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Schild an einer Hauswand weist auf eine Arztpraxis hin

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Was die Groko gegen Landärztemangel tun will

Was die Groko gegen Landärztemangel tun will

Mal auf dem Land als Arzt arbeiten. Eine Vorstellung, die für viele junge Mediziner unattraktiv klingt. Mittlerweile ist jeder dritte Hausarzt über 60 Jahre alt. Die große Koalition will das Problem Landärztemangel angehen. Von Nadine Bader

Ein Blick auf die Übersicht der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zeigt: Bisher sind nur zwei hausärztliche Planungsbereiche in Bayern, nämlich Ansbach Nord und Feuchtwangen in Mittelfranken, rot markiert. Und rot heißt: unterversorgt, d.h. es fehlen Hausärzte.

Drohende Unterversorgung in Bayern

Zahlreiche Regionen in fast allen bayerischen Regierungsbezirken sind aber in Pink hervorgehoben. Und pink heißt: drohende Unterversorgung. Das bayerische Gesundheitsministerium geht davon aus, dass es in diesen Regionen bald an Haus- und Fachärzten mangeln könnte.

Schwierige Suche nach Nachfolger

Aus dem Ministerium heißt es: „Insbesondere auf Grund der Altersstruktur der dort niedergelassenen Ärzte steht innerhalb der nächsten Jahre das Eintreten von Unterversorgung zu befürchten, wenn nicht ausreichend gegengesteuert wird.“ Eine Einschätzung, die der Deutsche Hausärzteverband teilt.

"Auch in Bayern ist die Situation natürlich so, dass gerade in ländlichen Gebieten viele Hausärzte ein massives Problem haben, einen Nachfolger zu finden." Vincent Jörres, Sprecher Deutscher Hausärzteverband

Große Koalition will gegensteuern

Landärztemangel – kein bayernspezifisches Problem. Und ein Problem, das die große Koalition erkannt hat und das Jens Spahn als neuer Bundesgesundheitsminister angehen möchte.

"Es geht um die Frage: Wie ist die Versorgung im ländlichen Raum? Wir haben erlebt, in sehr ländlichen Räumen, dass dort viel Infrastruktur wegbricht. Eben auch der Arzt vor Ort. Das sind Fragen, um die möchten wir uns in den nächsten Jahren kümmern." Jens Spahn, CDU, Designierter Bundesgesundheitsminister

Ansatzpunkte im Koalitionsvertrag

Wie er das machen möchte, hat Jens Spahn noch nicht im Detail verraten. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD finden sich allerdings ein paar Ansatzpunkte. Aber man muss schon genau hinsehen, um sie zu finden. Und einige davon sind auch nicht neu, bloß noch nicht umgesetzt.

Masterplan Medizinstudium 2020

Zum Beispiel der Masterplan Medizinstudium 2020, der 2017 beschlossen wurde – und den Union und SPD jetzt endlich verwirklichen wollen. Der Plan sieht vor, dass die Allgemeinmedizin im Studium einen größeren Stellenwert einnimmt. Außerdem soll eine Quote für Landärzte eingeführt werden. Ein Teil der Medizinstudienplätze soll an Bewerber gehen, die sich vorab dazu verpflichten, aufs Land zu gehen.

Regionale Zuschläge und mehr Geld für "sprechende Medizin"

Außerdem wollen Union und SPD, dass Ärzte, die in unterversorgten ländlichen Regionen arbeiten, regionale Zuschläge erhalten. Konkret steht dazu im Koalitionsvertrag: „Dazu werden die hausärztliche Versorgung und die „sprechende Medizin“ besser vergütet.“ Also zum Beispiel Arztgespräche und die Terminvermittlung zum Facharzt.

Aufgabe der Selbstverwaltung

Für die Höhe der Vergütung ist in der Regel aber die Selbstverwaltung zuständig – also Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung. Die Politik kann daher nur einen Anstoß geben. Auf den reagiert der Spitzenverband der Krankenkassen zurückhaltend. Auf Anfrage teilt der GKV-Spitzenverband mit, gerne an einer Reform der Arzthonorare mitzuwirken. Geld sei aber nicht das Allheilmittel, um Ärzte in strukturschwache oder ländliche Gebiete zu locken.

Ländliche Regionen stärken

Das findet auch Vincent Jörres vom Deutschen Hausärzteverband. Finanzielle Anreize seien zwar wichtig, genauso aber Maßnahmen, um ländliche Regionen insgesamt attraktiver zu machen. Dazu gehörten zum Beispiel auch Jobmöglichkeiten für den Partner und Kinderbetreuung.

"Nur wenn die Infrastruktur gegeben ist, dann ist es auch überhaupt ein Anreiz für junge Ärzte, sich dort niederzulassen. Ohne eine infrastrukturelle Stärkung dieser ländlichen Regionen wird es natürlich schwierig sein, junge Leute, ganze Familien zu bewegen, sich dort niederzulassen." Vincent Jörres, Sprecher Deutscher Hausärzteverband

Landarztquote polarisiert

Die Quote für Landärzte findet der Hausärzteverband gut. Ganz anders sieht das die Bundesvertretung der Medizinstudierenden. Die angehenden Mediziner sagen, die Interessen und die Eignung für bestimmte Fachgebiete würden sich erst während des Studiums herausstellen. Aus Sicht der Medizinstudierenden sollten sich junge Studienbewerber deshalb nicht schon vorab auf die Fachrichtung Allgemeinmedizin festlegen müssen für den Quotenplatz.

Bayern will Landarztquote einführen

Die Landarztquote umzusetzen, liegt in der Kompetenz der Bundesländer. Die bayerische Gesundheitsministerin, Melanie Huml von der CSU, findet die Quote für Landärzte gut. Ein Ministeriumssprecher teilt auf Anfrage mit, Bayern werde bis zu fünf Prozent der Medizinstudienplätze vorab an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu acht Jahre in der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen tätig zu sein.

Langwierige Umsetzung

Bis die Landarztquote tatsächlich umgesetzt wird, könnte es allerdings noch dauern. Wie lange, hängt davon ab, wie schnell die Bundesländer es schaffen, sich in Detailfragen zu einigen. Denn für die Auswahl der Bewerber und die einzugehenden Verpflichtungen sollen einheitliche Vorgaben gefunden werden.

Aus dem bayerischen Gesundheitsministerium heißt es: "Dies erfordert noch einen erheblichen Abstimmungsbedarf. Die Gesundheits- und Wissenschaftsministerien in den Ländern haben insbesondere in der Frage des Auswahlverfahrens noch unterschiedliche Vorstellungen. (…) Die Umsetzung der Landarztquote wird deshalb noch einige Zeit in Anspruch nehmen." Abgesehen davon, dass die Bundesvertretung der Medizinstudierenden die Landarztquote sowieso ablehnt, kritisieren die Studierenden deshalb, dass die Landarztquote erst in Jahren mehr Ärzte aufs Land bringen könnte.

Wo bleibt die Digitalisierung in der Medizin?

Und ein anderer Punkt kommt den Studierenden zu kurz: die Digitalisierung in der Medizin. Die Ausführungen dazu im Koalitionsvertrag sind vage. Darin heißt es, Deutschland solle zum Vorreiter bei der Einführung digitaler Innovationen in das Gesundheitssystem werden. Peter Jan Chabiera von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden findet, dass die Digitalisierung eine Chance bietet, um dem Ärztemangel auf dem Land gegenzusteuern.

"Das wird ja beispielsweise in Kliniken schon gemacht, dass also ein Facharzt aus einer Uniklinik in einen kleinen kommunalen Versorger zugeschaltet wird per Bildschirm und Video-Übertragung, um dann gemeinsam mit den anwesenden Ärzten, eine Therapieentscheidung zu treffen." Peter Jan Chabiera, Bundesvertretung der Medizinstudierenden

Forschung vom Land aus ermöglichen

Um das Land für junge Ärzte attraktiver zu machen, wünscht sich Jan Peter Chabiera außerdem eine bessere Anbindung von Hausarztpraxen an Forschungsprojekte. In anderen Ländern, zum Beispiel in den Niederlanden, sei das längst der Fall. Mit besserer Vernetzung und Infrastruktur auf dem Land könnte sich der Medizinstudent aber durchaus vorstellen, sich mal auf dem Land niederzulassen.

Verschiedene Stellschrauben

Es gibt also nicht nur die eine Stellschraube, an der Jens Spahn drehen muss, um effektiv gegen den Landärztemangel vorzugehen. Alleine um die Ansatzpunkte im Koalitionsvertrag anzupacken, muss der designierte Bundesgesundheitsminister mit verschiedenen Akteuren zusammenarbeiten. Vor allem auch mit der Selbstverwaltung, also Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung.