchs für islamfeindliche Positionen vermitteln diese Beiträge Jugendlichen das Gefühl, mit ihren Erfahrungen und Sorgen anerkannt und ernst genommen zu werden. Dabei geht es den Machern nur vordergründig um die Bekämpfung von Diskriminierungen und Rassismus." Götz Nordbruch, Islamwissenschaftler bei ufuq.de
Opferideologie und "Kampf gegen den Islam"
Im Mittelpunkt steht dem Islamwissenschaftler Götz Nordbruch zufolge "die Verbreitung einer Opferideologie, in der der Konflikt zwischen Muslimen und Nichtmuslimen unausweichlich scheint". Der "Westen" führe laut diesem Narrativ einen "Krieg gegen den Islam", weshalb ein Zusammenleben als wahrhaft Gläubiger mit Nichtmuslimen unmöglich sei. Die Vorgehensweise von "Generation Islam" ist also nicht vollkommen neu. Aber das Mittel hat sich bewährt. Auch Massenmedien berichteten über die Initiative.
Irfan Peci, ein Dschihadisten-Aussteiger aus Weiden in der Oberpfalz, findet es schade, dass eine wichtige Diskussion von einer Initiative wie "Generation Islam" offensichtlich überlagert und dominiert wird. Für Peci ist das Kopftuch kein Problem. Für viele Frauen sei es weniger ein religiöses Symbol, sondern vielmehr ein modisches Accessoire.
Politische Einmischung mit Videos
Auch "Generation Islam" mischt sich immer wieder mit Videobotschaften in das politische Geschehen ein. Götz Nordbruch nennt als Beispiel ein Video, das kurz vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr im Youtube-Kanal der Organisation auftauchte. Darin geht es in erster Linie um die Frage, ob ein Muslim sich an der Wahl beteiligen sollte oder nicht. Ein junger Mann erklärt darin, "dass ein Muslim weder im Bundestag sein darf, noch darf er irgendjemandem seine Vollmacht geben, dort in seinem Namen Gesetze zu machen". Zudem erklärt er, dass eine Teilnahme überhaupt nur dann möglich sei, "um unsere Interessen als Muslime hier irgendwie verwirklichen zu können, weil wir den Gesetzen Allahs nachkommen wollen".
In dieser Art der politischen Beteiligung unterscheidet sich "Generation Islam" aus Sicht des Islamwissenschaftlers Nordbruch von bekannten Salafisten-Predigern wie Pierre Vogel. Dieser würde sich so offensiv, wenn überhaupt, selten ins politischen Geschehen einmischen.