Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert angeblich seine Truppen auf, die Waffen niederzulegen; Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Putin verkündet vermeintlich den Sieg im Nachbarland: Videos wie diese gehen viral, auch in Chatgruppen mit dem engsten Verwandten- oder Freundeskreis – nur sind sie eben alle fake. Häufig werden solche Fälschungen eingesetzt, um gezielt Desinformation zu streuen, Menschen zu verunsichern, Gesellschaften zu spalten. Und manchmal sind sie so gut gemacht, dass kaum zu erkennen ist, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen. Wenn man weiß, wie, lassen sich die meisten Fakes aber entlarven.
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1. Nutze OSINT-Tools
OSINT steht für Open Source Intelligence. OSINT beschreibt die Informationsgewinnung aus frei verfügbaren Daten. OSINT-Tools sind frei zugängliche "Werkzeuge" im Netz, die dabei helfen, Ungereimtheiten aufzudecken. Der "Klassiker" ist die Bilder-Rückwärtssuche, die Suchmaschinen wie Google, Yandex oder Bing anbieten. "Es gibt auch eigene Tools für solche Suchen, 'TinEye' zum Beispiel, und Add-ons wie 'search by image', welches gleichzeitig mehrere Suchmaschinen durchforstet", erklärt Janina Lückoff, Teamlead des BR24 #Faktenfuchs, der Faktenchecker-Einheit des Bayerischen Rundfunks, im BR24 Podcast "Dreimal besser".
Dabei lohnt es sich, die Ergebnisse mehrerer Rückwärtssuchen zu vergleichen. So könne man herausfinden, ob ein Bild wirklich von dem Ereignis stammt, zu dem es verwendet wird, oder ob es vielleicht viel älter sei oder bereits in einem ganz anderen Zusammenhang im Internet kursiere, sagt Lückoff. "Noch ein Tipp: Man kann auch beim Suchfilter den Zeitraum für die Suche begrenzen und dann schrittweise die Zeit weiter zurücksetzen. Dann kann man ganz gut herausfinden, wann ein Bild zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Das funktioniert auch mit Standbildern aus Videos."
2. Achte auf die Details
Wer den Ursprung eines Bildes ausfindig gemacht hat, kann zunächst einmal schauen, ob zwischen der Originaldatei und dem vermeintlichen Fake Unterschiede sichtbar sind, ob also Veränderungen vorgenommen wurden. Wenn das mit bloßem Auge nicht zu sehen ist, helfen wiederum Tools weiter. Faktenfuchs-Teamlead Lückoff nennt als Beispiele "Forensically" oder "FotoForensics". Damit lässt sich erkennen, ob das Bild mit einer Bearbeitungs-Software manipuliert wurde.
Auch die Metadaten eines Fotos können gute Hinweise liefern, wo und wann das Bild aufgenommen wurde. Diese Daten sollten dann allerdings ebenfalls verifiziert werden, via Programme wie "exif.data" oder dem Add-on "inVid" zum Beispiel. Die Crux daran: "Manipulationen nachzuweisen oder Metadaten zu checken gelingt am ehesten mit der Originaldatei. Und die ist oft schwer zu finden", sagt Lückoff. Beim Hochladen in die sozialen Netzwerke bleiben die Metadaten auf der Strecke. Deshalb kann dann noch eine weitere Möglichkeit helfen:
3. Mach' Dich an die Standort-Analyse
"Die Bilderrückwärtssuche allein löst in der Regel nicht alle Fragen. Meistens sind weitere Schritte nötig: Und da kommen wir in den Bereich der Geolocation", erklärt Lückoff. Dabei können etwa Details im Hintergrund wie Baustellenschilder oder vorbeifahrende Schiffe aufschlussreich sein. "Für fast alles gibt es Datenbanken oder Ansätze, weiter zu 'graben': Welches Schiff ist zu sehen? Welches Unternehmen hat solche Schiffe?" Um herauszufinden, ob der Zeitpunkt einer Aufnahme korrekt angegeben ist, können zum Beispiel Wetterdatenbanken nützlich sein: Passt die Stimmung auf dem Bild zum Regen, der an dem Tag in der Region niederging? Tools zur Berechnung des Sonnenstandes helfen bei der Frage, ob der Schattenwurf zur angegebenen Uhrzeit passt.
Und oft nutzt auch das, was Lückoff "Logik der Verifikation" nennt. Kann die Jahreszeit auf den Bildern stimmen? Wie ist die Reaktion der umstehenden Leute? "Wenn angeblich etwas total Dramatisches passiert in einem Video, die Menschen drum herum sind aber völlig gelassen, ist das schon ein Hinweis, dass etwas nicht stimmt", weiß die Faktencheckerin.
Bei Videos lohne sich auch immer ein Blick darauf, ob die Mundbewegungen zur Tonspur passen, ob die Mimik unnatürlich wirke, oder ob es auffällige Schnitte gebe. Anfällig für Fehler bei sogenannten Deepfake-Videos seien zum Beispiel die Zähne oder die Übergänge von der Kleidung zur Haut. Allerdings, solche Deepfakes sind nicht immer leicht auszumachen. Und mit Blick auf die technischen Entwicklungen könnte das in Zukunft noch schwieriger werden.
Umso wichtiger ist es, dagegenzuhalten. Der BR24 #Faktenfuchs hat dazu eine Reihe nützlicher Tools gesammelt, die er allen Usern zur Verfügung stellt. Auch andere Recherche-Plattformen wie Bellingcat oder First Draft bieten entsprechende Werkzeugkästen an. Und wer einfach nach dem Stichwort "Verifikations-Toolkit" googelt, wird ebenfalls fündig.
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