Um seine brutalen Absichten im Ukraine-Krieg zu verschleiern, bedient sich Kreml-Chef Wladimir Putin einer militärisch-technischen Sprache: Den Überfall auf das Nachbarland Ukraine nennt er "Spezialoperation", Zwangsabstimmungen in den annektierten ukrainischen Gebieten werden bei ihm zu "Referenden" und als militärisches Ziel propagiert er die "Entnazifizierung" der Ukraine. Fünf Beispiele für russisches Framing.
Evakuierung
In Erwartung eines russischen Angriffs hat Russland die "Evakuierung" der annektierten ukrainischen Region Cherson angeordnet. Einwohner Chersons würden auf das Ost-Ufer des Flusses Dnjepr oder nach Russland gebracht, hieß es von der russischen Bezirksregierung. Weil die ukrainische Armee in den vergangenen Wochen Brücken über den Dnjepr unpassierbar gemacht hat, werden die Menschen sogar per Dampfer ausgefahren.
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Der Begriff "Evakuierung" suggeriert eine Rettungsaktion angesichts drohender Gefahr. Unter anderem der ukrainische Präsidentenberater Andrij Jermak beteuerte im Onlinedienst Telegram jedoch, ukrainische Kräfte feuerten "nicht auf ukrainische Städte".
Ebenso wenig wird von Moskau erwähnt, dass die sogenannten Evakuierungen nur in eine Richtung stattfinden: ostwärts. Kiew wirft Russland vor, der Schritt komme einer "Deportation" gleich. Es sei Moskaus Absicht, "eine Art Panik in Cherson" zu schüren und eine "Propaganda-Show" zu kreieren, sagte Serhij Chlan, Berater des Regionalgouverneurs von Cherson.
Spezialoperation
Bereits lange vor Kriegsbeginn hat die russische Regierung in ihrem Land den Glauben verbreitet, Russland sei einer fortwährenden Bedrohung durch den Westen ausgesetzt. Dieses Narrativ strickt Putin weiter, indem er den Überfall als "militärische Spezialoperation" bezeichnet. Er will offenbar das Gefühl vermitteln, man sei einem Angriff der Ukrainer nur knapp zuvor gekommen - und handle, um das eigene Land zu schützen. Das untermauern Behauptungen wie jene, dass zuerst Geschosse von ukrainischer Seite aus auf Ziele im Donbass abgefeuert worden seien: Der Angreifer wird zum Angegriffenen.
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Wie wichtig es für die russische Regierung ist, dass die Menschen weiterhin an eine Spezialoperation glauben und die Kämpfe in der Ukraine nicht mit dem Begriff des "Krieges" in Verbindung bringen, zeigte ein im März erlassenes Gesetz: Es sieht drakonische Haftstrafen gegen missliebige Berichterstattung über die russische Armee vor - auch für ausländische Medien. Bis zu 15 Jahre Haft drohen für die Verbreitung von sogenannten "Fake News" über die Armee. Auch die Wörter "Angriff", "Invasion", und "Kriegserklärung" haben nach Ansicht des Kreml in der Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine nichts verloren.
Volksrepubliken
Die beiden von prorussischen Separatisten selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk entstanden bereits 2014, nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Moskau. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs wurden sie von Russland als unabhängige Staaten anerkannt. Dort begann Putins "militärische Friedensmission". Später wurden die Gebiete von Russland einverleibt. Kein Land der Welt erkennt diese völkerrechtswidrige Annexion an.
Donezk und Luhansk liegen im Donbass, das Gebiet ist für seine reichen Kohlevorräte bekannt - und deshalb wirtschaftlich wichtig. Außerdem besteht ein Zugang zum Meer. Früher lebten in den Regionen mehr ethnische Ukrainer. Nach den Selbsternennungen 2014 fand jedoch eine Fluchtbewegung in Richtung Kiew statt. Moskau unterstützte die Regionen fortan mit Geld.
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Entnazifizierung
In seiner Propaganda bedient sich der Kreml-Chef zahlreicher Analogien aus dem Dritten Reich. Sie bieten ihm eine vermeintliche Rechtfertigung für die Gräueltaten in der Ukraine: Putin inszeniert einen Kampf gegen den Faschismus, wie ihn die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg (der in Russland übrigens die heroische Bezeichnung "Großer Vaterländischer Krieg" trägt) gegen das Hitler-Regime führte.
In seiner TV-Ansprache kurz vor Kriegsbeginn zeichnete Putin das Bild eines Russlands, das als Schutzmacht für seine Landsleute im Ausland fungiere: Die Ukraine sei voller "Neonazis und Faschisten", dort würden "Menschen verfolgt, nur weil sie aus Russland stammen", erläuterte er. Dabei zog er klare Vergleiche zum Vorgehen der Nationalsozialisten gegen die jüdische Bevölkerung: Kinder dürften nicht mehr zur Schule gehen, Erwachsenen werde gekündigt, russische Kultur und Literatur werde verboten. Besonders abstrus: Selbst den jüdischen Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, bezeichnete Putin wiederholt als "Nazi".
Als Beleg für die Worte Putins bringen Anhänger des Kreml-Chefs gerne das Asow-Regiment an. Sie sehen es als Beweis dafür, dass die ukrainische Armee von Nazis unterwandert sei und rechtsextreme, ultranationale Kräfte in der Ukraine das Sagen hätten.
Wichtig ist dabei jedoch der Unterschied zwischen dem Asow-Regiment und der Asow-Bewegung: Letztere ist der politische Arm, das Regiment der militärische. Laut Informationen aus Sicherheitsbehörden spielt beim Regiment eine rechtsextreme Ideologie "eher eine untergeordnete Rolle" – auch wenn zum Beispiel auf deren Flagge noch immer rechtsextreme Symbole zu sehen sind. So oder so bildet das Asow-Regiment laut Experten nur einen kleinen Teil der ukrainischen Kämpfer insgesamt und kann nicht als Pars pro Toto für das gesamte ukrainische Militär herangezogen werden
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Referenden
Die sogenannten "Referenden" in den ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson sind eine weitere Schöpfung der Kreml-Propaganda. Sie ebneten Putin kürzlich den Weg für eine völkerrechtswidrige Annexion besagter Gebiete, gestützt durch den Mythos, es handle sich dabei um den Willen der Bevölkerung.
Dass die Abstimmungen unter Zwang stattfanden, die Stimmzettel in gläserne Urnen geworfen werden mussten und Soldaten die Wahlberechtigten teils mit gezogener Waffe in ihren Häusern aufsuchten, unterschlägt der russische Präsident freilich. Für ihn ist die Annexion keine widerrechtliche Grenzverschiebung, sondern die Erfüllung des Wunschs "von Millionen Menschen", die in "ihre historische Heimat zurückzukehren" wollen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) entgegnet mit klaren Worten: "Dies ist das Gegenteil von freien und fairen Wahlen. Und dies ist das Gegenteil von Frieden. Es ist der diktierte Frieden, der Diktatfrieden".
Kreml-Propaganda und Einschüchterungen nehmen zu
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sieht angesichts der heftigen Unterdrückung abweichender Meinungen seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ein wachsendes "Klima der Angst und Einschüchterung" in Russland . Die Repressionen hätten seit 2012 schrittweise zugenommen und mit den nach Kriegsbeginn verabschiedeten Gesetzen ihren Höhepunkt erreicht, heißt es in einem OSZE-Bericht.
Das mehr als 120 Seiten umfassende Dokument kritisiert den Einsatz von Strafgesetzen, Gewalt gegen Aktivisten der Zivilgesellschaft und Propaganda in Russland. Als Beispiel wird etwa die Bestrafung von "Falschinformationen" über die russische Armee genannt. Die Regelungen hätten dazu geführt, dass Aktivisten, Journalisten, Anwälte und Nichtregierungsorganisationen ihre Aktivitäten eingeschränkt, aufgegeben oder das Land verlassen haben. Mit anderen Worten: Die russische Propaganda-Maschine läuft auf Hochtouren.
Mit Informationen von AFP und dpa
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