Kremlchef Wladimir Putin, der am Freitag wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine vom Internationalen Strafgericht (ICC) in Den Haag per Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben worden war, ist erstmals seit dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 in die besetzten Gebiete gereist. Er besuchte die Halbinsel Krim sowie die Stadt Mariupol. In der kommenden Woche wird Putin dann Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Moskau empfangen - eine Gelegenheit, um zu zeigen, dass er international nicht ganz isoliert ist.
Putin besucht besetzte Gebiete in der Ukraine
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, Putin habe bei seinem unangekündigten Besuch in Mariupol einen Militärposten "in seinem normalen Betriebsablauf" inspizieren wollen. Nach seiner Ankunft mit einem Hubschrauber habe er sich bei einer Rundfahrt über die Lage informiert und sich auch mit Bewohnern der Stadt unterhalten, teilte der Kreml weiter mit. Russlands stellvertretender Regierungschef Marat Chusnullin habe Putin über den Stand der Wiederaufbauarbeiten informiert. "Die Menschen beginnen, in die Stadt zurückzukehren", sagte Chusnullin. In Mariupol gebe es außerdem wieder Straßenbeleuchtung und Busverkehr.
Im Newskyj-Distrikt der Hafenstadt hat Putin offenbar Anwohner getroffen; der staatliche Fernsehsender Rossija 24 zeigte, wie er mit Zivilisten vor einem anscheinend neugebauten Wohnkomplex sprach und sich eine der Wohnungen zeigen ließ.
Als russische Truppen Mariupol nach erbitterten Kämpfen im vergangenen Jahr einnahmen, waren dort nur noch 100.000 der vor der Invasion 450.000 Einwohner vor Ort. Es gab keinen Strom, kein Wasser, keine Heizung oder Lebensmittel. Russische Raketen hatten eine Geburtsklinik und ein Theater getroffen. Dabei waren rund 300 Menschen ums Leben gekommen, die in dem Gebäude Schutz gesucht hatten.
Putin besucht Krim am neunten Jahrestag der Annexion
Gestern hatte Putin zum neunten Jahrestag der Annexion die Halbinsel Krim besucht. Dort besichtigte er unter anderem ein Kinderzentrum. In einem Interview des russischen Staatsfernsehens äußerte er sich rückblickend zur Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel im Jahr 2014.
Damals sei Russland nicht für einen großen Krieg gegen die Ukraine gerüstet gewesen. "Wir hatten damals keine Hyperschallwaffen, aber jetzt haben wir sie", sagte Putin. Russland setzt die Hyperschallwaffen bisher gelegentlich ein. "Es gibt auch noch andere moderne Systeme, 2014 gab es noch nichts Vergleichbares", sagte er und behauptete erneut, Russland habe den Konflikt um die Ukraine damals friedlich lösen wollen.
Ukraine wirft Putin nach Besuch in Mariupol Zynismus vor
Die ukrainische Regierung verurteilte den Besuch von Kreml-Chef Wladimir Putin in der von Russland besetzten, ukrainischen Hafenstadt Mariupol scharf. "Verbrecher kehren immer an den Tatort zurück", schrieb der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Michailo Podoljak, auf Twitter. "Der Mörder von Tausenden von Familien in Mariupol kam, um die Ruinen der Stadt und ihre Gräber zu bewundern. Zynismus und mangelnde Reue", fügte er hinzu.
Das ukrainische Verteidigungsministerium erklärte, Putin habe die Stadt im Schutze der Nacht besucht, "so wie es sich für einen Dieb gehört". Die Dunkelheit habe es ihm ermöglicht, die Stadt "und ihre wenigen überlebenden Einwohner vor neugierigen Blicken" zu schützen.
Auch der Exil-Stadtrat von Mariupol erklärte, Putin habe die Stadt offenbar bei Nacht besucht, "um die durch seine 'Befreiung' vernichtete Stadt nicht bei Tageslicht zu sehen". Der Stadtrat bezeichnete den russischen Präsidenten als "internationalen Verbrecher".
Besuch Xi Jinpings in Russland geplant
Kurz nach Putins Rückkehr wird Chinas Staatschef Xi Jinping seine erste Auslandsreise seit Beginn seiner dritten Amtszeit nach Moskau antreten. China setzt auf Öl und Gas der Energiegroßmacht. Russland wiederum hofft unter dem wirtschaftlichen Druck der westlichen Sanktionen auf Hilfe Chinas vor allem auch bei der Lieferung von Mikrochips und anderen technologischen Bauteilen und technischen Ausrüstungen. Positiv für den Verlauf der Gespräche dürfte sein, dass China das Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag von Freitag nicht anerkennt. Dieses hatte einen Haftbefehl gegen Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen. Die Ermittler machen ihn für die Verschleppung von Kindern aus den von russischen Truppen besetzten ukrainischen Gebieten verantwortlich.
Moskau bestreitet Kriegsverbrechen und betont, die Kinder seien vor dem Krieg in Sicherheit gebracht worden - der in Russland nur "militärische Spezialoperation" genannt werden darf. Dagegen wirft die Ukraine dem russischen Aggressor eine zwangsweise "Russifizierung" der Kinder vor. "Es wäre unmöglich, solch eine kriminelle Operation ohne den Befehl des obersten Anführers des Terrorstaates umzusetzen", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er beklagt seit langem, dass Kinder durch Umerziehung und Indoktrinierung ihrer ukrainischen Identität beraubt würden.
Haftbefehl gegen Putin - Scholz begrüßt Entscheidung
Westliche Spitzenpolitiker wie US-Präsident Joe Biden halten den Haftbefehl für gerechtfertigt. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, dass niemand über Recht und Gesetz stehe. "Der internationale Strafgerichtshof ist die richtige Institution, Kriegsverbrechen zu untersuchen", sagte Scholz auf einer Pressekonferenz in Tokio. Er fügte hinzu: "Und es ist so, dass niemand über Recht und Gesetz steht."
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, Deutschland sei verpflichtet, Präsident Putin zu inhaftieren und an den Strafgerichtshof zu übergeben, falls er deutschen Boden betrete. Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, warf Deutschland daraufhin einen Eskalationskurs vor.
Russland und Ukraine verlängern Getreideabkommen
Mit der Verlängerung des Getreideabkommens, auf die sich Russland und die Ukraine geeinigt haben, ist angesichts der aktuellen Entwicklungen ein Lichtblick. Ohne eine Einigung wäre das Abkommen am 19. März ausgelaufen. Unklar ist noch, ob die Laufzeit 60 oder 120 Tage beträgt.
Die Vereinbarung zur Schwarzmeer-Getreide-Initiative war unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Juli 2022 zustande gekommen. Sie sieht eine Freigabe der ukrainischen Häfen und einen Korridor im Schwarzen Meer für den Getreideexport vor. Russland hatte nach Beginn seines Angriffskrieges am 24. Februar 2022 monatelang ukrainische Getreideausfuhren blockiert.
Gefechte in der Ukraine halten an
In der Ukraine gehen die Kämpfe indes weiter. Durch einen russischen Beschuss mit Streumunition kamen in der ostukrainischen Stadt Kramatorsk nach Angaben örtlicher Behörden mindestens zwei Menschen ums Leben. Acht weitere Personen seien zudem verletzt worden, drei davon schwer, teilte der ukrainische Militärgouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf seinem Telegram-Kanal mit.
Mit Information von dpa, AFP und AP
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