Dr. Rattan Lal, Gewinner des World Food Prize 2020
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Welternährungspreis 2020 geht an Rattan Lal

Welternährungspreis 2020 geht an Rattan Lal

Der Welternährungspreis "World Food Prize" ist soetwas wie der "Nobelpreis" für Innovationen im Bereich Welternährung. Gewinner in diesem Jahr ist Dr. Rattan Lal, der sich um die Erhaltung des natürlichen Erdreichs bemüht und Kleinbauern helfen will.

Ins Leben gerufen wurde der mit 250.000 US-Dollar dotierte World Food Prize 1987 vom Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug, einem US-amerikanischen Agrarwissenschaftler. Dieses Jahr geht er an Dr. Rattan Lal. Er arbeitet seit den 60er-Jahren mit einem Boden-zentrierten Ansatz der Agrarwissenschaft, das heißt, er spricht sich dafür aus, das natürliche Erdreich so gut wie möglich zu erhalten, um die Welternährung sicherzustellen und dem Klimawandel vorzubeugen. Die Preisverleihung findet eigentlich traditionell im State Capitol in Des Moines, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Iowa statt. Dieses Jahr erfolgte die Bekanntgabe der Preisträger wegen der Corona-Pandemie über einen Online-Stream.

Über hundert Einzelsponsoren finanzieren den Welternährungspreis

Zu den bislang Ausgezeichneten des World Food Prize gehören Forscherinnen und Forscher, die zum Beispiel erfolgreich schädlingsresistente Getreidesorten züchteten, Methoden zur Wieder-Fruchtbarmachung von Ackerböden erforschten oder Impfstoffe für Nutztiere entwickelten. Der Preis wird von über 100 verschiedenen Einzel-Sponsoren finanziert, darunter die Bill und Melinda Gates Foundation und die Rockefeller Foundation.

Lebensgrundlage von 500 Millionen Kleinfarmern erhalten

Dr. Rattan Lal ist heute Professor für Bodenwissenschaften an der State University in Ohio. Er wurde 1944 in Indien geboren und arbeitete schon früh auf der elterlichen Farm in Punjab. Nach dem Studium der Agrarwissenschaften forschte er weiter in den USA, Australien und Nigeria, vor allem an der Erhaltung der Böden in tropischen Gebieten. Er beriet Bauern und Landbesitzer auf der ganzen Welt und half so, die Lebensgrundlage von 500 Millionen Kleinfarmern zu erhalten, Lebensmittelsicherheit für fast zwei Milliarden Menschen herzustellen und hunderte Millionen Hektar natürliche, tropische Ökosysteme am Leben zu erhalten. "Wenn Böden nicht regeneriert werden, wird die Saat nicht aufgehen und die Menschheit wird leiden trotz großartiger wissenschaftlicher Fortschritte", so sein Ansatz. Bei der Preisverleihung mahnte er: "Die schlimmsten globalen Massenvernichtungswaffen sind Hunger und Mangelernährung: 90 Millionen Menschen pro Jahr, das sind 17 Tote pro Minute. Unsere Arbeit endet nicht mit der Publikation von Ergebnissen, sie muss es in praktische Anwendung schaffen, das ist unsere Pflicht."

Hunger im Jahr 2020 – ein Problem macht sich wieder breit

Ernährungssicherheit und die Qualität von Ernährung ist im Jahr 2020 aktueller denn je. Im Moment hungern 821 Millionen Menschen auf der Welt – und damit mehr als vor 5 Jahren. Das ist jeder Neunte. Jeder Dritte weltweit leidet an Mangelernährung. Dazu kommt, dass mit der Corona-Pandemie mehr Menschen weltweit von Hunger bedroht sind – die Zahl könnte sich nach Schätzungen des UN World Food Programms von 135 Millionen im Jahr 2019 auf 265 Millionen bis Ende des Jahres 2020 erhöhen. Zunehmend dramatisch ist die Lage im Ländern, die zusätzlich von Konflikten bedroht sind, wie im Jemen, in der demokratischen Republik Kongo und im Süd-Sudan. Auch in Regionen mit großer Dürre und ökonomischen Unsicherheiten hat sich die Situation zugespitzt, wie in Haiti, Pakistan und Zimbabwe.

Oberste Priorität des UN World Food Programms: "Zero Hunger"

Hunger ist also ein Problem, das wieder größer wird – und das, obwohl 2015 die Vereinten Nationen eine Erklärung verfasst haben – "17 Ziele für nachhaltige Entwicklung", auch oft "Weltzukunftsvertrag" genannt - die auf Platz 2 "Ernährungssicherheit und nachhaltige Landwirtschaft" setzte (nach "Frieden" auf Platz 1). "Zero Hunger" ist deshalb die oberste Priorität des UN World Food Programms: Hunger beenden, Ernährung verbessern, Zugang zu Nahrungsmitteln und deren Verfügbarkeit sichern und nachhaltige Landwirtschaft fördern. 2003 erhielt Catherine Bertini vom World Food Program der UNO selbst den World Food Prize – sie hatte die Wohltätigkeitsorganisation zur größten humanitären Hilfsorganisation der Welt umgebaut.

Der Münchner "Innovation Accelerator" – was ist das?

Seit 2016 ist der Innovations-Knotenpunkt des UN World Food Programms in München angesiedelt, der "World Food Program Innovation Accelerator" – also eine Art Beschleuniger, um innovative Ideen im Bereich Ernährungssicherheit möglichst schnell in die Praxis umzusetzen. Projektideen aus der ganzen Welt werden hier gesammelt, in Seminaren weiterentwickelt, koordiniert und unterstützt. Der Accelerator fing mit fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, inzwischen kümmern sich 50 Expertinnen und Experten vor Ort um die Ideen aus aller Welt. "Einen Skandal" findet es Gründer Bernhard Kowatsch, dass es Hunger noch gibt – "Hunger ist ein lösbares Problem, es gibt genug Lebensmittel!", mahnt er. Bevor er den Accelerator gründete, hat er selbst zusammen mit einem Freund ein Hilfsprogramm konzipiert: "ShareTheMeal", ein Fundraising-Programm für Mahlzeiten für Kinder. Bei seiner Arbeit fiel ihm auf, dass viele Hilfsprogramme zwar gute Ideen mitbringen, aber oft nicht die betriebswirtschaftliche Organisationsstruktur, um erfolgreich zu sein. Das setzte er dann mit dem Münchner Accelerator um: einen Anlaufpunkt für Ideen, die konkrete Hilfe bei der Verwirklichung brauchen.

Lebensrettende Ideen für die Corona-Krise von heute

Einige der Projekte, die der Accelerator unterstützt hat, haben sich jetzt in der Corona-Krise als lebensrettend erwiesen, wie das Projekt "H2Grow": Familien in Tschad, Algerien oder Peru werden dabei unterstützt, eigene einfache Hydrokultursysteme zu errichten, um selbst Nahrungsmittel oder Tierfutter anzubauen. In den Zeiten der Corona-Krise kam diese Innovation den Familien besonders zugute – in Regionen mit Ausgangsbeschränkungen konnten Familien die eigene Ernährung zuhause besser sicherstellen, ohne das Haus verlassen zu müssen. In der "Share the Meal"-App kann direkt in Regionen gespendet werden, die durch Covid-19 besonders von Hunger bedroht werden. Und eine Blockchain-Zahlungsmethode, die vor zwei Jahren für Lebensmittelmärkte in Flüchtlingscamps in Jordanien eingeführt wurde, kann jetzt zum kontaktlosen Bezahlen genutzt werden und mehr Social Distancing sicherstellen. Auf mehreren digitalen Karten überwachen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WFP die veränderte Versorgungssituation in den 83 Ländern, die besonders von Hunger und Elend betroffen sind, und passen Projekte an. Zum Beispiel werden Schulmahlzeiten nach Hause geliefert in Gegenden, in denen die Schulen Pandemie-bedingt ausfallen, die Mahlzeiten aber für die sichere Ernährung der Kinder unverzichtbar sind.

Finanziell unterstützt wird der Accelerator vom Bund, vom Freistaat Bayern, vom Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Vorschlagen kann jeder seine Ideen beim Accelerator, weltweit. Die Ideen werden dann geprüft und mit den Entwicklern besprochen, können mit Geldmitteln, Expertenwissen und Kontakten vor Ort unterstützt werden.

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