02.04.2022, Frankreich, Nanterre: Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, steht während einer Wahlkampfveranstaltung auf der Bühne.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Julien Mattia
Bildbeitrag

02.04.2022, Frankreich, Nanterre: Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, steht während einer Wahlkampfveranstaltung auf der Bühne.

Bildbeitrag
>

Fünf Jahre Präsident: Die Bilanz von Emmanuel Macron

Fünf Jahre Präsident: Die Bilanz von Emmanuel Macron

Emmanuel Macron hat seine erste Amtszeit als französischer Präsident hinter sich, eine zweite soll folgen. Wirtschaftlich kann sich seine Bilanz sehen lassen. Trotzdem bedeutet das für den einzelnen Franzosen wenig.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Fünf Jahre sind vorbei. Nun stellt sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der damals mit seiner Bewegung "En Marche" das alte Parteiensystem sprengte, der Stichwahl für das höchste Amt im Staat. Macron betonte 2017, wie wichtig es sei, die alten Gräben zu schließen. Er sei weder Links noch Rechts, genauso wie der erste Präsident der Fünften Republik, General Charles de Gaulle. Welche Bilanz kann Macron vorweisen? Ein Auszug.

Wirtschaft

Schaut man auf die ökonomischen Faktoren, so ist Frankreich sehr gut in den Pandemiejahren zurechtgekommen. 2021 erzielte es ein Wachstum um sieben Prozent und steht bei EU-Ländern, die von der Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl vergleichbar sind, an der Spitze. Deutschlands Wirtschaft legte im selben Zeitraum um 2,8 Prozent zu.

Macron und seine Regierung investierten vergleichsweise viel mehr Geld in die heimische Wirtschaft. Die Devise lautete: "Quoi qu’il en coûte", was es auch kosten mag. Dadurch stieg allerdings auch die Staatsverschuldung massiv an, um rund 600 Milliarden Euro. Wie diese finanziert werden soll, ist kein großes Wahlkampfthema. Macron kündigte allerdings an, das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre anheben zu wollen, um so auch glaubhafter gegenüber europäischen Partnern auftreten zu können.

Arbeitsmarkt

Zwischen Ende 2017 und Ende 2021 sind eine Million neue Jobs geschaffen worden. Die Arbeitslosigkeit fiel auf ein 15-Jahres-Tief. Frankreich reformierte außerdem die Ausbildung junger Leute und nahm sich etwa am dualen Ausbildungssystem Deutschlands ein Beispiel. Heute bilden viele Unternehmen, egal ob privat oder staatlich, junge Menschen aus. Dadurch sank auch die Jugendarbeitslosigkeit im Land rapide. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen blieb hingegen stabil.

Kaufkraft

Es ist das entscheidende Thema bei dieser Wahl: Wie viel haben die Franzosen im Geldbeutel und wie viel können sie sich damit leisten? Schaut man auf die Zahlen, so hat der durchschnittliche französische Haushalt laut dem Institut OFCE (Observatoire français des conjonctures économiques) 1.470 Euro mehr im Jahr als noch vor fünf Jahren. Diese Zahl will aber nicht viel heißen. Das Einkommen und die Produktivität (gemessen in Bruttoinlandsprodukt pro Kopf) liegen in Frankreich trotz guter wirtschaftlicher Werte immer noch deutlich hinter denen Deutschlands zurück.

Die Energieabhängigkeit ist in Frankreich aufgrund der vielen Atomkraftwerke geringer – auch weil im Gegensatz zu Deutschland viele Häuser mit Strom und nicht mit Gas beheizt werden – und die Inflation dadurch geringer, Lebensmittelpreise liegen hierzulande jedoch deutlich über den deutschen. Die Inflation hat vor allem arme Haushalte und die der unteren Mittelschicht getroffen. 60 Prozent der französischen Haushalte geben an, sie könnten sich weniger leisten als noch vor wenigen Monaten.

Und das, obwohl die Regierung seit Wochen versucht, gegenzusteuern. Etwa durch Tankzuschüsse, Einfrieren von Energiepreisen und eine Hilfe in Höhe von 100 Euro für arme und mittlere Haushalte. Viele Franzosen haben allerdings den Eindruck, dass der Staat seine vielen Hilfen (die ersten gab es schon seit der Gelbwesten-Bewegung 2018 und 2019) sich an anderer Stelle zurückholt. Etwa durch die hohen Spritsteuern.

Soziale Ungleichheit

Zwar ist die Beschäftigungslage besser als vor der Wahl 2017, doch die viel zitierte Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Macron handelte sich den Spitznamen "président des riches", der Präsident der Reichen, gleich zu Anfang seiner Amtszeit ein, als er die Vermögensteuer abschaffte sowie die Belastungen für Unternehmen senkte.

Der Aktienindex Cac 40 stieg seit seinem Amtsantritt um knapp 30 Prozent. Zum Vergleich: Der Dax im gleichen Zeitraum nur um 19 Prozent. Das Unternehmertum bekam Rückenwind. Inzwischen sind in Frankreich 26 sogenannte Einhörner ansässig, also Start-ups, die mehr als eine Milliarde wert sind und vor einem Börsengang oder Exit stehen. Von dieser zurückgewonnenen Wettbewerbsfähigkeit scheinen allerdings nicht genügend Franzosen zu profitieren.

Gesundheit

Jahrzehntelang war man in Frankreich stolz auf sein Gesundheitssystem – bis zum Ausbruch der Pandemie. Damals wurde schnell klar, dass viel zu wenige Betten vorrätig waren, viel weniger als in Deutschland. Inzwischen haben Macron und seine Regierung nachgebessert. Nachdem Frankreich eine sehr schlimme erste und zweite Pandemiewelle erwischte, erkennen inzwischen selbst Macron-Gegner seine Qualitäten als Krisenmanager an. Die Impfkampagne verlief wesentlich erfolgreicher als in Deutschland.

Ähnlich wie hierzulande gibt es in Frankreich einen Ärztemangel auf dem Land. Die Regierung schaffte zwar vor zwei Jahren den Numerus Clausus für das Fach ab. Die frühesten Ergebnisse davon werden jedoch erst in zehn Jahren zu sehen sein.

Ökologie und Klima

Franzosen haben einen wesentlich kleineren CO2-Fußabdruck als Deutsche. Pro Kopf pusten Franzosen laut Eurostat 6,7 Tonnen CO2 in die Luft, Deutsche 10,1 Tonnen. Das liegt vor allem daran, dass Frankreich weniger auf Kohle und Gas angewiesen sind. 69 Prozent macht die Kernenergie am französischen Strommix aus.

Und bis 2050 plant Macron 14 weitere Druckwasserreaktoren des Typs EPR2. Allein die ersten sechs, die bis 2035 ans Netz gehen sollen, kosten zwischen 50 bis 65 Milliarden Euro. Dazu investiert Macron eine Milliarde Euro in den Bau von Minireaktoren (SMR). Die Atomenergie bremst den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Hier lag der Anteil der produzierten Energie nur bei 25,4 Prozent im Jahr 2020. Ein Endlager für die radioaktiven Abfälle gibt es nicht. Trotzdem empfinden nicht wenige aufgrund des Krieges in der Ukraine die Unabhängigkeit durch Atomkraft als gut und weitsichtig.

Innenpolitik und Sicherheit

Macron hatte zum Anfang seiner Amtszeit 10.000 neue Polizisten versprochen. Dieses Versprechen wird er voraussichtlich bis Ende des Jahres einhalten. Doch noch immer gibt es viel zu wenige Plätze in französischen Gefängnissen. In diesen versuchen Islamisten häufig, Kleinkriminelle auf ihre Seite zu ziehen und neue Anhänger für ihre Ideologie zu gewinnen. Die französische Gesellschaft ist durch die vielen islamistischen Attentate der vergangenen Jahre gezeichnet. Auch deshalb hat die extreme Kandidatin Marine Le Pen große Zustimmung.

Parteiensystem und Demokratie

Emmanuel Macron hatte vor fünf Jahren einen so großen Zuspruch, weil die große Mehrheit der Franzosen genug von den Parteien hatte, die die Republik in den vergangenen Jahrzehnten geprägt hatten. Er sei weder links noch rechts, betont der Präsident bis heute – und die einzige Alternative gegen die Extreme.

Tatsächlich ist diese Strategie demokratietechnisch gefährlich, denn so läuft es zwangsweise auf eine Konfrontation hinaus zwischen den globalisierungsfreundlichen Macron-Anhängern und denen, die den weltweiten Entwicklungen skeptisch gegenüberstehen. Die Politikverdrossenheit stieg in Macrons Amtszeit noch weiter. Immer weniger Menschen trauen den politischen Eliten zu, ihre Probleme lösen zu können.

Stimmungsbild zu Macrons Person

Der Demoskop Mathieu Gallard vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos drückte es gegenüber BR24 so aus, dass die Mehrheit der Franzosen der Meinung sei, Macron sei ein guter Krisenmanager und der Kandidat mit dem Format eines Staatsmannes. Er werde als derjenige wahrgenommen, der mit Putin verhandeln kann.

Hingegen mögen viele ihn persönlich nicht, empfinden ihn als abgehoben und werfen ihm vor, wie der römische Gott Jupiter über allem zu schweben. Ganz im Gegensatz zu seiner Gegenkandidatin Marine Le Pen, die auf kleinen Marktplätzen Kundgebungen abhält und mit einfachen Leuten in Dörfern und Kleinstädten ins Gespräch kommt. Dieser persönliche Faktor kann eine entscheidende Rolle spielen.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!