Britney Spears
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Britney Spears, die befreite Pop-Ikone

13 Jahre lang hatte Britney Spears keinen Zugriff auf ihre Konten, konnte private Entscheidungen nicht selbstbestimmt treffen. Nun hat ein Gericht die Vormundschaft beendet, unter der die Sängerin stand.

"Das ist der beste Tag meines Leben", sagte Sängerin Britney Spears gestern über die Entscheidung der Richterin Brenda Penny. Diese hat mit den Worten "die Vormundschaft über die Person und das Vermögen von Britney Spears ist hiermit beendet" einen Kampf entschieden, den der Pop-Star über ein Jahrzehnt lang geführt hatte. Bei Instagram postete Spears ein Video ihrer Fans, die vor dem Gerichtsgebäude feierten. Sie waren es, die das Hashtag #FreeBritney etabliert und damit überhaupt erst öffentlichkeitswirksam auf das Problem der Vormundschaft aufmerksam gemacht haben. Dementsprechend dankbar zeigte sich Spears unter dem Post, den sie ebenfalls mit den Worten "ich glaube, ich werde den restlichen Tag weinen" und dem Hashtag #FreedBritney - also #BefreiteBritney - kommentierte. Unklar ist noch, ob diese Aussage auf Instagram schon eine Ankündigung für ein großes Interview bei Oprah Winfrey war: "I might as well do a hint of my thoughts here before I go and set things square on @Oprah"

Richterin Brenda Penny hatte schon im September zu Britney Spears' Gunsten entschieden. Damals setzte sie den Vater der Sängerin, Jamie Spears, als Vormund ab. Damit kam sie dem dringlichen Antrag von Mathew Rosengart nach, der als Anwalt der Sängerin schon länger die Enthebung des Vaters gefordert hatte. Bis dahin hatte sich das Gericht eher auf die Seite des Vaters gestellt: Jamie Spears blieb für das Vermögen seiner Tochter zuständig, dass auf 60 Millionen Dollar geschätzt wird - bis er überraschend ankündigte, doch die Vormundschaft aufzugeben.

Die Fans kämpfen für ihren Star

Britney Spears galt einst als der größte Popstar der Welt. Nach ihrem Zusammenbruch nach der Trennung von Ex-Mann Kevin Federline wurde die mittlerweile 39-Jährige entmündigt. Seit letztem November wurde ein von Britney vorgeschlagener Finanztreuhändler mit einbezogen. Sie hatte keinen Zugang zu ihrem Vermögen, obwohl sie weiterhin auf Tour ging und mit einer eigenen Show in Las Vegas von 2013 bis 2017 Millionen verdiente. Auch private Entscheidungen, sei es eine spontane Shoppingtour bis hin zum Kinderwunsch, durfte sie nur mit Absprache ihres Vormunds und ihrer Beratern treffen. Ihre Kinder sah sie kaum. Im Netz regte sich unter dem #FreeBritney seit Jahren Widerstand.

Ein Leben für die Show

Ihre erste Tanzstunde hatte Britney Spears im Alter von drei Jahren. Mit fünf sang sie auf der Abschlussfeier ihres Kindergartens. Mit acht performte sie am New Yorker Broadway. Mit elf sprang sie an der Seite von Justin Timberlake, Christina Aguilera und Ryan Gosling durch die TV-Show "Mickey Mouse Club". Und mit 17 stürmte sie mit "…Baby One More Time" die Charts und wurde zum Objekt der Begierde für pubertierende Teens und perverse Epsteins mit Schulmädchen-Fixierung. "Ooops… I Did It Again", das zweite Album, pünktlich zum neuen Millennium. 20 Millionen verkaufte Alben weltweit. Mit 19 auf dem Zenit. Der – für ihre Fans – größte Popstar der Welt.

Wer hoch fliegt, stürzt tief

Die Karriere von Britney Spears liest sich, als habe jemand die Vorspultaste auf der Fernbedienung ihres Lebens gedrückt und danach die Batterien weggeschmissen. Als habe jemand das Gaspedal des Erfolgs mit einem Backstein beschwert und wäre danach aus dem rasenden Auto gesprungen. Wer das erste Greatest Hits Album 2004, im Alter von 23 Jahren, veröffentlicht, hat nicht nur viele Sprossen der Karriereleiter übersprungen, sondern auch auf verdammt viel verzichtet.

Und so schleuderte es sie - wie es Popverächter kommen sahen, aber die wünschen sich ja Abstürze sehnlichst herbei - aus der Konjunkturkurve des Lebens: Im Frühjahr 2007, nach dem Scheitern der Ehe mit dem Tänzer Kevin Federline, erleidet Britney Spears einen bis heute unverdauten Zusammenbruch. Sie rasiert sich den Schädel kahl, fährt mit Sohn Sean auf dem Schoß Auto, prügelt mit einem Regenschirm auf ein Paparazzo-Auto ein. Sie missbraucht Drogen (also wirklich!). Weist sich zwischenzeitlich sogar selber in den Entzug ein. Die Boulevard-Medien schlachten ihren Breakdown bis aufs Letzte aus – bad news are good news. Mehr noch als vorher ist Britney nie allein, stets verfolgt und unter Beobachtung. Es scheint, als wäre dieses Leben, dass für so viele gereicht hätte, zu viel gewesen für eine allein.

Die Entmündigung

Im Hintergrund der Skandale tobt ein erbitterter Sorgerechtsstreit mit Ex-Mann Kevin Federline um die beiden Söhne Sean und Jayden James. Im Oktober 2007 verliert Britney das Sorgerecht, darf die Kinder aber besuchen. Als sie sich kurz darauf, im Januar 2008, mit ihren Kindern in ihrem Anwesen einsperrt, eskaliert die Situation. Nach Stunden der Belagerung durch die Polizei wird Britney aus dem Haus geholt und kurz darauf in die Psychiatrie zwangseingewiesen. Sie sei eine "Gefahr für sich und andere" gewesen. Sie verliert das Besuchsrecht für ihre Kinder. Ihr Vater Jamie Spears, beantragte die temporäre Entmündigung seiner Tochter vor Gericht. Nur, temporär blieb nichts.

Seit 2020 stand Britney Spears erneut vor Gericht, um ihre Unabhängigkeit zurückzufordern. Im Jahr davor war sie damit gescheitert. Die 13 Jahre seit ihrer Einweisung lebte sie zunächst unter der Vormundschaft ihres Vaters, bis dieser sie im Herbst 2019 aufgrund gesundheitlicher Probleme aufgab. Seitdem leitete Britneys Vertraute Jodi Pais Montgomery die "Geschäfte".

Britney Spears hatte keinen Zugang zu ihren Konten und dem Privatvermögen von mehr als 80 Millionen Dollar. Auch private Entscheidungen traf die mittlerweile 39jährige nicht alleine. Die genauen Umstände der Vormundschaft waren unklar, doch oft hieß es im Netz, Britney hätte nicht alleine Auto fahren dürfen, ihr wäre untersagt worden, Kinder mit Sam Asghari, ihrem Verlobten, zu bekommen, nicht mal einen Kaffee in einem Coffee Shop hätte sie sich alleine holen dürfen. Es sei die totale Kontrolle über eine erwachsene Frau und Mutter gewesen, die eingesperrt in einem riesigen Anwesen ihr Dasein fristete. In Interviews lächelte sie sich gekonnt durch die Krise. Doch auf Social-Media rief sie nach Hilfe. Das meinten zumindest ihre Fans.

#FreeBritney – Zwischen Sorge…

Der Hashtag #FreeBritney wurde bereits vor zehn Jahren auf Twitter ins Leben gerufen. Doch in der letzten Jahren war es darunter aktiv wie nie. Das lag wohl zunächst daran, dass sich das Gerichtsverfahren so hinzog. Wechselte man aber von Twitter zu ihrem TikTok-Account, fand man weitere Gründe: Auf dem Videoportal folgen Britney mehr als zwei Millionen Menschen. Was sie dort sahen, waren auf den ersten Blick belanglos erscheinende Tanzclips, Workout-Videos oder lustige Hundefilter-Spielereien. Doch auf den zweiten Blick entstand ein ganz anderes Bild. Denn alle diese Videos hatten eines gemeinsam: Britney verließ darin nie ihr Anwesen. Mal war sie im Garten, mal im Gym, mal im Wohnzimmer, mal auf der Terrasse – aber nie draußen in der Stadt. Nie am Strand. Nie in einem Geschäft oder einem Restaurant. Ja, auch vor Corona nicht. Ihre Fans besorgte das zutiefst. In den sozialen Medien starten sie unter anderem Petitionen gegen die Entmündigung.

… und "Verschwörungstheorien"

Doch es ging noch weiter: Viele Fans waren felsenfest davon überzeugt, dass Britney Hilferufe in ihren Posts versteckte und dass sie von ihrem nahen Umfeld dazu gezwungen wurde, den Schein zu wahren. So sah man zum Beispiel in einem Workout-Clip auf TikTok, wie ihr Personal Trainer sie animierte zu "lächeln".

Ihre Follower und Followerinnen begannen damit, sie aufzufordern, geheime Zeichen in den Clips zu verstecken. "Wenn du Hilfe brauchst, trage Gelb in deinem nächsten Video", kommentierte die Userin "Blueshoulderpads". Eine andere schrieb: "Wenn du Hilfe brauchst, dreh dich im nächsten Video". Und siehe da: Im nächsten Video trug Britney ein gelbes Top und drehte sich einmal um die eigene Achse. Kritiker und Kritikerinnen der Entmündigungs-Theorie warfen den besorgten Fans wiederum vor, Sachen zu erfinden: Die Kommentare seien erst nach Erscheinen der Videos hinzugefügt worden und ohnehin gelte Britney auf TikTok als "CEO of Spinning Around". Auch vorher habe sie nicht viel anderes getan, als sich vor der Kamera im Kreis zu drehen. Der Vorwurf, sie werde gegen ihren Willen eingesperrt und ihr Vater, ihre Mutter und die Vertrauten wollten nur einen Weg um an ihr Geld zu kommen, sei eine Verschwörungstheorie. Erst im letzten Juli reichte ihre Mutter Lynne Spears einen Antrag ein, um Verfügungsgewalt über die Finanzen ihrer Tochter zu bekommen.

Ein unheimliches Gefühl

Schaute man sich die Posts auf Britneys Profil an, kam man nicht um ein Gefühl der Beklemmung herum. Ein Post mit der Unterschrift "Mein Florist hat mich heute mit einem bunten Bouquet überrascht, musste ich teilen", zeigte Britney zunächst mit einem bunten Blumenstrauß in besagtem gelben Top, eine Pirouette drehend zu The Weeknds "Blinding Lights". Doch danach ging sie stoisch von links und rechts durchs Bild und lächelt in die Kamera. Wie bei einem Castingvideo. Ein ebenso unerklärliches wie unheimliches Bild.

Neben den TikTok-Videos lasen die besorgten Fans auch in ihren Instagram- und Twitter-Posts zwischen den Zeilen. In einem Instagram-Post vom 9. Juli zitierte Britney die indische Autorin Arundhati Roy. Die Zeilen stammen aus deren Debütroman "Der Gott der kleinen Dinge", in dem ihre Fans eindeutige Parallelen zu Britneys eigener Situation herauslasen. Eine weitere versteckte Botschaft? Viele von Britneys Posts enthielten Blumen, meist Rosen. Viele Fans sanden ihr deshalb die Nachricht: "Poste Blumen, wenn du Hilfe brauchst."

#FreedBritney

Britney Spears ist eine erwachsene Frau. Eine Mutter von zwei Söhnen, die sie fast 13 Jahren lang kaum sehen durfte. Sie war und ist eine der größten Pop-Ikonen der Welt, die jahrelang in Las Vegas die Hallen füllte. 13 Jahren büßte sie für eine dunkle Phase ihres Lebens, indem sie in völliger Unmündigkeit gehalten wurde. Jetzt ist sie, auch dank ihrer Fans, befreit - und dreht ihre Pirouetten hoffentlich nur noch aus Freude.

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