Die Bürgerversicherung soll für mehr Gerechtigkeit sorgen. In die mittel- bis langfristig gesehen alle in ein System einzahlen und Anspruch auf die gleichen Leistungen haben. Damit kann sich niemand mehr der solidarischen Finanzierung der Krankheitskosten entziehen. Wer heute privat versichert ist, kann das auch bleiben, wenn er will – aber wer sich erstmalig krankenversichert, geht automatisch in die Bürgerversicherung.
Verbessert die Bürgerversicherung die medizinische Versorgung?
Ja – argumentiert die SPD. Die Bürgerversicherung sei das Ende einer Zweiklassenmedizin. Kassenpatienten müssten nicht mehr zu Gunsten von Privatpatienten auf Termine warten. Und Privatversicherte würden keine unnötigen Untersuchungen und Behandlungen mehr über sich ergehen lassen, die nur veranlasst werden, weil sie für Ärzte lukrativ sind.
Außerdem könnte die Bürgerversicherung laut SPD Ärzte aufs Land locken. Denn eine Praxis in der Stadt, wo viele Privatpatienten wohnen, sei dann nicht mehr so lukrativ. Der CSU-Gesundheitspolitiker Georg Nüßlein widerspricht. Sein bayerischer Wahlkreis sei ländlich strukturiert und relativ wohlhabend, es gebe also reichlich Privatversicherte – aber junge Ärzte ziehe es trotzdem in die Städte.
Andere Kritiker sagen: Die Bürgerversicherung beseitige nicht die Zweiklassenmedizin, sondern erschaffe sie. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery argumentiert: Mit der Bürgerversicherung entstünde sofort ein riesiger Markt für zusätzliche Gesundheitsleistungen und Versicherungen. Ärzte würden dann zuerst die behandeln, die eine Zusatzleistung kaufen – und aus eigener Tasche bezahlen.
Sinkt durch die Bürgerversicherung mein Beitrag?
Vielleicht. Die SPD verspricht Beitragszahlern schon dadurch eine Entlastung, dass Arbeitgeber wieder genauso viel zahlen sollen wie Arbeitnehmer; der Zusatzbeitrag wäre Geschichte. Außerdem kämen zumindest nach und nach junge, gesunde Gutverdiener in die Bürgerversicherung; Menschen, die sich heute eher privat versichern würden. Im Gegenzug könnte der Beitrag für alle sinken.
Außerdem war in alten Entwürfen einer Bürgerversicherung vorgesehen, dass man auch auf Mieteinnahmen, Kapitaleinkünfte oder Zinsgewinne Beiträge zahlen muss – für die Betroffenen wäre das teurer, für alle anderen eine Entlastung.
Allerdings plant die SPD in ihrem aktuellen Entwurf gar nicht mehr, einen Beitrag auf Mieten oder Zinsen zu erheben. Auch der Betrag, bis zu dem man Kassenbeiträge zahlen muss, soll nicht erhöht werden; das schont Gutverdiener, verkleinert aber den Spielraum, den Beitrag für alle zu senken.
Oder – ganz im Gegenteil: Vielleicht müssten die Beiträge sogar steigen. Zum Beispiel dann, wenn in die Bürgerversicherung massenhaft ältere Privatversicherte wechseln – um dort nicht mehr die hohen Privat-Prämien zahlen zu müssen. Die Bürgerversicherung hätte dann mehr potenziell kränkere Mitglieder als die heutige Gesetzliche Versicherung – und damit teurere.
Wird mein Arzt wegen der Bürgerversicherung besser bezahlt?
Kommt darauf an. Wer bisher viele gesetzlich Versicherte behandelt hat, gewinnt. Wer überdurchschnittlich viele Privatpatienten hat, verliert.
Insgesamt sollen die Ärzte so viel Geld bekommen wie heute. Die SPD verspricht: Keine Honorarkürzungen durch die Hintertür. Die Honorarordnungen der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherung sollen angeglichen werden. Kritiker sagen: Diese Systeme seien so unterschiedlich, dass eine Angleichung zehn Jahre dauern würde.
Fazit:
Es ist kompliziert. Wie immer in der Gesundheitspolitik. Die Bürgerversicherung kann Ungerechtigkeiten beseitigen – oder neue schaffen. Sie kann die Versorgung verbessern – oder verschlechtern. Sie kann günstiger werden – oder teurer. Je nachdem, wie sie konstruiert wird: In jedem Fall gäbe es Gewinner und Verlierer.