Ein Schminktisch mit weißem Telefon, Uhr, Köfferchen.
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Das weiße Telefon, das Freddie Mercury selbst in den Händen hielt: Es ist Teil der Versteigerung in London.

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Freddie-Mercury-Auktion in London: Moderner Reliquienhandel?

Über 1.400 Gegenstände aus dem Nachlass Freddie Mercurys werden aktuell versteigert. Neben Mercurys Kunstsammlung kommen auch Kleider, Notizzettel, goldene Schallplatten, Teekannen und sogar bayerische Bierkrüge unter den Hammer. Warum klappt das?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Die Nachfrage nach den über 1400 Devotionalien des legendären Sängers der Rockgruppe Queen bei der Sotheby's-Auktion ist groß. 2.000 Bieter und Bieterinnen aus 61 Ländern beteiligten sich in den ersten Tagen.

Unter der Rubrik "crazy little things" stehen auch drei bayerische Bierkrüge zum Verkauf. Mercury hat sie wohl in München erworben, als er in den 1980er-Jahren hier wohnte. Angegebener Schätzpreis: zwischen 120 und 180 britische Pfund.

Zum Artikel: "Fredi Merkur": So heftig feierte der Queen-Sänger in München

Besitztümer eines Popstars als moderne Reliquien?

Was fasziniert so an den Hinterlassenschaften eines Pop-Idols? Fan-Forscher Professor Harald Lange an der Uni Würzburg sieht hier durchaus Parallelen zum Reliquienkult im religiösen Bereich: "Man sagt, Sport oder auch Pop- und Rockkultur seien so etwas wie Ersatzreligionen." Insofern könne man die Gegenstände, die bei der Auktion zum Verkauf stehen, tatsächlich mit Reliquien vergleichen. Der Forscher beschreibt das Phänomen so: "Das gibt mir Halt, das zeigt auch ein Stück weit meine Sehnsucht auf. Es gibt mir eine Orientierung, eine Leitlinie, ein Vorbild." Lange erinnert an die uralte magische Vorstellung, durch den Kontakt mit dem Relikt eines verehrten Menschen könne man auch einen Teil von dessen Energie auf sich übertragen.

Reliquienverehrung hat jahrtausendealte Geschichte

Dem stimmt auch der Kölner Theologe Professor Manfred Becker-Huberti zu. Und er erkennt noch mehr Gemeinsamkeiten. Wie Reliquien machten auch solche Devotionalien Gedächtnis greifbar: "Man möchte etwas in die Hand nehmen können und sich dann auf diese Art und Weise an die Person erinnern."

Wie existentiell dieses Bedürfnis ist, zeigt die lange Geschichte der Reliquienverehrung. Überreste von kraftgeladenen Menschen – Kriegern, Zauberern, Propheten – waren schon in der Antike oft Gegenstand religiöser Verehrung. Die katholische Kirche machte dann fast einen Sport daraus: Kaum ein Kloster kam ohne die Gebeine irgendeines Heiligen aus. Und so mancher Heilige käme wahrscheinlich auf sechs oder mehr Arme, würde man alle ihm zugeschriebenen Knochen zusammenzählen. Die Provenienz ist so mysteriös wie die Reliquie selbst.

Reliquien als Wirtschaftsfaktor - auch bei heutigen Devotionalien

Der Run auf die Reliquien hatte auch einen handfesten Grund, erklärt Manfred Becker-Huberti: "Mit dem Besitz von Reliquien ließ sich immer auch anzeigen, wie viel Prestige, Einfluss, Reichtum der Besitzer vorzuweisen hatte." Im Hochmittelalter hätten sich nur wenige Menschen Reliquien leisten können. "Die waren nahezu unbezahlbar. Es gibt Könige und Kaiser, die Burgen gebaut haben, um ihre Reliquienschätze zu schützen." Und mit Reliquien konnten auch Wallfahrten und damit die örtliche Wirtschaft angekurbelt werden.

Eine ähnliche Bedeutung haben heute auch manche Devotionalien von Sport- oder Popstars, bemerkt Fan-Forscher Harald Lange. "Man kann bestimmte Reliquien aus der Fankiste tatsächlich als Wertanlage begreifen." Dafür gebe es einen regelrechten Markt – zum Beispiel von Autos, die einmal im Besitz wichtiger Persönlichkeiten waren. Der Golf von Joseph Ratzinger etwa erzielte nach Ratzingers Wahl zum Papst Spitzenpreise.

Mercurys Armreif, Piano, Notizblatt

Auch die meisten Gegenstände aus Freddie Mercurys Nachlass stellen eine ziemlich krisensichere Investition dar. Diese Woche wurde bereits ein Armband in Schlangenform für 550.000 Pfund verkauft, das Freddy Mercury bei einigen Musikvideos getragen hat.

Das Piano, auf dem er den berühmten Song "Bohemian Rhapsody" komponiert hat, kam für 1,74 Millionen Pfund unter den Hammer und das Blatt Papier, auf dem er den Text des berühmten Popsongs notiert hat, ging für über eine Million Euro weg.

Reliquien und Star-Devotionalien: Es gibt auch Unterschiede

Einen Unterschied gebe es aber doch zwischen den Reliquien von damals und den Stardevotionalien heute, bemerkt Becker-Huberti. Im Hochmittelalter seien Reliquien oft gestohlen worden - doch Konsequenzen habe es keine gegeben. "Wer die Reliquien gemopst hat und besitzt, der ist auch deren Eigentümer", erklärt der Theologe. "Man ging davon aus, die Reliquien hätten dahin gewollt, ansonsten hätten sie sich nicht stehlen lassen."

Diese Rechtsauslegung möchte man den Käuferinnen und Käufern von Freddie Mercurys Devotionalien nicht wünschen.

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